Das Medium Film spielte im Werk des Grafikers und Illustrators Hans Hillmann (1925-2014) eine zentrale Rolle. Bekannt wurde er vor allem als Designer wegweisender Filmplakate und durch seine Adaption von Dashiell Hammets Krimi „Fliegenpapier“, eine mit den Bildwelten des Film noir spielende Graphic Novel. Ein umfangreicher Bildband stellt nun Illustrationen des Künstlers vor, in denen seine Kino-Liebe ebenfalls immer wieder aufblitzt.
Yves Montand und Simone Signoret eng umschlugen schwebend im graublauen Himmel über einer Küstenstadt; Giulietta Masina auf einer Couch mit Federico Fellini, auf der auch ein gerahmtes Bild von Anita Ekberg platzgenommen hat, Ingrid Bergman und Roberto Rossellini vor einem rauchenden Vulkan. Bei einer Reihe von Illustrationen, die der Grafiker Hans Hillmann in den Jahren 1990 bis 1995 für das FAZ Magazin zur Artikelserie „Berühmte Liebespaare“ erstellte, kam ihm seine Nähe zum und seine Sensibilität fürs Kino zupass. Zu dieser Zeit war Hillmann dank der Filmplakate, die er ab Mitte der 1950er-Jahre bis in die 1970er-Jahre für die Verleihfirmen Atlas Film und Neue Filmkunst Walter Kirchner entworfen hatte, längst eine Koryphäe seines Fachs; durch seine Adaption von Dashiell Hammets Krimi „Fliegenpapier“ hatte er sich zudem als deutscher Pionier der Graphic Novel hervorgetan. Neben seiner Lehrtätigkeit als Professor an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Kassel wirkte er als Illustrator (vor allem für das „FAZ Magazin“ und für die Jugendzeitschrift „twen“). Wie seine Plakate waren auch die Darstellungen prominenter Liebespaare meilenweit von gängigen Glamour-Porträts und Star-Schnitten entfernt; stattdessen präsentierten sie beziehungsreiche, spielerisch-kluge szenische Verdichtungen.
Die Spannung des stillgestellten Augenblicks
Ein üppiger Bildband stellt den „Zeichner und seine Welten“ mit Blick auf seine Illustrationen vor: 246 Seiten im Querformat, die das künstlerische Universum von Hans Hillmann sozusagen in Cinemascope erschließen.
Im einleitenden Porträt lässt es sich der Journalist Andreas Platthaus nicht nehmen, von den wegweisenden Filmplakaten auszugehen. Die erste Abbildung des Bandes gilt dem legendären Plakat zu Akira Kurosawas „Die sieben Samurai“, auf dem sich vor weißem Grund eine Wolke ineinander verkeilter, zu grafischen Formen abstrahierter Kämpfer in den Grundfarben Blau, Rot, Gelb und Grün ballt. Platthaus beschreibt Hillmann mit Blick auf dieses Plakat als Künstler, der „bei allem Stillstand, den das Einzelbild eines Plakats oder einer Illustration erzwingt, doch in Sequenzen denkt. Die Fixierung eines Moments beschwört ja gerade das Davor und das Danach herauf – sofern ein Gestalter wie Hillmann am Werk ist, der in seinen Motiven eine Spannung auszudrücken versteht, die für den Betrachter nicht auszuhalten ist, die nach Er- und Auflösung verlangt, entweder durch die Vor- oder die Nachgeschichte des stillgestellten Augenblicks. Hillmann-Filmplakate zwingen einen ins Kino. Und Hillmann-Illustrationen zwingen zum Lesen“. Der große Bildband zum illustratorischen Werk setzt einen der Spannung von Hillmanns Arbeiten und ihrem oft rätselhaften, surrealen Zauber pur aus.
Von Liebespaaren und Schwarzen Schafen
Gegliedert ist die Monografie in fünf thematische Kapitel. Eines gilt der fulminanten „Berühmten Liebespaare“-Reihe, die, passend zum Thema, jeweils ein Bilder-Paar einem der Promi-Paare widmet; die anderen sind lose motivisch ausgerichtet. Das erste Kapitel stellt „Städte und weitere Landschaften“ vor und vereint Bilder, die Facetten konkreter Orte und ihrer Bewohner auf den Punkt bringen (etwa Pamplona, St. Moritz, Venedig), mit Exkursionen in fantastische Sphären (wunderschön etwa ein „See-Vulkan“, der stilistisch ans Werk des Japaners Hokusai denken lässt).
Das Kapitel „Sequenzen“ widmet sich Bilderfolgen als Miniatur-Erzählungen, in denen sich Hillmanns Talent als Graphic-Novel-Schöpfer kondensiert. „Faune, schwarze Schafe und andere Menschen“ liefert ein Panoptikum pointierter Figurenporträts, unter anderem Illustrationen zu der FAZ-Serie „Schwarze Schafe“ (bei dem man erneut eine Filmgröße, Klaus Kinski, begegnet). „Vom Zeichentisch und aus dem Skizzenbuch“ ermöglicht schließlich eine Art Werkstatt-Besichtigung und wirft Schlaglichter auf Hillmanns stilistische Bandbreite und sein enormes technisches Können.
Der im avant-Verlag erschienene, von Johann Ulrich und Thomas Gilke herausgegebene Band entstand in Zusammenarbeit mit der Witwe des 2014 verstorbenen Künstlers und macht Schätze aus dessen Nachlass zugänglich. Dabei spart sich die Zusammenstellung detailliertere Erläuterungen zu den Texten, die Hillmanns Arbeiten als Illustrationen flankierten; bis auf knappe Einführungen in die einzelnen Kapitel lässt der Band die Bilder für sich sprechen, verführen und in Staunen versetzen. Eine prachtvolle Würdigung eines einzigartigen Werks und eine überfällige Ergänzung zu bereits vorliegenden Publikationen über seine Filmplakate und die „Fliegenpapier“-Adaption.
Hinweis:
Hans Hillmann: Ein Zeichner und seine Welten. Hrsg. von Johann Ulrich & Thomas Gilke. Avant-Verlag, Berlin 2020. 264 S., zahlr. Abb., 50 EUR. Bezug: In jeder Buchhandlung.