Von Bertolt Brecht ist die Sentenz überliefert: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Diese Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem – aus der „Dreigroschenoper“, in der sich Establishment, Bosse und Gangster tummeln – lässt sich leicht auch auf die französische Polit-Serie „Baron noir“ (Buch: Eric Benzekri; Regie: Antoine Chevroiller, Thomas Bourguignon), insbesondere auf deren dritte Staffel, übertragen: Politiker oder Verbrecher – besteht da eigentlich ein Unterschied? Philippe Rickwaert (Kad Merad), der sinistre schwarze Baron der Sozialisten aus Nordfrankreich, ist wieder da und treibt, frisch aus dem Knast, fröhlich sein Unwesen unter alten Kameraden und neuen Widersachern, getreu dem Motto: „Feind, Erzfeind, Parteifreund“.
Gerade ist die Zeit seiner „Unwählbarkeit“ in Zusammenhang mit einer Haftstrafe wegen früherer Verfehlungen verronnen, und die noch amtierende Staatspräsidentin Amélie Dorendeu (Anna Mouglalis) zeigt kurz vor wichtigen Wahlen Zeichen von Amtsmüdigkeit: perfektes Timing also für Rickwaert; der alte Jagdhund hört das Halali. Wie aus den vorangegangenen Staffeln gewohnt, verfolgen wir nun in schnellen Schnitten und gespickt mit meist sarkastischen Sentenzen, die seine illusionslose Menschenkenntnis und seinen politischen Sachverstand dokumentieren sollen, wie Philippe, das höchste Ziel vor Augen, sich wieselgleich durch die Instanzen und Allianzen windet. Wird sein Politikstil der Intrigen und Kampagnen überzeugen können, und wird sein übergroßes Ego ultimative Befriedigung finden, oder ist eine neue Zeit heraufgezogen, die jungen Aktivisten und alternativen Bewegungen gesellschaftlicher Teilhabe gehört, die sich (hoffentlich) als weniger korrumpierbar sich erweisen als die alten Eliten? Das sind die Fragen, die „Baron noir“ in Staffel 3 im Wesentlichen verhandelt.
Meister der Verstellung und Spaltung
Philippe Rickwaert, schnell wieder Dreh- und Angelpunkt aller verhandelten Kabalen, ist dabei zugleich Chamäleon und wandelbarer Proteus. Er versteht sich aufs Analoge der Notizen und Vermerke, aufs Gefühlig-Menschelnde auch, wenn’s sein muss (seine Anfänge bei den „Genossen“ hat er wohl nicht gänzlich vergessen), auf den politischen Schulterschluss, aber auch bestens auf die digitale Welt (er jongliert gekonnt mit seinem Smartphone) und ist seinen Mitstreitern stets einen entscheidenden Schritt voraus. Er lässt sie, etwa den Populisten Michel Vidal (François Morel), wie seine Marionetten agieren und ist – man sieht es seinen traurigen Augen an – fast überrascht, wie leicht es ihm immer wieder gelingt, das Spiel der Manipulation auf der Klaviatur der politischen Eitelkeiten… Kurz: Rickwaert ist wie Sallusts Catilina ein „simulator ac dissimulator“, ein Meister der Verstellung und Spaltung. Dem ist immer noch amüsiert zuzusehen.
Dennoch tut die Serie diesmal gut daran, einen weiteren Handlungsschwerpunkt in Gestalt von Madame la Présidente zu gestalten: Dorendeu gewinnt Profil, sowohl menschlich als auch als politisch Planende, lässt sich – hier erinnert sie am stärksten an Claire Underwood (Robin Wright) aus „House of Cards“ – auf eine Affäre mit einem smarten Berater (Alex Lutz als Olivier Markarian) ein, dessen Absichten noch im Unklaren bleiben, und entwickelt zusammen mit dem neuen deutschen Kanzler Klaus Fischtel (Jochen Hägele) das kühne Szenario einer gemeinsamen ökologisch-ökonomischen Wende für Europa – „Franceallemagne“. Nebenbei soll der französische Sozialismus durch vereinte Agendapolitik („France 2040“) zukunftsfähig gemacht werden – auch hier lohnte der Blick über die Grenze auf die Fortune der deutschen „Agenda 2010“…
Dialog- und detailfreudig
Kritisch lässt sich anmerken, dass die fortgesetzte Dialoglastigkeit (gegenüber jähen oder spannenden Handlungswendepunkten) und die Detailfreude über Spezifika der französischen Innenpolitik den Genuss für hiesige Zuschauer leicht trüben könnten sowie dass „die Rechte“ insgesamt etwas zu blass, gesichtslos und uncharismatisch daherkommt – will man eine reale Bedrohung des politischen Burgfriedens glaubhaft machen, müsste hier anderes Kaliber agieren. Da die Serie stets auch aktuelle politische Großwetterlagen erspürt und gestaltet, wäre es spannend, sich auszumalen, wie die Aussetzung und Beschneidung elementarer bürgerlicher Freiheiten durch die Corona-Pandemie im Blick des „Baron noir“ bewertet würde.