In der Woche vom 8. bis 11. Februar
veröffentlicht die „Berlinale“ Tag für Tag Teile ihres Programms für 2021. Zu
sehen sind die Filme zunächst vom 1. bis 5. März für die internationalen Jurys,
die Filmbranche und akkreditierte Journalisten. Das Publikum kann die
Festivalauswahl erst im Juni beim zweiten Teil der „Berlinale“ genießen. Erst
ganz am Schluss wurden auch die 15 Filme des diesjährigen Wettbewerb
bekanntgegeben, in dem Werke von Dominik Graf, Maria Schrader, Céline Sciamma
und Xavier Beauvois zu sehen sind.
Die „Berlinale“ wird im Winter 2021 ohne roten Teppich und Star-Treiben stattfinden, da die Corona-Pandemie kein „physisches“ Festival erlaubt. Umso aufwändiger gestaltet sich die Bekanntgabe des Filmprogramms, das der Künstlerische Festivalleiter Carlo Chatrian und die Verantwortlichen der einzelnen Sektionen vom 8. bis 11. Februar sukzessive bekanntgeben. Über vier Tage hinweg werden immer weitere Teile der Auswahl enthüllt, bevor am 11. Februar schließlich die Filme in Wettbewerb und „Berlinale Special“ den Schluss bilden. Vorgeführt werden die Filme zunächst beim „ersten Teil“ der „Berlinale“ vom 1. bis 5. März der Filmbranche und akkreditierten Journalisten sowie den internationalen Jurys. Die Jury im Wettbewerb setzt sich 2021 aus sechs früheren Gewinnern des „Goldenen Bären“ zusammen: Ildikó Enyedi, Nadav Lapid, Adina Pintilie, Mohammad Rasoulof, Gianfranco Rosi und Jasmila Žbanić.
Zum Abschluss des Bekanntgabe-Countdowns benannte Chatrian am 11. Februar die 15 Filme im Wettbewerb sowie die „Berlinale Special“-Auswahl. In den Wettbewerb schafften es 2021 auch vier deutsche Werke: Die heißerwartete Kästner-Verfilmung „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ von Dominik Graf, „Ich bin dein Mensch“ von Maria Schrader über eine Wissenschaftlerin und ihr Zusammenleben mit einem humanoiden Roboter, das Regiedebüt von Daniel Brühl mit dem Titel „Nebenan“ sowie der Dokumentarfilm „Herr Bachmann und seine Klasse“ von Maria Speth über die Nahbeobachtung einer 6. Klasse in einer Industriestadt mit einem hohen Anteil an Menschen ausländischer Herkunft. Die vier konkurrieren unter anderem mit den französischen Filmemachern Céline Sciamma („Petite maman“) und Xavier Beauvois („Albatros“), die bislang eher auf die Festivals in Cannes und Venedig abonniert waren, Regisseuren wie Radu Jude, Bence Fliegauf und Hong Sang-soo, aber auch Newcomern wie dem Ungarn Dénes Nagy oder dem noch immer als Geheimtipp unter asiatischen Regisseuren fungierenden Japaner Ryûsuke Hamaguchi.
Anders als im Vorjahr sei in den Filmen keine übergreifende Düsterkeit zu bemerken, auch wenn ein generelles Gefühl des Unbehagens überall sehr spürbar sei – schließlich ist kaum eines der ausgewählten Werke von der Pandemie unberührt geblieben. Nichtsdestoweniger eint die Filme laut Chatrian der „hartnäckige Wunsch, die Kraft zu betonen, die jeder menschlichen Beziehung innewohnt“. Davon sollen sich, wie er und „Berlinale“-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek betonten, beim zweiten Teil der Festspiele im Juni endlich auch die Zuschauer überzeugen können. „Wie im Film des jüngsten Filmemachers im Wettbewerb zu sehen, ist das Kino der einzige Weg, um von Flüchen geheilt zu werden. Wenn Realität nervt, können Filme etwas anderes bieten – nicht nur, um eine ersehnte Fluchtmöglichkeit aus der Welt um uns herum zu liefern, sondern auch, um uns für die Herausforderungen der Zukunft besser zu wappnen“, erklärte Chatrian.
Eine Übersicht über das Programm des „Wettbewerbs“ findet sich hier.
Unter den „Berlinale Special“-Filmen findet sich eine Mischung aus Star-Kino wie „French Exit“ mit Michelle Pfeiffer und „The Mauritanian“ mit Tahar Rahim, Jodie Foster und Benedict Cumberbatch, US-amerikanischen Independent-Produktionen, Werken mit stärkerem Genre-Einschlag und Dokumentarfilmen. Auch hier sind deutsche Filme gut vertreten: Neben den dokumentarischen Einlassungen auf ein Underground-Theater in Belarus („Courage“ von Aliaksei Paluyan) und der konstruktiven Vermessung globaler Miseren („Wer wir waren“ von Marc Bauder) gehören dazu auch die neuen Arbeiten von Christian Schwochow und Tim Fehlbaum. Schwochows „Je suis Karl“ handelt von der jungen Überlebenden eines Terroranschlags, die durch einen charismatischen Studenten wieder auflebt, damit aber ihren ebenfalls traumatisierten Vater irritieren; Fehlbaum wendet sich in „Tides“ wie schon in seinem Erstling „Hell“ (2011) dem Science-Fiction-Genre zu und erzählt von einer Astronautin, die von einer Weltraumkolonie auf die zerstörte Erde zurückgesandt wird.
Eine Übersicht zum „Berlinale Special“ findet sich hier.
Am Mittwoch, 10. Februar, machte die „Berlinale“ die Filme der Reihen „Encounters“, „Panorama“ und „Perspektive Deutsches Kino“ bekannt. In der erst 2020 neu eingeführten Wettbewerbssektion „Encounters“ konkurrieren 12 Filme um drei Preise (bester Film, beste Regie, Preis der Jury), darunter sieben Debütfilme. Die Sektion will neuen, experimentellen Stimmen im Kino Raum geben und Platz für wagemutige narrative wie dokumentarische Spielarten schaffen. Unter den Beiträgen findet sich auch der neue Film von Julian Radlmaier mit dem Titel „Blutsauger“, der als „antifaschistische Vampirkomödie“ angekündigt ist und um einen russischen Schauspieler (Aleksandre Koberidze) kreist, der sich auf dem Weg nach Hollywood in eine gräfliche Vampirin (Lilith Stangenberg) verliebt, die mit ihrem tollpatschigen Diener (Alexander Herbst) Urlaub an der Ostsee macht.
Jeder dieser „Encounters“-Filme „ist eine Linie, die ein unbekanntes Feld kreuzt. Es ist ihr Sinn für Entdeckungen, der diese sehr vielfältigen cineastischen Leistungen verbindet“, notiert „Berlinale“-Chef Chatrian dazu. „Diese Filme wollen uns zu Orten bringen, an denen wir etwas über die Welt erfahren, über die Menschheit und vielleicht auch über uns selbst. In einer Zeit, in der Reisen fast ausnahmslos abgesagt werden, gewinnt das Kino seine Funktion zurück“, heißt es in der Pressemitteilung.
Zur Übersicht aller Filme von „Encounters“ geht es hier.
In der „Panorama“-Sektion werden 19 Filme präsentiert, darunter sechs Filmdebüts. „Zwischen Zweifel und Revolte. Kritische Blicke auf Machtverhältnisse“ ist die Auswahl überschrieben, die in den Augen des Sektionschefs Michael Stütz ein kämpferisch-politisches Kino präsentiert, mit einem Schwerpunkt auf Filmen aus dem Nahen Osten sowie indigenen und queeren Stoffen. Auch neue deutsche Filme sind vertreten, von Anne Zohra Berrached („Die Welt wird eine andere sein“), Monika Treut („Genderation“), Henrika Kull („Glück“) und Ronny Trocker („Der menschliche Faktor“).
Hier geht es zum „Panorama“-Programm der Berlinale 2021.
In der Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ wurden aus 225 eingereichten Filmen nur sechs Werke ausgewählt, je drei Spiel- und drei Dokumentarfilme. „Bleiben oder gehen? Wie und wo wollen bzw. können wir leben?“ fragen die Filme, die nationale Kategorien weit hinter sich lassen und grundsätzlich die Frage aufwerfen, was heute überhaupt noch als „deutscher“ Film gilt oder gelten kann. „Die Filmschaffenden leben und arbeiten in einer Transitwelt und drehen in verschiedenen Sprachen. Das Programm spiegelt, dass nationale Grenzen mehr und mehr verwischen und Filmemacher*innen und ihre Geschichten über geografische Grenzen hinwegbewegen. Zwar sind alle Filme majoritär in Deutschland produziert, doch die Geschichten und Biografien der Regisseur*innen und ihrer Teams und Protagonist*innen schaffen transnationale Vernetzungen, die das jeweils Lokale mit dem Globalen verbinden.“
Eine Übersicht über das Programm der „Perspektive Deutsches Kino“ findet sich hier.
Am Dienstag, 9. Februar, wurden die Beiträge der Sektionen "Berlinale Shorts", "Forum" und "Forum Expanded" bekanntgegeben. In der Kurzfilmreihe „Berlinale Shorts“
finden sich 20 Filme, die in geringer Laufzeit gewichtige Probleme vom Erbe der
Kolonialgeschichte über Gewalttaten in Gesellschaft und Familie bis zur
Hinterfragung von Institutionen wälzen. Zu den Filmemachern zählen
der Portugiese Diogo Costa Amarante, der 2016 in dieser Sparte bereits mit
seinem Film „Cidade pequena“ gewann und nun mit „Luz de Presença“ zurückkehrt,
die Schweizerin Güzin Kar („Fliegende Fische müssen ins Meer“), die sich in „Deine
Strasse“ zusammen mit der Autorin Sibylle Berg dem Thema „Rechter Terror“
widmet, und weitere mehrfach preisgekrönte Regisseurinnen und Regisseure wie
Bárbara Wagner und Ulu Braun.
Eine
Übersicht über alle Filme von "Berlinale Shorts" findet sich hier.
Das „Forum“, über lange
Zeit die umfangreichste Sektion der „Berlinale“, umfasst in diesem Jahr 17 Filme – in besten Zeiten waren es schon einmal mehr als doppelt so viele. In der
Ankündigung des Programms klingt an, dass sich die 2020 global ausbreitende
Unsicherheit auch in den Inhalten der ausgewählten Werke widerspiegle. Neben
einigen arrivierten Filmemachern wie dem Duo Chris Wright und Stefan Kolbe, die in „Anmaßung“ ausloten, was die Begegnung mit einem Mörder
für emotionale Auswirkungen zeitigt, und der Thailänderin Anocha
Suwhichakornpong finden sich vor allem die Arbeiten von Debütanten oder noch
eher unbekannten Künstlern im „Forum“. Mehrere von ihnen unterziehen dabei auch
frühere Werke einer Neujustierung. So arbeiten sich zwei Werke an Jean-Luc
Godards „Die Chinesin“ ab,
die Regisseurin Sabrina Zhao folgt in „Sichuan hao nuren (The Good Woman of
Sichuan)“ den Spuren von Bertolt Brecht.
Alle Filme der Sektion "Forum" finden sich hier.
Ergänzt wird das „Forum“
durch die Auswahl des „Forum Expanded“, die traditionsgemäß experimenteller und
näher an Installations- und Videokunst angelehnt sind. Neben vier
Kurzfilmprogrammen sind ein mittellanger und zwei Langfilme angekündigt,
darunter das fünfeinhalbstündige ägyptische Werk „Saba’ sanawat hawl delta
al-neel (Seven Years Around the Nile Delta)“, das über die titelgebende
Zeitspanne den Alltag im Nildelta und die Veränderungen aufzeichnet. An den
kriegerischen Konflikt in Bergkarabach im letzten Jahr erinnert der Film „Black
Bach Artsakh“.
Eine Übersicht über die Beiträge in "Forum Expanded" findet sich hier.
Am Montag, 8. Februar, hatte die „Berlinale“ bereits die Filme bekannt gegeben, die in der Retrospektive „No Angels – Mae West, Rosalind Russell & Carole Lombard“ sowie in der „Generation“-Sparte für Kinder- und Jugendfilme gezeigt werden. Die bereits angekündigte Retro würdigt drei Schauspielerinnen, die insbesondere in den 1930er- und frühen 1940er-Jahren in der Spielart der „Screwball Comedy“ Ruhm erwarben und sowohl den Einschränkungen des Studiosystems wie auch der Zensur widerstanden. Die 27 Filme – je 9 pro Darstellerin – stammen aus der Zeit zwischen 1932 mit dem Debüt von Mae West in „Night After Night“ und 1943 (dem Jahr des frühen Todes von Carole Lombard). Eine Übersicht findet sich hier.
Das Programm der beiden
Wettbewerbe „Kplus“ und „14plus“ in der „Generation“-Sparte umfasst 15 Filme,
darunter acht Weltpremieren. Damit ist die Auswahl im Vergleich zum Vorjahr,
als in dieser Sektion fast doppelt so viele Werke präsentiert wurden, zwar
deutlich reduziert, stellt sich aber darum auf den ersten Blick nicht weniger
vielfältig dar als in anderen Jahrgängen.
Von der „Berlinale“
als „Sanft flüsternd, laut schreiend“
angekündigt, geht es in den Filmen oft um willensstarke junge Heldinnen, die mit der Härte
des Lebens und dem Kampf um Selbstbestimmung konfrontiert sind.
Eine Übersicht zu "Generation" findet sich hier.
Seit Ende Januar sind bereits die neuen Projekte bekannt, die im Rahmen des „Berlinale Series“-Specials gezeigt werden. Zu den sechs ausgewählten Serien gehört „Ich und die anderen“, eine neue deutsch-österreichische Serie von Autor und Showrunner David Schalko, prominent besetzt mit Lars Eidinger, Tom Schilling und Katharina Schüttler. Auch mit dabei: Das jüngste Werk des britischen Showrunners Russell T. Davies, der mit „It’s a Sin“ eine Zeitreise ins queere London der 1980er-Jahre unternimmt.
Mehr zum Serien-Special findet sich hier.
Am Donnerstag, 10. Februar, will die „Berlinale“ das Programm der Sektionen "Encounters", "Panorama" und "Perspektive Deutsches Kino" bekanntgeben.