© Alterian & Daft Arts & Wild Bunch (aus "Electroma")

Der Mensch in der Maschine

Das filmische Werk von Daft Punk zwischen Robotern, Menschen und Rhythmus

Veröffentlicht am
26. März 2021
Diskussion

Unter dem Namen Daft Punk wurden Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo zu Pionieren der elektronischen Tanzmusik. Mit einem selbst inszenierten Spielfilm, bemerkenswerten Musikvideos und Kompositionen für Filme haben sie aber auch markante Spuren in der Filmgeschichte hinterlassen und sich dabei immer wieder mit der Gegenüberstellung von Mensch und Maschine beschäftigt. Hommage auf ein akustisch wie visuell eigensinniges Werk.



Ein kurzer Clip namens „Epilogue‟ auf dem YouTube-Kanal von Daft Punk sorgte jüngst für enormes Aufsehen. Zwei menschenähnliche Roboter mit Helmen gehen nebeneinander im Gleichschritt durch eine karge Landschaft, bis einer langsamer wird und schließlich stehenbleibt. Der andere dreht sich um, um nach seinem Kompagnon zu sehen. Doch der senkt nur den Kopf. Es geht nicht mehr. Die gemeinsame Reise ist zu Ende.

Es gibt in der Musikwelt viele Möglichkeiten, von der Auflösung einer Band zu erzählen. Manchmal ist es ein aufsehenerregender Streit, manchmal führt der Tod eines Musikers zum abrupten Ende. Der kurze Clip, mit dem Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo den Abschied ihrer Band Daft Punk bekannt geben, wählt hingegen die Mittel des Kinos und wirkt geradezu sanft, melancholisch und sogar berührend. Kein großer Zwist, keine langen Erklärungen, eine klare kleine Geste statt großer Worte – auch wenn in dem Clip letztlich einer der Roboter auf eigenen Wunsch in die Luft gesprengt wird.

Es ist ein bemerkenswerter Schlusspunkt hinter einer musikalischen Karriere, die 1993 in Frankreich begann. Unter dem Namen Daft Punk wurden Bangalter und de Homem-Christo zu Pionieren der elektronischen Tanzmusik, deren besonderer Stil in ihrem Heimatland Frankreich eine eigene Spielart der House-Musik geprägt hat (und deren Einfluss die Regisseurin Mia Hansen-Løve augenzwinkernd in „Eden‟ Tribut zollt). Nicht erst seit der Entscheidung der beiden Musiker, in der Öffentlichkeit ausschließlich mit exzentrischen Roboterhelmen aufzutreten, haben die Bilder und die Bildlichkeit einen besonderen Stellenwert im Werk von Daft Punk, in deren Musik und Filmen es immer wieder um den Menschen in der Maschine geht.


Zwischen Avantgarde und Pop

Epilogue‟ ist ein schöner Abschiedsgruß, was nur dadurch relativiert wird, dass er nicht anlässlich der Auflösung der Band im Februar 2021 entstanden ist, sondern – mit einer leichten Veränderung auf der Tonebene – aus dem experimentellen Spielfilm „Electroma‟ aus dem Jahr 2006 ausgekoppelt wurde, den Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo inszeniert haben. Sie erzählen darin von einer Welt, die ausschließlich von Lebewesen mit Robotermasken bewohnt wird und gänzlich absurd wirkt, sowie von zwei Robotern, die davon träumen, Menschen zu werden. Selbstironisch spielen Bangalter, der auch die Bildgestaltung übernahm, und de Homem-Christo mit ihrem Image; sie lassen die beiden Roboter als ihre Alter-Egos Jacken mit Daft-Punk-Schriftzug auf dem Rücken tragen und stoßen das Publikum dennoch vor den Kopf. Denn der dialoglose, rund 75 Minuten lange Film ist sehr langsam. Mehr als zehn Minuten dauert eine ereignislose Autofahrt; die Roboter werden beim Gehen und beim Warten beobachtet.

Gehen, Warten, Schweigen: "Electroma" ()
Gehen, Warten, Schweigen: "Electroma" (© Alterian & Daft Arts & Wild Bunch)

Irgendwie entsteht dennoch ein Fluss der schönen Bilder, die einen in diese skurrile Welt hineinziehen und mitunter an dystopische Science-Fiction-Filme der frühen 1970er-Jahre wie „THX 1138‟ von George Lucas oder die verfremdeten Welten von David Lynch erinnern. Eines aber fehlt, was man von einem Film der beiden House-Musiker eigentlich erwarten sollte: ein Score von Daft Punk. Stattdessen erklingen getragene Klänge von Brian Eno, auch von Haydn und Chopin – oder vieldeutige Stille. Was ein großer Daft-Punk-Videoclip hätte werden können, entpuppt sich als Avantgardefilm mit einprägsamen Bildern, wie jenem des in Flammen stehenden Roboters am Ende des Films, der sich das Leben nimmt, das er nie hatte.

Electroma‟ ist eine Art Antithese zu dem drei Jahre zuvor entstandenen „Interstella5555 – The 5tory of the 5ecret 5tar 5ystem‟. Das von Kazuhisa Takenouchi inszenierte Anime-Musical erzählt von einer intergalaktischen Pop-Band, die von einem menschlichen Produzenten entführt, ihrer Erinnerung beraubt und auf der Erde kommerzialisiert wird. Angesichts des Plots könnte man „Interstella 5555“ als einen bissigen Seitenhieb auf die Musikindustrie interpretieren; doch der Film fasziniert vor allem als dialogloser, wilder, fließend bunter Trip, ein ausladendes, aufgeblasenes abendfüllendes Musikvideo im Stil japanischer Zeichentrickfilme. Das Besondere daran ist, dass „Interstella 5555“ sich nicht via einer Alibi-Narration von Musikszene zu Musikszene hangelt, sondern das „Discovery‟-Album von Daft Punk von Anfang bis Ende über 14 Tracks hinweg bebildert. Die Anime-Geschichte wird dem Album keineswegs übergestülpt, sondern war schon beim Schreiben der Musik angelegt. Die Wirkung ist schlicht elektrifizierend. Ein Film zum Mitwippen.


Ein Score als Fundament für einen Science-Fiction-Film

„Electrify them boys and girls!‟, lautet ganz in diesem Sinne in „Tron: Legacy“ (2010) die Aufforderung eines digitalen Gastgebers an die beiden DJs mit den Robotermasken, die hinter einem kleinen Fenster einen Gastauftritt haben – was sich durchaus auch auf das Verhältnis von Score und Publikum übertragen lässt. Böse Zungen behaupten, „Tron: Legacy‟ sei lediglich die Bebilderung eines „Daft Punk“-Albums. Tatsächlich ist die Musik vor dem Film entstanden; Samples des Tracks Recognizer waren schon in einem Konzept-Teaser mit dem Titel „Tr2n‟ zu hören, als noch gar nicht absehbar war, ob das Sequel von „Tron“ (1982) überhaupt realisiert würde.

Rauschhafte Bilder und Töne: "Tron: Legacy" (Walt Disney)
Rauschhafte Bilder und Töne: "Tron: Legacy" (© Walt Disney)

Mit seinen stereoskopischen Bilderwelten ist „Tron: Legacy“ zwar kurzweilig und unterhaltsam, hat aber keine größeren Spuren in der Filmgeschichte hinterlassen. Durch seinen aalglatten Look erinnert der Science-Fiction-Film von Joseph Kosinski sehr an die stilisierte Ästhetik von Videoclips aus den 1990er-Jahren. Eingebrannt aber hat sich der Sound: die wuchtigen Bässe, die mit Störgeräuschen aus der Computerelektronik, Verzerrungen und einer Art analogem Rauschen verknüpft waren, die epische Klangkulisse zwischen elektronischer und Orchestermusik. Letztlich ist vieles an dem „Tron‟-Sequel mehr Musik- als Spielfilm.

Den hochartifiziellen futuristischen Filmen mit „Daft Punk“-Beteiligung stehen erstaunlicherweise viele wie handgemacht wirkende Musikvideos des Duos gegenüber. So bedient sich das offizielle Video zu „Derezzed‟ (2010) aus dem „Tron: Legacy‟-Score des Retro-Looks alter Computerspiele aus den 1980er-Jahrenund setzt einen deutlichen Kontrapunkt zu den hypermodernen Bildern des Films. Statt in die Zukunft wirft das Musikvideo einen Blick in die Vergangenheit und schwelgt in Technik-Nostalgie.


Augenzwinkernde Choreografie der Bewegungen

Ähnlich aus der Zeit gefallen wirken auch einige Videoclips der Band aus der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre, die in der kreativen Blütezeit der Musikvideos entstanden, als später namhafte Regisseure wie Michel Gondry und Spike Jonze hier eine Spielwiese fanden. Im Clip zu „Around the World‟ lässt Michel Gondry fünf Gruppen verkleideter Menschen, vom Athleten bis zur Mumie, im Kreis laufen. Weil jede Gruppe jedoch einem Instrument zugeordnet ist, entsteht eine augenzwinkernd inszenierte Choreografie, die die elektronischen Klänge in menschliche Bewegungen übersetzt. In eine Rahmenhandlung von „Revolution 909‟ über einen Polizeieinsatz bei einer Rave-Party, inszeniert von Roman Coppola, werden quasidokumentarische Aufnahmen eingebunden, die zeigen, wie eine Tomatensauce entsteht.

Gerade in der Anfangszeit haben Daft Punk sich in ihren Musikvideos sehr zurückgenommen – nicht nur, weil die Musiker darin nicht selbst auftauchten, sondern auch, weil ihre Tracks wie Begleitmusik eingesetzt wurden und Geräusche oder Dialoge im Vordergrund standen. Nach diesem Muster funktioniert der Beginn von „Revolution 909‟, aber auch das von Spike Jonze inszenierte Musikvideo zu „Da Funk‟, das selbstironisch „Big City Nights‟ genannt wird und im kinoähnlichen Breitbildformat gedreht wurde. Der Clip folgt einem humanoiden Hund mit Gipsfuß, Krücke und defektem Ghettoblaster, aus dem nebenbei der Daft-Punk-Song dröhnt. Einen tieferen Sinn sucht man vergebens. Zu spüren ist aber die Freude an der Verfremdung, die das Außergewöhnliche so zeigt, als ob es das Alltägliche wäre. Am Ende fragt man sich, ob das nun ein Musikvideo ist oder eine Spielfilmszene.


Die Maschine ist kein Fremdkörper mehr

Erst seit den Clips zum Album „Human After All‟ (2005) inszenieren sich die Musiker in ihren Musikvideos selbst verstärkt mit ihren Robotermasken. Während „Technologic‟ und „Robot Rock‟ unter der Regie von Bangalter und de Homem-Christo noch die Grenzen zwischen Mensch und Maschine, analog und digital verhandeln und durch den Instrumentenmix sicht- und hörbar machen, sind die Robotermusiker in den Musikvideos zu „Get Lucky (2013) und „Lose yourself to dance(2013) an der Bassgitarre oder am Schlagzeug selbstverständlicher Teil der Szenerie und stehen gleichberechtigt neben den unmaskierten Gastmusikern Pharrell Williams und Nile Rodgers.

Aus dem Clip "Lose Yourself to Dance" (youtube)
Aus dem Clip "Lose yourself to dance" (© youtube)

Die Bilder, die sich am Disco-Look der 1970er-Jahre orientieren, sind allerdings mehr retro als aufregend. Das Originalmaterial taugt zum Zitat, bietet aber kaum einen visuellen Kick, der über die Hommage hinausreichen würde. Vielleicht bringen Daft Punk hier ihr Lieblingsthema aber auf den (End-)Punkt: Die Maschine zwischen den Menschen ist kein Fremdkörper mehr.



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