Der US-amerikanische Dokumentarist Ed Pincus schuf
mit seinem 200-minütigen Werk „Diaries: 1971-1976“ ein Pionierwerk der
persönlichen Dokumentation, indem er sieben Jahre lang obsessiv seine Frau, seine
beiden Kinder und ihr gemeinsames Leben filmte. In ihrem Kracauer-Blog spürt Esther
Buss der Faszination wie der Ambivalenz dieses monomanischen Unterfangens
nach, in dem das Private und Intime als etwas verstanden wird, das auch andere
angehen soll, angehen muss.
„The happy family“, sagt Jane Pincus anfangs halb zu sich,
halb zur Kamera. Ihr Ehemann Ed filmt sie beide im Badezimmerspiegel, die
beiden Kinder Ben und Sami turnen zwischen Waschbecken und Kloschüssel herum
und schauen neugierig in die Linse.
„It’s hard for me to talk because I’m behind the camera“, erklärt
Ed Pincus in der nächsten Szene, während er Jane im Close-Up fixiert. Ihre Replik
kommt prompt: „It’s hard for me to talk because I’m in front of the camera.“ Die
Gleichung ist schief. Er spricht von einer technischen Herausforderung, sie von
der Schwierigkeit, von nun an die Hauptfigur seines Films zu sein und Auskunft über
ihr Leben und ihre Gefühle zu geben.