Allen
widrigen Umständen zum Trotz entpuppt sich der Wettbewerb der 72. „Berlinale“
als erfreulich
leidenschaftlich und lebendig. Für besonderen Drive sorgen Filme wie „La
ligne“ von Ursula Meier oder „Rimini“ von Ulrich Seidl, die mit familiären Defiziten
ringen und nicht vor herausfordernden Gefühlen zurückschrecken.
Die
Rahmenbedingungen sind miserabel. Draußen ist es winterlich-trist; der Badeort
an der Adria ist um diese Jahreszeit verödet, das Hotel und seine wenigen Gäste
haben alle schon bessere Tage gesehen. Für den Künstler gilt das ebenfalls. Doch
Richie Bravo lässt sich davon nicht unterkriegen. Wenn er ans Mikrofon tritt,
die Speckröllchen hinter einer Bauchbinde verschnürt und in einen glitzerigen
Anzug verpackt, um von Amore zu tremolieren, als gäbe es kein Morgen mehr, dann
hängen die versammelten Senioren – und speziell die Seniorinnen – förmlich an
seinen Lippen; alle Schäbigkeit, die Kälte und das Alter lösen sich für kurze
Zeit in einer rosaroten Schlager-Wolke auf.