© Koch Media ("Hidden Agenda - Geheimprotokoll")

Filmklassiker: "Hidden Agenda - Geheimprotokoll"

1990 inszenierte Ken Loach einen Politthriller, der die verbrecherischen Machenschaften der Polizei im Kampf gegen die IRA aufdeckte

Veröffentlicht am
08. Mai 2023
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1990 gewann Ken Loach in Cannes den Preis der Jury für den Polit- und Verschwörungsthriller „Hidden Agenda – Geheimprotokoll“, der seinerzeit in Großbritannien für große Aufregung sorgte, weil der Film die verbrecherischen Methoden der Polizei im Kampf gegen die IRA offenlegte. Der Film beruht lose auf dem Stalker-Bericht, der auf Geheiß der britischen Regierung unter den Tisch gekehrt wurde.



Ein Politthriller im Stil von Costa-Gavras oder Alan J. Pakula, inszeniert von dem britischen Regisseur Ken Loach, dessen Filme sich seit 30 Jahren vor allem durch ihre Mischung aus sozialem Anliegen, Hoffnung auf radikale Änderung und lebensbejahendem Humor auszeichnen. „Hidden Agenda“, 1990 in Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet und in Deutschland nur im Fernsehen gelaufen, beruht lose auf dem sogenannten „Stalker“-Fall. John Stalker war ein hochqualifizierter Londoner Polizeioffizier, der nach Nordirland gesandt wurde, um die Machenschaften der englischen Royal Ulster Constabulary (RUC) zu untersuchen. Sein hochbrisanter Bericht wurde auf Geheiß der britischen Regierung unter den Tisch gekehrt. Stalker kündigte und ging an die Öffentlichkeit.


Bis in höchste Regierungskreise

Vor diesem Hintergrund erzählt Loach die Geschichte des US-amerikanischen Anwalts Paul (Brad Dourif) und seiner Freundin Ingrid (Frances McDormand), die 1982 als Mitglieder einer Menschenrechtsgruppe in Belfast die Methoden der englischen Sicherheitsbehörden untersuchen. Willkürliche Verhaftungen, Folter, Waterboarding, Erschießungen – entsetzt hören sich Ingrid und Paul die Berichte von IRA-Mitgliedern an, die in die Fänge der RUC geraten waren. Als sich Paul mit dem von der Polizei gesuchten IRA-Mann Harris zu früher Stunde an einem geheimen Ort eine Fahrstunde von Belfast entfernt treffen will, um ein Tonband mit brisanten Informationen abzuhören, werden er und sein Fahrer von RUC-Beamten in ihrem Auto erschossen. Die beiden Männer hätten eine Straßensperre missachtet; von einem Tonband wisse man nichts. Die Zuschauer hatten allerdings gesehen, dass das nicht stimmt.

"Hidden Agenda - Geheimprotokoll" gewann 1990 in Cannes den Jury-Preis (Koch Media)
"Hidden Agenda - Geheimprotokoll" gewann 1990 in Cannes den Jury-Preis (© Koch Media)

Der Spezialermittler Kerrigan (Brian Cox) wird nach Belfast gesandt, um die Morde aufzuklären. Er ist ein sogenannter „career professional“, ein Profi mit Karriereaussichten, der sich einen strengen moralischen Codex auferlegt hat: Die Wahrheit muss ans Licht, egal, wem er dabei auf die Füße tritt. Der Chef der RUC weist ihn darum von Beginn an in seine Schranken: Die Polizei würde nichts Illegales tun, um der IRA Einhalt zu gebieten. Kerrigan lässt sich nicht einschüchtern. Er trifft sich mit IRA-Führern in dunklen Hinterzimmern. Doch die Drahtzieher der Morde sind nicht greifbar, die Spuren führen bis in höchste Regierungskreise.


Abgründe hinter dem Adretten

„Hidden Agenda“ sorgte damals für große Aufregung in Großbritannien. Loach scheut sich nicht, authentische Namen, Daten und Orte zu nennen. Im Kern geht es darum, dass eine rechtsradikale Gruppierung im Verbund mit dem britischen Geheimdienst die Regierung von Harold Wilson und von Edward Heath zu Fall bringen will. Die Unterstellung, dass Margaret Thatcher durch diese Machenschaften Premierministerin geworden ist, wird offen ausgesprochen.

Auch wenn man diese politischen Hintergründe nicht kennt (oder nicht glauben will), funktioniert „Hidden Agenda“ wunderbar als Verschwörungsthriller, bei dem der Einzelne nichts ausrichten kann. Loach hat den Film in einem ganz normalen Ambiente angesiedelt. Hotellobbys, Parkplätze, Bars, Hinterzimmer, Restaurants geben ihm etwas Alltägliches; die Figuren sind wettergegerbte Menschen, denen man den langen Kampf gegen die englische Vorherrschaft ansieht. Im Gegensatz dazu stehen die englischen Polizisten, die adrett und schneidig ihre unversöhnlichen Haltungen und Befehle vortragen.

Der Film beginnt wie „Ausgestoßen“ (1947) von Carol Reed und „Belfast“ (2021) von Kenneth Branagh mit einem „establishing shot“ aus luftiger Höhe. Belfast ist als Stadt erkennbar; der Bürgerkrieg in Nordirland durch bewaffnete Soldaten in den Straßen, Absperrungen, Graffiti oder riesige Gemälde an den Hauswänden stets präsent. Die Action hingegen ist – bis auf das Attentat zu Beginn – sehr zurückgenommen. Vieles teilt sich vor allem über die Dialoge mit, weshalb den Schauspielern eine große Bedeutung zukommt. Die junge Frances McDormand erinnert an die engagierte Jane Fonda aus „Das China-Syndrom“ (1979), Brian Cox ist brillant als integrer Polizist, der – wie Yves Montand in „Z“ und Warren Beatty in „Zeuge der Verschwörung“ – gegen Windmühlen ankämpft. Gegen die Skrupellosigkeit der Politiker ist er machtlos.

Belfast, Anfang der 1980er-Jahre: "Hidden Agenda - Geheimprotokoll" von Ken Loach (Koch Media)
Belfast, Anfang der 1980er-Jahre: "Hidden Agenda - Geheimprotokoll" von Ken Loach (© Koch Media)

Hinweis

Hidden Agenda –Geheimprotokoll. Großbritannien 1990. Regie: Ken Loach. Mit Frances McDormand, Brian Cox, Brad Dourif. 109 Min. FSK: ab 16. Anbieter: Koch Media (BB & DVD)

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