Der kanadische Regisseur Daniel Roher porträtiert den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny und arbeitet seinen Kampf gegen Putins Machtapparat als spannenden dokumentarischen Politthriller auf, in dem Nawalny zum ambivalenten Helden wird
Der Dokumentarfilm „Nawalny“ ist neuer Kinotipp der
Katholischen Filmkritik. Der kanadische Regisseur Daniel Roher porträtiert
darin den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, insbesondere in der
Zeit zwischen seiner Vergiftung im Sommer 2020 bis zu seiner Verhaftung im
Januar 2021. Neben Nawalnys Kampf gegen Korruption und seinem Vorgehen als
Aktivist und gewiefter Medienakteur kreist der Film auch um die Frage, wieso
Nawalny nach dem Giftanschlag nach Russland zurückkehrte.
Die skrupellose Ermordung russischer
Oppositionspolitiker ist eine der skandalösen Methoden, mit denen die russische
Staatsführung unter Wladimir Putin in den letzten zwei Jahrzehnten ihre Macht behauptet
hat. Ob bei Anna Politkowskaja und Alexander Litwinenko (2006), Stanislaw Markelow,
Anastassija Baburowa und Natalja Estemirowa (2009) oder Boris Nemzow (2015): Stets
gab es eindeutige Hinweise auf eine Täterschaft des russischen Machtapparats.
Auch der Unternehmer und Aktivist Alexei Nawalny hätte
eines dieser Opfer werden sollen, doch er überlebte den Giftanschlag im Sommer
2020, erholte sich in Deutschland und kehrte Anfang 2021 in seine Heimat
zurück. Dort wurde er postwendend festgenommen und zu einer mehrjährigen
Gefängnisstrafe verurteilt.
Gebt nicht auf! Habt keine Angst!
Der Dokumentarfilm „Nawalny“ des kanadischen Regisseurs Daniel
Roher rekonstruiert insbesondere die Zeit zwischen der Vergiftung und der
Verhaftung von Nawalny. Dabei macht der Politiker gleich zu Beginn klar, dass
er keine Märtyrerrolle anstrebt, sondern sich als Mann mit stählernen Nerven
und ungebrochenem Kampfgeist versteht. Seine Botschaft, die der Film aufnimmt
und verbreitet, ist eindeutig: Gebt nicht auf! Seid nicht inaktiv! Habt keine
Angst! „Dass sie mich umbringen wollen, beweist nur unsere Stärke.“
Die Kinotipp-Jury war von der Präsentation der realen
Ereignisse in Form eines dokumentarischen Politthrillers sehr beeindruckt. Der
Film vermittelt in den Augen der Juroren gekonnt Informationen über das politische
und gesellschaftliche System in Russland, seinen Machtapparat und dessen skrupellose
Menschenverachtung. Zudem erhält der Film durch den Beginn des russischen
Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 eine zusätzliche Relevanz.
Neben allem dunklen Wahnsinn, so die Jury, hält „Nawalny“ aber auch einen Hoffnungsschimmer
bereit, der sich seinem unerschütterlichen, auch mit einer guten Portion Humor
gesegneten Protagonisten verdankt.
Obwohl der Film sich nahezu ganz auf die Perspektive
Nawalnys beschränkt und keinen journalistischen Anspruch auf Ausgewogenheit
erhebt, ist er keine ungebrochene Huldigung. Die Dokumentation steht
Nawalny zwar zur Seite, zeigt seine Kreativität, seinen Humor und seine
Einsatzbereitschaft, aber auch seine Ängste; sie versäumt es aber auch nicht, seine
Eitelkeit, seinen Selbstdarstellungstrieb und den Drang zur Macht
nachvollziehbar zu machen, so dass man seine Person stets auch hinterfragen kann.
Auch kritische Aspekte wie die Zusammenarbeit mit der russischen extremen
Rechten werden nicht verheimlicht.
Nawalny beim Rückflug nach Moskau im Januar 2021 (DCM)
Freiheit ist nicht selbstverständlich
In der intensiven Begleitung Nawalnys als Politiker,
Aktivist und Medienakteur mit eigenem Youtube-Kanal und geschickter Nutzung der
sozialen Netzwerke macht der Film jederzeit deutlich, was man als Zuschauer zu
sehen bekommt: einen Menschen, der von seiner Mission zutiefst durchdrungen
ist. Es zählt einzig seine Motivation, sich gegen Unrecht und Unterdrückung zu
stellen.
Bei aller Ambivalenz des „Helden“ ist „Nawalny“ eine
spannende, emotional-informativ sehr gut aufbereitete Dokumentation über
Staatsterror, Meinungsfreiheit und den unendlichen Kampf für demokratische
Grundwerte. Gerade in der aktuellen Situation ist dieser Film, so die
Katholische Filmkommission, ein wichtiger Beitrag über politische Umbrüche beziehungsweise
Abgründe und darüber, dass Freiheit niemals selbstverständlich ist.
„Nawalny“ läuft am Donnerstag, 5.
Mai 2022, in den deutschen Kinos an.
Der „Kinotipp
der Katholischen Filmkritik“ ist ein
Qualitätssiegel, mit dem Filme hervorgehoben werden, die in besonderer Weise
religiöse Themen aufgreifen, von menschlichen Nöten, Sorgen und Hoffnungen
erzählen, Antworten auf existenzielle Fragen formulieren oder gegen den Status
quo einer selbstzufriedenen Welt aufbegehren.