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Wasserwelten: Ausstellung "Im Tiefenrausch - Film unter Wasser"

Das deutsches Filmmuseum in Frankfurt zeigt seit 1. Juli die Ausstellung „Im Tiefenrausch – Film unter Wasser“

Veröffentlicht am
21. Juli 2022
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Sonnige Strandidylle und Tiefsee-Finsternis, blutgierige Haie und schöne Nixen, Abenteuer und Untergang: Das Meer ist fürs Kino seit seinen Anfängen Projektionsfläche sowohl für Sehnsüchte als auch für Ängste. Die Ausstellung „Im Tiefenrausch - Film unter Wasser“ im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt/Main (1.7.2022-8.1.2023) taucht sehr sinnlich ein in vielfältige filmische Unterwasserwelten.


Schon früh hat das Kino die fantastischen Welten und Wesen, die unter der Wasseroberfläche lauern, für sich entdeckt: verschrobene Tiefseetaucher, tollkühne U-Boot-Kapitäne, geheimnisvolle Wracks, weiße Riesenhaie, menschenfreundliche Delfine oder bezaubernde Meerjungfrauen. Das Spannungsfeld zwischen Strandidylle und geheimnisvoller Tiefe, zwischen Licht und Dunkelheit, Leben und Tod lotet die neue Ausstellung „Im Tiefenrausch - Film unter Wasser" (1.7.2022-8.1.2023) im Filmmuseum Frankfurt aus.

Mit der dem populären Genrekino nahen Schau setzt das Haus am Schaumainkai in Frankfurt/Main seine vorhergehende, ebenfalls genreorientierte Präsentation Katastrophe. Was kommt nach dem Ende? fort. Das bis zum 8. Januar 2023 terminierte Programm will zentrale Motive aus hundert Jahren Filmgeschichte visuell und akustisch erfahrbar machen. Auf naturwissenschaftliche, kunsthistorische, politische und ökologische Interpretationen des Genres wollen Kurator Michael Kinzer und sein Team bewusst verzichten. Ihn fasziniert am Begriff Tiefenrausch, wie er etwa auch beim Alkohol-, Drogen- oder Sexgenuss diagnostizierbar ist, „die Zweideutigkeit, die das Schöne, Idyllische und Grandiose ebenso meint wie das Dunkle, Geheimnisvolle und Gefährliche“.


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Ohne Übergang ins Wasser geworfen

Wer dabei an eine alle Sinne, Emotionen und jede Menge Nervenkitzel stimulierende Thematik denkt, liegt nicht falsch. Filmfreunde assoziieren Produktionen wie Luc Bessons „Im Rausch der Tiefe“ oder Wolfgang Petersens „Das Boot“, James Camerons „Abyss – Abgrund des Todes, Ronald Neames „Die Höllenfahrt der Poseidon“, James Wans „Aquaman“ oder auch Jacques Cousteaus „Die schweigende Welt“ und „Welt ohne Sonne“.


Ausstellungsbesuch als sinnlicher Tauchgang (© Uwe-Dettmar/DFF)
Ausstellungsbesuch als sinnlicher Tauchgang (© Uwe-Dettmar/DFF)

Im Fokus steht die Ästhetik der Unterwasser-Filmbilder, ihr visueller und akustischer Reichtum. Schon beim Betreten des stark verdunkelten Sonderausstellungsraums glaubt man, plötzlich und ohne Übergang ins unsichere Fluidum des Wassers, der Tiefe einzutauchen. Das Publikum soll den Boden unter den Füßen verlieren, im Dunkel Orientierung suchen, den Atem anhalten – wie die Filmfiguren an den aufregendsten Schauplätzen auf den sie umgebenden Leinwänden. Der Raum verwandelt sich dabei in eine Art blauschimmerndes Bewegtbild-Aquarium, das zentrale Motive und Themen von Filmen über und unter Wasser sinnlich erfahrbar macht. Ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Bild und Ton schafft einen audiovisuellen Erlebnisraum, der den Ausstellungstitel zum Programm macht.

Monitore werden zu Aquarien

Aus Hunderten Produktionen hat der Kurator elf Themenstationen mit Fotocollagen und Originalfilmplakaten, ein überwältigendes multiperspektivisches Rondell und zwei Kabinette zusammengestellt. Prominente Filmsequenzen auf Monitoren sollen den Betrachter wie kleine Aquarien mit angsteinflößenden Meeresbewohnern und menschlichen Eindringlingen, mit der Schönheit, aber auch mit der kühlen Unberechenbarkeit der blauen Welt unter der Wasseroberfläche konfrontieren.


Screens wie Aquarien (© Uwe-Dettmar/DFF)
Screens wie Aquarien (© Uwe-Dettmar/DFF)

Jacques Cousteau (1910-1997) und Hans Hass (1919-2013), zwei Pioniere des Dokumentarfilms unter Wasser, erklären die besonderen Anforderungen, den Reiz dieser speziellen Filmarbeit. Sie leiten geschickt über zum futuristisch-utopischen Erkunden der Tiefe, der gierigen Suche nach Schätzen, wie etwa in 20 000 Meilen unter dem Meer oder Findet Nemozu sehen. Weiter geht es thematisch mit Sinken und Ertrinken, Bekriegen und Kämpfen (Jagd auf Roter Oktober). Zum Träumen und Tanzen laden insbesondere Animationsfilme mit Musik- und Tanzeinlagen ein.

Der weiße Hai und anderes Horrorgetier verbreiten Schrecken, entlarven aber auch den Menschen als Monster (Moby Dick“, „Orca - Der Killerwal), dessen Umgang mit der Natur zerstörerischer ist als jedes Haifischgebiss und Oktopus-Tentakel. Übernatürliches, Unter- und Außerirdisches bietet das evolutionäre Leben unter Wasser im Film ebenfalls. Zeitlos agieren Meerjungfrauen und andere Mischwesen (Der LeuchtturmoderUndine), Paaridylle und Poolerotik versprechen Filme wie Die blaue Lagune. Und was wäre das Thema Freundschaft und Freiheit ohne die KlassikerFlipper, Free Willy oder Findet Dorie?

Im Zentrum der Schau steht ein 180-Grad-Rondell, das auf vier großen Leinwandsegmenten die verschiedensten Genrebeispiele – idyllische Traumwelten, Animationsformate und reißerische Unterhaltungsproduktionen – lautstark interagieren lässt. Individuell formbare Sitzkissen laden zum Verweilen und Entspannen ein. Wie auf einen Jahrmarkt entfaltet sich dabei ein Spektakel der Schaulust – vom trügerischen Freizeitvergnügen bis zum verstörenden Blick auf die Unheimlichkeit der Bilder und Töne. 


Herz der Ausstellung: Das Glasrondell (© Uwe-Dettmar/DFF)
Herz der Ausstellung: Das Glasrondell (© Uwe-Dettmar/DFF)

Leider wird durch den hohen Ton- und Geräuschpegel eine in einem dunklen, unzureichend isolierten Extrakabinett präsentierte Klangcollage der Libanesin Rana Eid stark beeinträchtigt. So lassen sich akustische Dynamik, Tonfarben und der lediglich auf Arabisch eingesprochene, nur online auf der Museums-Homepage nachzulesende Text aus Beirut, der Stadt am Wasser, kaum differenziert wahrnehmen.

Spannungskino trifft auf Problembewusstsein

Obgleich die Ausstellung den Fokus auf eine ästhetisch-sinnliche Perspektive legt und wissenschaftliche, technische und ökologische Perspektiven in diverse Begleitprogramme und Diskussionsrunden ausgelagert hat, finden sich dennoch in vielen ausgewählten Filmsequenzen durchaus soziale Momente, gesellschaftskritische und umweltbewusste Aspekte. Sie bilden oft sogar den Resonanzboden, liegen in ihrer Emotionalität, in der tiefenpsychologischen Struktur der Figuren und in der mal niedlichen, mal gefährlichen Tierwelt verborgen. Über die Tonschiene, in subtilen wie eingängigen Musikkompositionen oder verstörenden Geräuschkulissen wird nicht nur Spannungskino suggeriert, sondern auch Problembewusstsein integriert.


Artwork zur Ausstellung (©DFF)
Artwork zur Ausstellung (© DFF)

Gelungen ist die Projektion zu den Mythen des Wassers auf jeden Fall. Sie illustriert das verführerisch-gespenstische Medium und seinen Raum wie die Luft, die Bergwelt, mit ihren vergangenen, heute sichtbar gewordenen Meeresformationen. Als sinnvoll sollte sich auch die flankierende Kooperation mit dem Frankfurter Senckenberg-Naturmuseum und dem Museum Wiesbaden mit seiner aktuellen Ausstellung „Wasser im Jugendstil“ erweisen. Der sehenswerten Schau hätte jedoch punktuell ein Blick unter die glatte Oberfläche der maritimen filmischen Gegenwelten gutgetan. Etwa ein Ausleuchten eines bekannten Filmbeispiels in seiner Produktions-, Vermarktungs- und Rezeptionsebene. So könnte der Besucher zeitgenössische Momentaufnahmen und die Veränderungsprozesse des Genres besser identifizieren.


Ausstellung "Im Tiefenrausch - Film unter Wasser"; Deutsches Filmmuseum, Frankfurt. Bis 8. Januar 2023. Geöffnet: Dienstag-Sonntag, 10-18 Uhr.

Info: www.dff.de

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