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Bela Lugosi - Schreckgestalt in der Sackgasse

Die Graphic Novel „Lugosi – Aufstieg und Fall von Hollywoods Dracula!“

Veröffentlicht am
29. September 2022
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Seine Verkörperung von Dracula ist ikonisch. Das Leben des aus Ungarn stammenden Hollywood-Stars Bela Lugosi (1882-1956) nahm auf dem Höhepunkt seiner Karriere jedoch eine tragische Wende. Eine Graphic Novel von Koren Shadmi zeichnet das Leben des Mimen in stilisierten Schwarz-weiß-Zeichnungen nach.


Das rechte Auge leicht zusammengekniffen, die linke Augenbraue hochgezogen, ein stechender Blick: so kennt man Bela Lugosi (1882-1956), den aus Ungarn in die USA migrierten Schauspieler, der 1931 mit seiner Hauptrolle in Dracula von Tod Browning zu Weltruhm gelangte. Wie es so weit kam und was dann folgte, erzählt die Graphic Novel „Lugosi – Aufstieg und Fall von Hollywoods Dracula!“ des in den USA lebenden israelischen Comic-Künstlers Koren Shadmi in stilisierten Schwarz-weiß-Zeichnungen. Lugosi, geboren 1882 als Béla Blaskó in der Kleinstadt Lugos, die ihn später zu seinem Künstlernamen inspiriert, entflieht schon als Teenager seiner wohlhabenden Familie, als man ihn auf das Gymnasium schicken will. Ihn zieht es schon in jungen Jahren zur Schauspielerei – durchaus mit Erfolg. Mit Mitte 30 ist er einer der bekanntesten Schauspieler Ungarns. Er steht bei Shakespeare-Dramen auf der Bühne, wird häufig als schöner Frauenheld besetzt und glänzt sowohl am Nationaltheater in Budapest als auch im Film, der als neues Medium gerade das Langformat in allen möglichen Genres erkundet.

Nach dem Umsturz der kurzlebigen sozialistischen Räterepublik im Jahr 1919 muss Lugosi, der gerade eine Schauspielgewerkschaft gegründet hat, mit seiner Frau nach Berlin flüchten, wo er beim Film unterkommt. Er spielt in Liebes- und Abenteuerfilmen, unter anderem in einigen Karl May-Verfilmungen. Seine Rollen in „Hypnose“ von Richard Eichberg oder in Murnaus verschollenem „Der Januskopf“ (beide 1920) verweisen bereits auf seine späteren Erfolge im Horrorgenre.

  

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Es ist eine Ironie des Schicksals, dass gerade Murnau zwei Jahre später mit „Nosferatu – Eine Sinfonie des Grauens nicht nur einen der ersten Vampirfilme, sondern auch einen mindestens so einflussreichen Vampirfilm wie „Dracula“ drehte. Doch da ist Lugosi schon nicht mehr in Berlin. 1921 zieht es ihn voller Erwartung in die USA, wo er sich jedoch jahrelang mit kleineren Rollen am Theater und im Film über Wasser hält, bevor er ab 1927 am Broadway das erste Mal „Dracula“ spielte. Es sollte die Rolle seines Lebens werden.

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Der alte Lugosi blickt zurück

Die Graphic Novel skizziert Lugosis frühe Jahre recht kurz. Zwischen seiner Flucht vor der Familie im Jahr 1893 und 1917, wo er bereits ein erfolgreicher Schauspieler ist, klafft eine große Lücke, und die Jahre beim deutschen Film werden komplett unterschlagen. Das ist schade, auch weil der deutsche Film damals eine frühe Hochburg des Horrorfilms war. In diese lückenhafte Chronologie streut Shadmi immer wieder Szenen des alten Lugosi ein, der 1955 in einem Krankenhaus einen Entzug macht. Diese Szenen sind im Gegensatz zu den in Grautönen gehaltenen chronologischen Sequenzen in Sepia gestaltet. Hier begegnet man einem alten, von Schmerzen gepeinigten und verbitterten Mann, der nicht nur voller Selbstmitleid auf sein Leben blickt, sondern auch seine Umgebung schikaniert – allen voran die wesentlich jüngere Lillian Arch, die zwanzig Jahre lang seine Ehefrau und Mutter seines einzigen Sohnes war.

Wie konnte es so weit kommen? Shadmi beschreibt nicht nur den Aufstieg Lugosis, sondern vor allem auch dessen langsamen, aber unaufhaltsamen Abstieg im Detail. Mit der Rolle in Tod Brownings „Dracula“ ist Lugosi zum neuen Horror-Star der Universal Studios geworden. Erhalten hat er die Rolle allerdings nur, weil sein Konkurrent Lon Chaney, der mit seinen Parts als Glöckner von Notre Dame und als Phantom der Oper in den 1920er-Jahren zum US-amerikanischen Star des Horrorfilms aufgestiegen war, kurz vor Drehbeginn einem Krebsleiden erlag.

Browning trieb Lugosi die übertriebene Mimik und Gestik aus, die er sich durch seine Theaterarbeit und die Stummfilmrollen angeeignet hatte. Brownings „Dracula“ wirkt durch seine eigentümlich ruhige und minimalistische Inszenierung noch heute modern. Lugosi hat sich in dieses Setting gefügt (George Melford drehte in denselben Kulissen, die Browning tagsüber nutzte, nachts die spanische Version „Drácula“). Nur so konnte diese „Dracula“-Interpretation die ikonische Kraft entfalten, durch die man Dracula noch heute mit Lugosi assoziiert.

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Anschaulicher Blick auf Produktionshintergründe

Koren Shadmi springt in seinem Comic zwischen solchen Details beim Dreh, den Produktionshintergründen in Hollywood und Lugosis Privatleben hin und her und beschreibt sehr anschaulich, wie der Druck der Studios, diesen großen Erfolg zu wiederholen, Lugosi in die berufliche und private Sackgasse führte. Universal forderte mehr Horror von Lugosi, und der lieferte allzu gerne, um seinen ausschweifenden Lebenswandel zu finanzieren: „The White Zombie“ (1932, der erste Film der Filmgeschichte mit Untoten), „Der Rabe (1935, Lugosis erster Film an der Seite seines Konkurrenten Boris Karloff), Das Zeichen des Vampirs (ebenfalls 1935, wieder unter der Regie von Tod Browning, der hier seinen eigenen Film Um Mitternacht“ von 1927 neu inszenierte) waren noch Kassenerfolge.

In „Frankensteins Sohn“ spielte er 1939 an der Seite von Karloff jedoch nur noch als buckliger Assistent anstatt als der große Bösewicht. Lugosis Karriere erlag dem sogenannten Typecasting: Er wurde nur noch für Horrorfilme angefragt. Für Lugosi führte die Einführung des Hays-Codes (auch Production Code genannt), die freiwillige Selbstzensur Hollywoods in den 1930er-Jahren, dazu, dass ihm mit dem Aussterben des Horrorfilms bei den großen Studios zunehmend kleinere Filme angeboten wurden. In den 1940er-Jahren drehte er nur noch B-Movies. In den 1950er-Jahren lernte er den berüchtigten Trash-Regisseur Ed Wood kennen und landete im C-Fach. Seine Alkohol- und Morphiumsucht taten ihr Übriges zum Zerfall des einst Ehrfurcht erregenden Mimen bei.

Shadmi gibt spannende Einblicke in das Hollywood-System der 1930er- bis 1950er-Jahre und das Leben des Schauspielers. Dabei macht er nicht den Fehler vieler Biografen, der Selbstinszenierung seines Protagonisten zu erliegen. Die Graphic Novel blickt nicht nur auf die dunklen Seiten des Leinwand-Lugosi, sondern auch auf die des Schauspiel-Kollegen, Vaters und Ehemanns. Rollen, denen der Schauspieler weniger gerecht wurde als der des Vampirs.


Literaturhinweis

Koren Shadmi: Lugosi – Aufstieg und Fall von Hollywoods Dracula!. Panini Verlag, Modena 2022. 160 S., 25,00 EUR. Bezug: In jeder Buchhandlung oder hier.

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