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Eine Reise durch die Zeit - Steven Spielberg

Filme zwischen gestern, heute und morgen. Eine Zeitreise durch das Werk des Regisseurs Steven Spielberg

Veröffentlicht am
22. Februar 2023
Diskussion

Die Berlinale ehrt mit dem Goldenen Ehrenbären für Steven Spielberg einen der ganzen großen Regisseure, der in „The Fabelmans“ einmal mehr den autobiografischen Background seines Schaffens aufdeckt. Ein Blick aufs Gesamtwerk zeigt jedoch, dass Spielberg in allen seinen Filmen interessante Zeitreisen unternimmt, in denen er die Conditio humana zu ergründen versucht.


Mit „Der weiße Hai“ begründete Steven Spielberg 1975 das Blockbuster-Kino. Das populäre Kino der 1980er- und 1990er-Jahre stand im Zeichen seiner Filme wie „Jäger des verlorenen Schatzes“, „E.T.“ und „Jurassic Park“. Sein Gesamtwerk ist jedoch vielschichtiger. Darin finden sich auch filmgeschichtliche Meilensteine jenseits des puren Unterhaltungskinos wie „Schindlers Liste“ und „Der Soldat James Ryan“. Sein neuer autobiografisch gefärbter Film „Die Fabelmans“ erfährt seine deutsche Erstaufführung bei der Berlinale, wo Spielberg mit dem Goldenen Ehrenbären für das Lebenswerk ausgezeichnet wird. Nachfolgend ein Versuch einer Zeitreise durch sein Werk.

Während des Fluges von seinem osteuropäischen Heimatland nach New York hat sich für Viktor Navorski alles geändert. Kaum ist er am John-F.- Kennedy-Flughafen angekommen, erfährt er, dass die Regierung in seiner Heimat Krakosia gestürzt wurde. Als gebe das nicht schon genug Anlass zur Sorge, ist nun auch seine Identität vorläufig unklar. Sein Pass und sein Einreisevisum sind nicht mehr gültig. Er kann nicht mehr vorwärts noch zurück. Er ist gefangen in dem Transitraum des Flughafens, einem „Nicht-Ort“, an dem die Zeit stillsteht. Ein Raum, der die Ambivalenz der Globalisierung, nämlich rasenden Stillstand; ausdrückt wie kein anderer.

Weder vor noch zurück: Tom Hanks in "Terminal" (imago stock&people)
Weder vor noch zurück: Tom Hanks in "Terminal" (© imago stock&people)

Wurden wir Zeugen, wie Steven Spielberg, der kommerziell erfolgreichste Regisseur aller Zeiten, eine Wende vom Bewegungsbild zum Zeitbild vollzieht, wie der französische Philosoph Gilles Deleuze die großen Paradigmen der Filmsprache im 20. Jahrhundert bezeichnet hat? Ging es Steven Spielberg in seinem Film „Terminal“ (2003) darum, zusammen mit dem Hauptdarsteller Tom Hanks die Trennschärfe zwischen action-betontem Unterhaltungs- und reflexivem Arthouse-Kino aufzulösen?


Zwischen den Zeiten

Beweisen musste Steven Spielberg, der schon als Jugendlicher erste Kurzfilme drehte, indessen schon lange nichts mehr. Mit „Die Farbe Lila“ (1985) hatte er sich sozusagen ins ernste Fach begeben und die Kritiker hellhörig gemacht, was dieses enorme Talent noch zu bieten habe. Obwohl er elf „Oscar“-Nominierungen erhielt, reichte es damals noch nicht für die ganz großen Ehrbekundungen, wobei er durchaus mit Preisen ausgezeichnet wurde, auch in den USA. Mit „Schindlers Liste“ holte er dies mit sieben „Oscars“ im Jahr 1993 dann aber nach.

2004 hatte er mit ein paar Ausnahmen in Europa nahezu alle Preise gewonnen, die man als Filmemacher gewinnen konnte; er hatte die meisten Kritiker längst überzeugt, und das Publikum war fast immer begeistert. Dass er mit dem Goldenen Ehrenbären der diesjährigen „Berlinale“ ausgezeichnet wird, ist eine weitere wichtige Anerkennung seiner Verdienste für den Film.

Wie sehr seine filmischen Visionen mit seiner eigenen Kindheit zusammenhängen, wie sehr er filmisch Traumata verarbeitete, ist immer wieder betont worden. Er selbst hat vielfach darüber Auskunft erteilt. Seine Filme handeln von zerrütteten Familien (auch seine eigene Familie zeichnete sich durch die Abwesenheit des Vaters aus) und von Kindern oder erwachsenen Männern, die das Reich der Fantasie brauchen, um sich ihrer selbst zu vergewissern. Sieht man von diesem biografischen Kontext einmal ab, fällt auf, dass sich sein Werk in besonderer Weise zwischen den Zeiten bewegt. Es gibt seine Historienfilme, die wichtige Ereignisse und Kontexte aufarbeiten, und historisch angehauchte Abenteuerfilme, die Achterbahnfahrten gleichen. Erzählungen, die in der Gegenwart angesiedelt sind, öffnen sich zum Fantastischen, handeln aber von aktuellen Themen. Seine Science-Fiction-Filme verarbeiten hingegen zentrale aktuelle Diskussionen über die Gestaltung zukünftiger Welten. Spielbergs Filme können im Kern durchaus als Zeitreisen verstanden werden, in denen er in unterschiedlichen Konstellationen die Conditio humana zu ergründen versucht.


Abenteuerspielplätze

Beginnen wir mit der Idee vom Kino als Abenteuerspielplatz, eine Idee, die sich auch in „Terminal“ zeigt, wenn Viktor Navorski den Flughafen und dessen Infrastruktur sich nach und nach als eine Art Parcours spielerisch aneignet.

Leonardo DiCaprio, Steven Spielberg, Tom Hanks am Set von "Catch Me If You Can" (UIP)
Leonardo DiCaprio, Steven Spielberg, Tom Hanks am Set von "Catch Me If You Can" (© UIP)

Als freies Fabulieren im Archiv der Geschichte kann schon „1941 - Wo bitte gehts nach Hollywood“ (1979) gelten. Mit „Jäger des verlorenen Schatzes“ (1981) zeigte sich Spielberg auf einem ersten Höhepunkt seiner Kunst, die Historie als Baukasten für mythische Erzählungen zu nutzen. Mit Indiana Jones schuf er hierfür den kongenialen Helden und gleichsam eine Ikone der Populärkultur. Harrison Ford spielt (heute noch) diesen Abenteurer, der in seinem bürgerlichen Leben promovierter Archäologe ist. Damit ist der Drang der Protagonisten zur Suche nach bedeutenden Schätzen und Kulturgütern ausreichend motiviert. Der Übergang aus der Realität in die Illusion des Kinopublikums wird in die Figur hineinprojiziert, wenn Dr. Jones aus dem Fenster seines Büros der Hochschule vor seinen Studentinnen zu entkommen versucht, um sich dem zu widmen, was er am besten kann. Doch als klassischer Abenteurer erweist er sich auch nicht.

„Indy“, wie er von seinen Freunden auch genannt wird, ist kein klar konturierter mythischer Held, sondern setzt sich aus mehreren mythischen Versatzstücken zusammen, dem Westerner, Zorro mit der Peitsche, James Bond (Indys Hut wurde mit kleinerer Krempe auch von James Bond getragen), den gierigen Schatzsuchern in eher modernen existentialistischen Abenteuerdramen, deren Männlichkeit zur Disposition gestellt wird.

Zu Beginn des dritten Teils der Reihe, in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989), wird nacherzählt, wie diese Versatzstücke in jungen Jahren in seine Hände oder auf seinen Kopf gerieten. Es verschlägt ihn an aufregende und exotische Orte auf dem ganzen Globus, er begegnet immer wieder fremden und in ihrer Exotik ausgestellten Sitten und Gebräuchen. Doch Mut und Tapferkeit finden ihre Grenzen, etwa in seiner Angst vor Schlangen. Nicht, dass er nicht kämpfen könnte und seine Peitsche nicht einzusetzen wüsste. Aber auffallende Leichtigkeit zeichnet ihn nicht aus, und immer wird die Scharfsinnigkeit durch Leichtfertigkeit, ja sogar Naivität konterkariert. Indy ist kühn, begibt sich oft in Gefahr, ist aber auch verletzlich (eine Eigenschaft, die auch Michael J. Fox als Marty McFly in „Zurück in die Zukunft" aus dem Jahre 1985 auszeichnet, den Spielberg produzierte).

Den Masterplot des Abenteuers nutzt Spielberg zudem auf eine Weise, die auf die Frühzeit des Kinos und auf die Hollywood Serials der 1920er- und 1930er-Jahre verweist, auf ein Kino der Attraktionen und einer Dramaturgie der permanenten Prüfungen. Damit wurde ein neues Action-Abenteuerkino kreiert, das sich um Logik wenig schert, weil die Handlung im Stakkato vorwärts prescht. Eine Rätseldramaturgie gesellt sich hinzu, in der Indy Entscheidungen treffen muss, an denen das Publikum lustvoll partizipieren kann. Das Attraktionskino öffnet sich zum Ludischen. Der Einfluss der „Indy“-Filme auf die „Tomb Raider“-Spiele mit der Protagonistin Lara Croft war immens.


Vergangenheitsbewältigung

Für Viktor Navorski ist sein vergangenes Leben temporär aus den Fugen. Sein Land, in dem er aufwuchs, hat die Vergangenheit hinter sich gelassen und will in eine neue Zukunft. Diese Erkenntnis ist für Viktor ein herzzerreißendes Drama. Ein Konflikt den er bewältigen muss.

Mit „Die Farbe Lila“ (1985) bewies Spielberg nach seinen Blockbuster-Schwergewichten wie „E.T.“ und zwei Indiana-Jones-Filmen, dass er auch das seriöse Drama beherrschen will. Die Verfilmung des 1983 mit dem Pullitzer Preis ausgezeichneten Romans von Alice Walker leitete zugleich seine filmische Auseinandersetzung mit der Geschichte der USA ein. Den Spuren des Rassismus gegen Schwarze auf den historischen Grund zu gehen, führte er in größeren Abständen mit „Amistad“ (1997) und „Lincoln“ (2011) fort. In „Die Farbe Lila“ versteht er es schon gekonnt, historische Brisanz in eine große Form (ganz anders als im postmodernen Kino der 1980er-Jahre), in filmische Pathosformeln zu übersetzen, aber auch die genaue Beobachtung, die präzise Charakterstudie und – am Auffälligsten – die Suche nach Bildern, die politisieren, herausfordern und bewegen, nicht zu kurz kommen zu lassen.

Steven Spielberg beim Dreh von "B.F.G." (Constantin)
Steven Spielberg beim Dreh von "BFG - Big Friendly Giant" (© Constantin)

Schindlers Liste“ (1993) war dann der erste und bis heute wichtigste Höhepunkt in Spielbergs Spielart der Vergangenheitsbewältigung. Was zeichnet diese aus? Dem Filmwissenschaftler Thomas Koebner ist zuzustimmen, dass keine einfachen Antworten geboten werden. „Schindlers Liste“ ist in Schwarz-weiß gedreht, aber nicht schwarz-weiß gedacht. Heroisches Handeln zeichnet den Protagonisten Oskar Schindler (Liam Neeson) auch weniger aus als Ambivalenzen und Widersprüche. Die Kunst besteht darin, der Hauptfigur mit wenigen gut austarierten Handgriffen Tiefe zu verleihen und sie dennoch für ein großes Publikum zugänglich zu machen. Spielberg inszeniert immer mit dem größtmöglichen Effekt und greift dabei selten daneben. Die Musik von John Williams und auch die Dehnung der Zeit in besonders emotionalen Situationen (durchaus vergleichbar mit dem Ende von „E.T.“) steigert das Pathos in fühlbare Grenzbereiche, doch zeigt sich Spielberg ungeheuer geschickt darin, dem auch entgegenzuarbeiten.

Grausamkeiten inszeniert er zusammen mit dem Kameramann Janusz Kaminski, der Spielbergs Filme seitdem kontinuierlich fotografiert, in aller filmtechnisch zur Verfügung stehenden Authentizität bis zur Schmerzgrenze. So kann er an anderer Stelle die Emotionen hochkochen lassen, um dem Publikum einen kathartischen Effekt zu ermöglichen.

Mit „Der Soldat James Ryan“ (1998) und seiner langen Eingangssequenz folgte 1998 ein weiterer Höhepunkt in Spielbergs Vision des History-Genres. Mise-en-scène, mise-en-image und Montage greifen perfekt ineinander und schaffen eine hyperreale Ästhetik des Schreckens. Die Landung der alliierten Streitkräfte an einem Küstenabschnitt der Normandie in Frankreich, der den Namen Omaha Beach erhielt, greift auf eine Ästhetik der „radikalen Immersion“ zurück. Der erst danach in Gang kommende Plot der Suche nach dem titelgebenden Soldaten entwickelt sich zu einer Metapher der Sinnlosigkeit des Krieges: James Ryan soll nach Hause gebracht werden, weil die Familie in der Heimat auf einen Schlag bereits drei Söhne an den Krieg verloren hat. Doch der Mission fällt fast der komplette Suchtrupp zum Opfer.

Mit dem historischen Polit-Thriller „München“ (2005) nahm sich Spielberg eines Konflikts an, der aus dem Zweiten Weltkrieg resultierte und seine jüdische Herkunft berührte: dem bis in die Gegenwart andauernden Krieg zwischen Israel und Palästina. Wieder geht es um Familie und um Heimat und um die Sinnlosigkeit des Tötens aus ebenso begründetem wie blindem Hass.

Wie in vielen seiner historischen Genrefilmen, denen es daran gelegen ist, zu einem Kern des Verstehens vorzudringen, liefert Spielberg kein Happy End; er verweigert sich der utopischen Vision von Versöhnung. Erfolgreich verläuft die Mission auch hier nicht; die ohnehin brüchigen Helden sind am Ende tot oder kehren ratlos und desillusioniert in die Heimat und zu ihren Familien zurück.


Nach Hause telefonieren

Viktor Navorski muss lernen, die Vergangenheit bis auf weiteres hinter sich zu lassen und nicht zu viel Hoffnung in die Zukunft zu investieren. Es kann sein, dass sich die Gegenwart noch weit ausdehnen wird. Es gilt also, sich die begrenzte Welt des Flughafens mit viel Fantasie zu eigen zu machen, sich Räume zu erschließen und neue Familienzusammenhänge zu entwickeln.

Steven Spielberg, Catherine Zeta-Jones bei "Terminal" (imago stock&people)
Steven Spielberg, Catherine Zeta-Jones bei "Terminal" (© imago stock&people)

Das Fantastische im Werk Spielbergs findet in der Gegenwart statt. „E.T.“ handelt von einem Jungen in den 1980er-Jahren, der unter der Abwesenheit des Vaters leidet; der hat sich mit einer anderen Frau nach Mexiko aus dem Staub gemacht. Der Außerirdische, der wie aus einem Traum auf die Erde kommt, ist ein Leidensgenosse. Auch er ist einsam und wird alleine zurückgelassen, weil er es nicht schnell genug zum Raumschiff zurückschafft.

Aus der Freundschaft mit dem Menschenkind lernt er ebenso viel für sein außerirdisches Leben, wie Elliott (Henry Thomas) für sein irdisches Leben. Wie schon in Spielbergs erstem Ausflug in das Science-Fiction-Genre „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (1977) geht es ihm um die Verständigung zwischen den Menschen und der fremden Spezies; er zweifelt Gewalt und Krieg als ultima ratio der Konfliktlösung nachdrücklich an. Die Geschichte um zwei einsame Wesen, die gemeinsam durch die Hölle gehen und sich dann wieder trennen müssen, ließe sich aber auch ohne Außerirdische erzählen.

Jurassic Park“ (1993) erzählt von der Hybris des Menschen, sich die Erde untertan zu machen, selbst jene Spezies, die lange vor den Menschen die Erde bevölkerten. Die Gewalt, die von den Sauriern ausgeht, ist weniger in deren Naturell begründet, als vielmehr darin, dass sie aus ihrer Zeit gerissen wurden, um den Menschen zur Unterhaltung zu dienen. In „The Lost World“ (1997) verschärfte Spielberg diese Kritik an der Spaßgesellschaft noch, indem er die Hatz nach den erhabenen Urwesen explizit als Safari inszenierte.

Spielberg lässt die Urzeit mit der Gegenwart unter Einsatz der modernsten Filmtechnik kollidieren, um den „sense of wonder“ der Science-Fiction als Unvereinbarkeit von Traum und Realität in Szene zu setzen. Illusion, Imagination und vielleicht sogar der Traum von der Zeitreise sind allenfalls im Kino am richtigen Ort. Spielberg wäre vermutlich nie auf die Idee gekommen, ein „Simulacrum“ (Jean Baudrillard) wie Disneyworld zu errichten.


Zukunftsvisionen

Bevor Spielberg Viktor Navorski in ein Zeitloch fallen ließ, begab er sich mit „A.I.“ (2001) und „Minority Report“ (2002) in dystopische Zukünfte, ohne dabei die Utopie ganz aus dem Blick zu verlieren. Die Idee zu „A.I.“ ging aus der Freundschaft Spielbergs mit Stanley Kubrick hervor, der den Film produzieren wollte. Doch 1999 verstarb Kubrick überraschend. „A.I.“ spielt im Jahr 2022. Ein Android in Gestalt eines kleinen Jungen (Haley Joel Osment) wird von einer Familie als Ersatz für den im Koma liegenden Sohn angeschafft. Doch egal, was er tut, der Android mit Namen David kann es niemandem recht machen. Wie Alice durchs Wunderland taumelt er staunend und lernend durch die Welt der Menschen.

Einmal mehr erzählte Spielberg hier von der verzweifelten Suche eines Kindes nach Geborgenheit, in einer sehr nahen Zukunft, die künstliche Intelligenzen als neue künstliche Schöpfung im Anthropozän mir ihren Ängsten ebenso alleine lässt wie ihre biologischen Kinder.

In „Minority Report“ begibt sich Spielberg etwas weiter in die Zukunft, in das Jahr 2054. Die Utopie besteht in einer neuen Form der Verbrechensbekämpfung, die jeden Mord verhindert, bevor er begangen werden kann. Das wird weniger durch eine neue Technologie ermöglicht als vielmehr durch drei kognitiv außergewöhnliche Menschen, die für diese Aufgabe genau genommen gefangen gehalten werden. Hierin besteht die Crux des utopischen Impulses, der dann auch folgerichtig nach hinten losgeht, als dem leitenden Ermittler der Abteilung Precrime, John Anderton (Tom Cruise), vorausgesagt wird, selbst einen Mord zu begehen. Das Ganze mündet in der Erkenntnis, dass kein noch so gut funktionierendes digital aufgearbeitetes System vor habgierigen Menschen sicher sein kann.

Was Spielbergs Science-Fiction-Filme im 21. Jahrhundert auszeichnet, ist die Ausstatttung der Storys, die Gestaltung möglicher Zukünfte, die sogar von Vertretern des Design Fiction (z.B. Bruce Sterling) gewürdigt wurde. In seinem jüngsten Werk „Ready Player One“ (2018) nach dem gleichnamigen Roman von Ernest Cline gelang Spielberg eine kongeniale Darstellung von Computerspiel- und virtuellen Welten. Diese haben im Jahr 2045, so die Story, die erbärmliche Wirklichkeit fast völlig verdrängt. Doch wie in Dystopien üblich, formiert sich eine Rebellion, der sich Wade Owen Watts (Tye Sheridan) anschließt, ein ebenso armer wie begnadeter junger Gamer. Spielberg nutzt die Praxis des popkulturellen Zitierens im Roman und legt den Film an vielen Stellen als selbstreflexive Zeitreise in die 1980er-Jahre an.

Setfoto bei "Indiana Jones und das Königsreich des Kristallschädels" (Paramount)
Setfoto bei "Indiana Jones und das Königsreich des Kristallschädels" (© Paramount)

In seinem vierten Indiana-Jones-Abenteuer „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ (2008) ließ Spielberg die Fluidität zwischen Vergangenheit und Zukunft darin kulminieren, dass am Ende weniger ein Schatz gefunden als die Existenz von Außerirdischen auf der Erde festgestellt wird. Im Kino war man erstaunt und irritiert, doch genau betrachtet war das absolut konsequent. Die Zukunft hat die Gegenwart eingeholt. Oder es trennt sie gar nichts voneinander.

Mit „Die Fabelmans“ reist Spielberg jetzt wieder in die Vergangenheit. Und wir mit ihm. Wir werden sehen, wie seine Vision vom Kino als Medium von Zeitreisen entstand.

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