© privat (Hans Donat)

Nachruf auf Hans Donat

Nachruf auf Hans Donat (9.12.1928-8.1.2023), der in der DDR die katholische Filmpublizistik begründete und über Jahrzehnte entscheidend prägte

Veröffentlicht am
19. April 2023
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Das Kino spielte für Hans Donat schon in Kindertagen eine wichtige Rolle, weil sein Vater im Lichtspielhaus in Georgswalde als Kassenwart tätig war. Später begründete Donat als Mitarbeiter der Diözese Erfurt in den 1950er-Jahren die Katholische Filmarbeit in der DDR. Er rief die „Filmbesprechungen“ ins Leben, in denen von 1954 bis zur Wiedervereinigung das Kinoangebot in der DDR systematisch rezensiert wurde, und trug maßgeblich dazu bei, dass sich auch in Ostdeutschland eine katholische Filmpublizistik entfaltete.


Mit fünf Worten lasse sich die Lebensbilanz von Hans Donat (9.12.1928-8.1.2023) auf den Punkt bringen, war in Porträts über den ostdeutschen Kirchen- und Medienmann mehr als einmal zu lesen: „Was notwendig war, wurde getan“. Doch eine solch nüchterne Pflichtethik will nicht so recht zu dem umtriebigen Sozialpädagogen passen, der 1928 in Georgswalde in Nordböhmen geboren wurde und von 1952 an in der Diözese Erfurt in wechselnden Funktionen tätig war. Eher hilft schon seine Anmerkung weiter, dass aufgrund der konfessionellen Diasporasituation der Katholiken in der DDR „sehr vieles von wenigen Menschen gemacht werden musste“. Oder in Erinnerung an seine katholische Kindheit ein Satz über seine Prägung im Elternhaus, wo er gelernt habe: „Schau auf andere, nicht nur auf dich!“

In seiner (Berufs-)Biografie spiegelt sich diese Einstellung in einer großen Fülle an Jobs und Verantwortungen wider. Bis 1960 war er Diözesanjugendhelfer und stand der „Kirchlichen Hauptstelle für Film und Laienspiel“ vor. Ab 1961 organsierte er die „Arbeitsstelle für pastorale Berufe“, gründete die katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung mit, war Mitherausgeber und Autor der Reihe „Die Hauskirche“ im St-Benno-Verlag und leitete die „Arbeitsstelle für pastorale Hilfsmittel“, in der die kirchliche Medienarbeit koordiniert wurde. Er betätigte sich als Autor und Sprecher bei Kirchensendungen und arbeitete nach der Wende auch als Rundfunkbeauftragter im Bistum Erfurt.


Kino von Kinderbeinen an

Hans Donat war auch politisch aktiv. Als im Dezember 1978 das erste DDR-weite Friedensgebet in der Lorenzkirche in Erfurt stattfand, aus Protest gegen die Einführung des Wehrkundeunterrichts an den Schulen der DDR, zog er im Hintergrund die Strippen. In der Wendezeit organisierte und moderierte er Demonstrationen in Erfurt und wurde 1990 Mitglied im ersten demokratisch gewählten Stadtrat. Für sein unermüdliches Engagement aus einem christlichen Grundverständnis heraus wurde ihm 2000 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Im filmpublizistischen Kontext ist Hans Donat allerdings noch aus ganz anderen Gründen von großer Bedeutung. Denn ohne ihn hätte es keine katholische Filmarbeit in der DDR gegeben. Seine ersten Kontakte mit dem Kino reichen bis in die Kindheit zurück, da sein Vater Kassenwart eines Kinos war und seinem Sohn so den kostenlosen Besuch von Filmvorführungen ermöglichte. Das Interesse für das Kino verfestigte sich während seiner Berliner Studienzeit und mündete in der Diözese Erfurt dann im Aufbau einer kirchlichen Filmpublizistik, die analog zum westdeutschen „film-dienst“ das Filmprogramm der DDR-Kinos systematisch rezensierte.

Von 1954 an bis zur deutschen Wiedervereinigung gelang es Donat und einer Handvoll Mitstreitern, das komplette Filmangebot in der DDR zu erfassen und zu rezensieren sowie in hektografierten Zusammenstellungen im vierwöchentlichen Rhythmus per Post an bis zu 1200 Seelsorgestellen und kirchliche Institutionen zu verschicken. Dort erfolgte der Aushang in Schaukästen und Anschlagtafeln. Auf diese Weise verfassten die kirchlichen Rezensenten bis zum Oktober 1990 insgesamt 4530 Rezensionen, die als Kurzfassungen auch ins „Lexikon des Internationalen Films“ Eingang fanden.

Einen ebenso lesenswerten wie höchst amüsanten Einblick in den Alltag dieser winzigen Gruppe, die aus einem pastoralen Impuls heraus über das aktuelle Filmgeschehen in den DDR-Kinos informierte, findet sich in der Dissertation „Katholische Filmarbeit in der DDR“ (Lit Verlag, Münster, 2003) von Alexander Seibold, die ausführliche Interviews mit Hans Donat über die Arbeit der kirchlichen Filmkenner enthält. Mit großer Plastizität erinnert sich Donat darin anekdotisch an die Tricks und Umwege, wie man etwa saugfähiges Papier beschaffte oder auf einem Autobahnparkplatz nachts heimlich eine aus dem Westen geschmuggelte Abziehmaschine in Empfang nahm.


Mit einer „gewissen Pfiffigkeit“

Die Stasi scheint sich für die Aktivitäten der kirchlichen Filmenthusiasten nicht sonderlich interessiert zu haben; offensichtlich, so Donat im Rückblick, wurde „unsere Arbeit als nicht wichtig genug genommen“. Was mit Sicherheit aber auch an einer „gewissen Pfiffigkeit“ lag, mit der er und seine Kollegen ihre Nische schützten, indem sie ihre „Filmbesprechungen“ als „nur für den internen (kirchlichen) Dienstgebrauch“ etikettierten oder immer wieder neue Wege suchten und fanden, wie die Zwänge des zentralistischen Systems umgangen werden konnten.

Die Rezensionen waren knapp und pointiert; sie enthielten Angaben zum Inhalt, zur Ästhetik und den verhandelten Themen; dabei spielten moralische Fragen lange eine große Rolle. Die Texte richteten sich anfangs an ein kirchlich-katholisches Publikum und waren pastoral-pädagogisch gedacht; im Laufe der Jahre wurden filmanalytische und -kritische Aspekte jedoch immer wichtiger; wie in Westdeutschland entwickelte sich auch in Ostdeutschland die kirchliche Filmpublizistik Richtung Medienpädagogik. „Wir wollten nicht mehr nur auf Filme hinweisen, sondern den Blick schärfen und das Urteilsvermögen schulen“, so Donat, "um Menschen in die Lage zu versetzen, sich selbst ein Urteil zu bilden".

Hans Donat war seit 1990 Mitglied der Katholischen Filmkommission für Deutschland und wirkte in deren Auftrag bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) mit. Zusammen mit Helmut Morsbach erarbeitete er die Filmlexika „Filme in der DDR 1945-86“ und „Filme in der DDR 1987-1990“.

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