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Einer für alle, alle für einen! „Die drei Musketiere“ im Film

Mittwoch, 19.04.2023 14:12

Vom Stummfilmkino bis in die Gegenwart hält das Medium Film den Helden des Romanklassikers „Die drei Musketiere“ die Treue. An ihrer Filmgeschichte spiegelt sich der jeweilige „State of the Art“ des Abenteuerkinos

Diskussion

Mit „Die drei Musketiere – D’Artagnan“ kommt am 13. April eine Neuverfilmung des berühmten Abenteuerromans von Alexandre Dumas (dem Älteren) in die Kinos und liefert nach vielen Jahren der Abwesenheit wieder eine französische Interpretation des Klassikers. Wie Robin Hood gehören auch die Musketiere zu den Heldenfiguren, die das Kino von Anfang an „adoptiert“ und quer durch die Filmgeschichte lebendig gehalten hat; die zahlreichen Adaptionen erzählen auch etwas über den jeweiligen Status quo des Abenteuergenres. So stehen die Douglas-Fairbanks-Filme für die Stummfilmzeit, George Sidneys Adaption von 1948 mit Gene Kelly als D’Artagnan für Ton und Technicolor und Richard Lesters burleske Verfilmung für (revisionistische) Neuformulierungen im Genrekino der 1970er-Jahre. Ein Streifzug durch die Historie der legendären Helden des Mantel-und-Degen-Films.


Das Werk von Alexandre Dumas umfasst einige der populärsten Erzählungen der Abenteuerliteratur. Seine berühmtesten Heldenfiguren sind die im Frankreich des 17. Jahrhunderts verorteten Musketiere und ihr junger Gefährte D’Artagnan. Am bekanntesten ist der erste, 1844 erschienene Roman „Die drei Musketiere“. In kurzen Abständen erschienen danach noch „Zwanzig Jahre später“ sowie „Der Vicomte von Bragelonne oder Zehn Jahre später“, der auch als „Der Mann mit der eisernen Maske“ bekannt geworden ist. Das am Ende des 19. Jahrhunderts entstehende Medium Film ließ sich diesen vielgeliebten Stoff nicht entgehen: Schon früh entstanden Stummfilme, die auf die Musketier-Motivwelt zurückgriffen (wie Georges Méliès’ „Les mousquetaires de la reine“ (1903); später wurden alle drei Bände verfilmt, doch am häufigsten griff man auf den ersten Band zurück. So unverzichtbar sind die Musketiere für die Populärkultur, dass sogar die Musikindustrie aufsprang. Conny Froboess sang 1963 „Drei Musketiere, die ziehn um die Welt, für sie ist das Leben ein Scherz“. Und in einem Kurzfilm der „Tom & Jerry“-Reihe bekommt es Jerry als Mausketier mit der königlichen Wache Tom zu tun. Doch das nur am Rande.


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Was sich nach Dumas im Jahr 1625 am französischen Königshof an Intrigen ereignet, hat historische Hintergründe, und auch D’Artagnan und „Die drei Musketiere“ Athos, Porthos und Aramis basieren auf historischen Vorbildern. Kardinal Richelieu, in den Romanen der große Gegenspieler der Helden, war die wahre Macht im Staat; mit unersättlichem Machthunger ausgestattet, intrigierte er gegen König und Königin und provoziert einen Krieg gegen England. Dumas stellt ihm eine erfundene „Geheimwaffe“ zur Seite, die Spionin Lady de Winter. Im Roman dauert es etwas, bis der Abenteuer-Plot in die Gänge kommt; in den meisten Filmen wird er schnell etabliert: Richelieu konstruiert eine Liaison der Königin mit dem Herzog von Buckingham, um so den Krieg zu provozieren. D’Artagnan kommt diesem Komplott mit Hilfe von Constance, der Kammerfrau der Königin, auf die Spur, und gemeinsam mit den drei Musketieren kann er die Intrige zunächst abwehren. Zugleich gewinnt er das Herz von Constance. Die gerät im weiteren Verlauf der Handlung – es kommt doch zum Krieg gegen England – in Gefahr und wird letztlich von Lady de Winter getötet, die dafür ebenfalls mit ihrem Leben bezahlen muss.

Die Musketiere bei ihrem jüngsten Kinoeinsatz: "Die drei Musketiere - D'Artagnan"
Die Musketiere bei ihrem jüngsten Kinoeinsatz: "Die drei Musketiere - D'Artagnan" (© Constantin)

Seit den ersten Filmen mit Douglas Fairbanks bis in die Gegenwart und Martin Bourboulons Neuverfilmung, die am 13. April in die Kinos kommt, markierten die Adaptionen immer auch, wie es ums Genre des Abenteuerfilms der jeweiligen Entstehungszeit bestellt ist: Auf den ersten Blick kleine, aber bedeutungstragende Abweichungen von der Vorlage verraten veränderte stilistische Möglichkeiten und Vorlieben (nicht zuletzt in der Inszenierung von Action-Sequenzen) und sich wandelnde Rollenbilder, nicht zuletzt Heldenideale und Frauenbilder.


Die Erzählung und ihre Variationen

Es ist erstaunlich, wie genau sich viele Adaptionen an Dumas’ Erzählung bis zu dem Moment, wenn D’Artagnan und die Musketiere Freunde werden, halten. Oft sind sogar Dialoge identisch aus dem Roman übernommen. D’Artagnan verlässt sein Zuhause in der Gascogne, um in Paris Musketier zu werden. Zuerst wird er in Meung-sur-Loire in einen Kampf verwickelt, in dem der Plot vorbereitet wird. Kaum ist er in Paris angekommen, gerät er in seinem jugendlichen Leichtsinn auch schon in Duelle mit den drei Musketieren. Doch das erste Duell mit Athos wird vom Auftauchen feindlich gesinnter Soldaten der Garde des Kardinals Richelieu gestört, denen die Musketiere, nun mit D’Artagnan an ihrer Seite, entgegentreten – der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die aber erst mit dem Start ihrer Mission im Kampf gegen Richelieu zu der berühmten Formel „Einer für alle, alle für einen“ führt.

Die meisten Filme greifen auf diese mustergültige Exposition zurück, etablieren aber oft früher den zentralen Konflikt, also die Intrige. Dies gilt etwa für „Die drei Musketiere“ von Fred Niblo 1921, für den Douglas Fairbanks senior, Hollywoods Ikone des frühen Abenteuergenres, als Hauptdarsteller auch das Drehbuch schrieb. In Stephen Hereks „Die drei Musketiere“ von 1993 wird die gesamte Garde des Königs gleich zu Beginn aufgelöst, was die drei Musketiere von Anfang an zu Outlaws macht. In Paul W.S. Andersons Version von 2011 wird mit einer sogenannten „Cold-Open“-Actionsequenz begonnen, die mitten in die Handlung hineinspringt und die tragische Beziehung zwischen Athos (Matthew Macfadyen) und Lady de Winter (Milla Jovovich) neu darzustellen versucht, die bei Dumas und den meisten Filmen zur Backstory gehört. In Bourboulons aktueller Neuverfilmung wird zunächst stärker als bisher in der Filmgeschichte die politische Situation in Paris herausgestellt, die Position des jungen Königs, Krieg um jeden Preis zu verhindern.

Lady de Winter und Athos in der Verfilmung von 2011 (© Constantin)
Lady de Winter und Athos in der Verfilmung von 2011 (© Constantin)

Den gesamten Plot in zwei Episoden aufzusplitten, ist eine weitere Erzählstrategie der Neuverfilmung (der zweite Teil kommt im Dezember in die Kinos), mit der Bernard Borderie 1961 in einer französisch-italienischen Koproduktion begann. Auch Richard Lester griff 1973 und 1974 mit „Die drei Musketiere“ und „Die vier Musketiere – Die Rache der Mylady“ darauf zurück. Lester drehte mit „Die Rückkehr der Musketiere“ fünfzehn Jahre später sogar ein Sequel, indem er den zweiten Band von Dumas, „Zwanzig Jahre später“, als Vorlage verwendete. Mit zwei Teilen und damit einer größeren Laufzeit lässt sich der umfangreiche Roman gewiss originalgetreuer erzählen. Umso beachtlicher, dass es Robert Ardreys Drehbuch zu der Adaption von 1948 gelang, den Stoff so zu verdichten, dass er mit zwei Stunden Laufzeit auskommt und dabei sehr ausgewogen in Auswahl und Gewichtung der Handlungsabfolgen vorgeht.


Lachende Helden, despotische Schurken

Der Musketier gilt zusammen mit Helden wie Robin Hood und Zorro als jener Typ von Abenteurer, der im englischsprachigen Raum als „Swashbuckler“ bekannt ist. Übersetzen lässt sich das sinngemäß vielleicht mit Säbelrassler, Haudegen oder Draufgänger. Der Swashbuckler par excellence ist im Mantel-und-Degen-Film zu Hause – ein lachender Heldentypus, der das Leben und den Tod leichtnimmt. Zudem sind Swashbuckler Individualisten. Sie haben zwar Gefährten und stehen füreinander ein („Einer für alle, alle für einen“), doch kommt es im entscheidenden Moment auf sie an. Selbst wenn Swashbuckler, wie die Musketiere, eigentlich Teil einer militärischen Truppe sind, rückt das Soldatisch-Kollektive in den Hintergrund; inszenatorische Höhepunkte sind keine epischen Schlachtenszenarien mit vielen Komparsen, sondern sorgfältig choreografierte Duelle, bei denen es auf Stärke, Schnelligkeit und Gewandtheit der Einzelnen ankommt. Meist sind sie zudem volksnahe Rebellen, die gegen despotische (adlige) Potentaten antreten und ihre Mitbürger:innen und/oder einen rechtmäßigen Herrscher/eine rechtmäßige Herrscherin gegen deren Machtgier verteidigen. Beim „Vogelfreien“ Robin Hood ist dieses Rebellentum besonders offensichtlich, aber auch bei den Musketieren und ihrem Kampf gegen Kardinal Richelieu, der eigentlichen Macht im Staat von König Ludwig XIII., spielt es eine Rolle.

Lachender Draufgänger: Douglas Fairbanks als Prototyp des Swashbucklers (© IMAGO / Everett Collection)
Lachender Draufgänger: Douglas Fairbanks als Prototyp des Swashbucklers (© IMAGO / Everett Collection)

Der Stoff wurde schon in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts mehrfach verfilmt, der erste bedeutende Interpret der Stummfilmzeit war jedoch Douglas Fairbanks. Der Star, der von sich selbst gesagt haben soll, Lachen sei für ihn eine physische Notwendigkeit, wurde im Kino zum Prototypen des lachenden Abenteurers. Neben Fred Niblos Verfilmung von 1921 baute auch „Die eiserne Maske“ von Allan Dwan 1929 auf sein Charisma in der Hauptrolle. Die Adaption des dritten Bandes von Dumas war der letzte Stummfilm mit Douglas Fairbanks und markierte den Übergang zum Tonfilm. Alle Musketiere, auch D’Artagnan, kommen darin ums Leben, etwas anders als im Roman, in dem Aramis überlebt. Mit seiner Akrobatik und Schlitzohrigkeit wie auch seinen Qualitäten als romantischer Liebhaber definierte Fairbanks den Figurtypus für den Film, wenngleich er damals schon fast vierzig Jahre alt und damit eigentlich zu alt für die Figur des jugendlichen D’Artagnan war.


Blütezeit der Swashbuckler

Auch Gene Kelly hatte 1948 die Dreißig schon weit überschritten, als er in die Rolle des D’Artagnan schlüpfte. Dennoch gelang ihm der jugendliche Draufgänger erstaunlich gut, wozu sein athletischer Tanzstil und seine choreographischen Qualitäten entscheidend beitrugen. Er war ebenso bekannt für Musicals wie der Regisseur George Sidney. Dessen Musketier-Version treibt die Ausstattung und die Kostüme zu Technicolor-Exzessen und erzeugt eine perfekte Hollywood-Illusion, in der das Overacting von Gene Kelly bestens aufgehoben ist: Er ist der perfekte Draufgänger und romantische Held, dessen Gefühle für Constance ebenso rein wie seine Neugier auf Lady de Winter naiv sind. Mit dem dämonisch auftretenden Vincent Price als Richelieu hatte er einen genialen Widersacher.

Evil Mastermind mit Horror-Erfahrung: Vincent Price als Richelieu (© IMAGO / Everett Collection)
Evil Mastermind mit Horror-Erfahrung: Vincent Price als Richelieu (© IMAGO / Everett Collection)

Während in Hollywood, befeuert von Filmen wie diesem, in den späten 1940er- bis in die 1960er-Jahre das Swashbuckler-Genre, befeuert vom Siegeszug des Farbfilms, eine seiner Blütezeiten erlebte, hatte man auch in Frankreich die Musketiere nicht vergessen. Dort gab es in den 1950er- und 1960er-Jahren neben dem großen Mantel-und-Degen-Klassiker „Fanfan, der Husar“, der frei in den Fußstapfen der Musketier-Motivwelt tänzelte, mehrere explizite Dumas-Verfilmungen, etwa von André Hunebelle (1953), von dem auch die Fantômas-Filme mit Louis de Funès stammen, und von Bernard Borderie, der auch die „Angélique“-Filme inszenierte. Der dynamisch auftretende Gérard Barray, damals ein Mantel-und-Degen-Star im französischen Kino (als Korsar Robert Surcouf etwa), überzeugte als D’Artagnan dabei ebenso wie die Farbdramaturgie und die beeindruckenden Sets. Daran knüpft auch der französische Schauspieler François Civil an, dem in der aktuellen Verfilmung ebenfalls eine überzeugende Darbietung sowohl als kämpfender wie auch als romantischer Held gelingt.

In den 1970er-Jahren wurde die Luft allmählich dünner für die lachenden Helden des klassischen Swashbuckler-Abenteuerkinos; die Zeit eines anderen Typus, des modernen Actionhelden, kündigte sich an. Eine späte Hommage an das Genre lieferte Richard Lester mit seinem „Die drei Musketiere“ mit dem britischen Jungstar Michael York als D’Artagnan. Die Eleganz und Leichtherzigkeit der Klassiker nimmt hier allerdings eine Wendung ins Parodistische. D’Artagnans ungestümes Verhalten lässt ihn so tölpelhaft erscheinen, wie es ihm von Rochefort (Christopher Lee), dem Hauptmann der Kardinalswache von Richelieu, vorgeworfen wird. Das Heldenepos wird nicht mehr so ganz ernstgenommen und die Situationskomik bis an die Grenze zum Klamauk einsetzt. Christopher Lee als Rochefort erschien wie eine späte Reminiszenz an Vincent Price, war Lee doch ebenfalls durch Horrorfilme, in der Rolle des Grafen Dracula, legendär geworden.

Michael York und seine Mit-Musketiere in den 1970ern (© IMAGO / United Archives)
Michael York und seine Mitstreiter in den 1970er-Jahren (© IMAGO / United Archives)

Spätere Verfilmungen krankten bisweilen nicht zuletzt am Ensemble. Dies gilt vor allem für die Disney-Produktion „Die drei Musketiere“ (1993) in der Regie von Stephen Herek. Bei Chris O'Donnell, zuvor in „Der Duft der Frauen“ an der Seite von Al Pacino aufgefallen, stimmte zwar das Alter (23), er war dem romantischen Heldentyp aber gestisch und mimisch nicht gewachsen. Charlie Sheen (Aramis), Kiefer Sutherland (Athos) und Oliver Platt (Porthos) zählten seit Mitte der 1980er-Jahre zwar zu den vielversprechendsten Stars Hollywoods, wirkten als Mantel-und-Degen-Helden aber ebenso ungelenk wie fehl am Platz.


Frauengestalten zwischen Heiliger und Hure

Was die Gestaltung der weiblichen Charaktere rund um die Musketiere angeht, übernahmen das Medium Film und Hollywood zunächst dankend die von Dumas’ Roman gelieferte, aus dem Geist des 19. Jahrhunderts geborene Dichotomie in die Heilige (Constance) und die Hure (Lady de Winter). Vor allem George Sidney steigerte diese Stereotypen inszenatorisch auf drastische Weise. June Allyson als Constance wird explizit als Heilige ausgeleuchtet, ihre Liebe ist keusch und ihr Gesicht die pure Unschuld. Lana Turner, damals ein Superstar, gibt Lady de Winter dagegen als geheimnisvolle Femme fatale, einen Figurentyp, den sie zwei Jahre zuvor im Film-noir-Klassiker nach James M. Cains „Wenn der Postmann zweimal klingelt“, bereits zur Perfektion geführt hatte. Es war damals der Zenit des klassischen Hollywoodkinos, und das bedeutete auch, dass der Unterschied zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit klar markiert werden musste. Der Mann kämpft, die Frau liebt – und stirbt.

Bringt ihre "femme fatale"-Kompetenz aus dem Film noir den Musketier-Stoff: Lana Turner mit Gene Kelly (© IMAGO / Everett Collection)
"Femme fatale" im Musketier-Metier: Lana Turner mit Gene Kelly (© IMAGO / Everett Collection)

1973, zur Hochzeit des New Hollywood, hatte sich der Wind dann schon etwas gedreht: Richard Lester besetzt Lady de Winter mit Faye Dunaway und Constance mit Raquel Welch. Was für ein Besetzungscoup! Erstere war mit „Bonnie & Clyde“ (1967) berühmt geworden und stand 1973 auch für den Neo-Noir „Chinatown“ vor der Kamera. Sie verlieh Lady de Winter ein lustvolles, spielerisches Intrigieren. Raquel Welch, die damals als Sex-Symbol galt, eliminierte die Unschuld aus der Figur der Constance. Die Aufbruchsstimmung im US-Kino schlug sich auch in diesen Frauenfiguren wieder, die so weit, wie bei dem Stoff möglich, aus dem reinen „Love Interest“-Funktionskorsett ausscherten.

Die Verfilmung von 1993 konnte mit Rebecca De Mornay zwar mit einer Schauspielerin aufwarten, deren Qualitäten im bösen Fach zuvor in „Die Hand an der Wiege“ bewiesen wurden. Und auch Julie Delpy hatte bereits mit mehreren Rollen (z.B. „Hitlerjunge Salomon“) auf ihr Talent aufmerksam gemacht. Doch das Potential der Schauspielerinnen verlor sich in den Falten ihrer adretten Kostüme. Paul W.S. Anderson schließlich ließ Lady de Winter von „seinem“ Star Milla Jovovich spielen. Mit den „Resident-Evil“ Filmen war sie zuvor zu einer der großen Action-Darstellerinnen des neuen Filmjahrhunderts geworden, und genau diese Qualitäten trägt sie auch in ihre Rolle der Lady de Winter, die ihren Körper nicht mehr nur zur erotischen Überlistung der Männer, sondern zum akrobatischen Überwinden gefährlicher Hindernisse einzusetzen weiß. Mit Eva Green spielt jetzt eine hochkarätige und in düsteren Welten („Penny Dreadful“) erprobte Schauspielerin die geheimnisvolle Gräfin, und die Ambivalenz, mit der sie (genauso wie Vicky Krieps als Königin) diese Figur ausstattet, ist sehenswert.

Genüsslich biestig: Faye Dunaway als Lady de Winter mit Charlton Heston als Richelieu (© IMAGO / United Archives)
Faye Dunaway als Lady de Winter mit Charlton Heston als Richelieu (© IMAGO / United Archives)

Die Action

Neben Milla Jovovich gibt es noch eine weitere Schauspielerin, die sich zu den fechtenden Musketieren gesellt, doch halten wir zuerst fest, dass die Action lange Zeit unter Ausschluss der Frauenfiguren inszeniert wurde, womit man der literarischen Vorlage treu folgte. In den 1920er-Jahren fielen Frauenfiguren auch noch oft in Ohnmacht, was allerdings für Douglas Fairbanks keine Last darstellte: Er konnte mit der bewusstlosen Constance im einen Arm und dem Degen am Ende des anderen gegen alle Gegner bestehen. Womit wir bei der Action und den Kampfchoreografien der Musketier-Filme wären.

Ist der erste Film von 1921 noch recht statisch (wenngleich in den akrobatischen Einlagen von Fairbanks virtuos), so sieht man bei „Die eiserne Maske“ schon den enormen Schritt, den Kameraarbeit und Montage in diesen acht Jahren vollzogen hatten: Hier haben die Aufeinanderfolgen von Verfolgungsjagden und Fechtkämpfen bereits einen unglaublichen Drive. Bei George Sidney sind die Action-Sequenzen perfekt choreographiert, und alle Schauspieler, allen voran natürlich Gene Kelly, wirken beim Fechten erstaunlich glaubwürdig. Wie beim Musical fährt die Kamera vor dem Geschehen hin und her, um im Zusammenspiel mit der Montage herauszustellen, dass es Gene Kelly ist, dessen Akrobatik wir wie auf einer Bühne bewundern können.

Denen macht beim Fechten keiner was vor: Gene Kelly und Co. in Action (© IMAGO / Everett Collection)
Denen macht beim Fechten keiner was vor: Gene Kelly & Co. in Action (© IMAGO / Everett Collection)

Seinem typischen Stil im Umgang mit Genres folgend (siehe seine Beatles-Filme oder auch „Robin & Marian“ von 1976), betonte Richard Lester das Burleske an dem Stoff und ließ die Musketiere so ruppig kämpfen wie nie zuvor. Dabei setzte er vor allem auf eine originelle Komposition von Kampfchoreografien, Räumen und Requisiten. Für die Schauspieler hat das den Vorteil, dass sie gar nicht so tun müssen, als könnten sie wirklich fechten. Lester treibt die schon in früheren Filmen eingesetzte Praxis, dass die Figuren nicht nur den Degen führen, sondern auch allerhand Gegenstände nach den Gegnern werfen, auf die Spitze und lässt eine Sequenz gar mit viel Slapstick in einer Wäscherei spielen, wo Athos (deftig: Oliver Reed) mit nassen Lappen auf die Gegner einprügelt.

Paul W.S. Andersons 3D-Film von 2011 ist postklassisches Hybrid-Genrekino par excellence. Die Kampf-Sequenzen werden mit allerhand Spezialeffekten angereichert und – vergleichbar mit den „Pirates of the Caribbean“-Piratenfilmen – mit ahistorischen und fantastischen Elementen versetzt. So hat Buckingham eine Geheimwaffe, ein Luftschiff, nach Plänen Leonardo da Vincis, eine bizarre Mischung aus einem Zeppelin und einer darunter hängenden historischen Galeone. Im Verlauf der Handlung taucht ein weiteres Exemplar auf und es kommt zu einer grotesken Steampunk-Seeschlacht in der Luft: Die Wiedergeburt des Swashbuckler-Genres aus dem Geist der Effekt-Blockbuster.

Typische Mantel-und-Degen-Action trifft Effektkino: Der Film von 2011 (© Constantin)
Mantel-und-Degen-Action trifft Effektkino: Der Film von 2011 (© Constantin)

Die Politik der Musketiere

Erst mit Bertrand Taverniers „D’Artagnans Tochter“ (1994) war es einer Frau vergönnt, selbst mit dem Degen zu kämpfen. Sophie Marceau, damals kurz vor dem internationalen Durchbruch und durch ihre Zusammenarbeit mit Andrzej Żuławski als Schauspielerin geschätzt, spielte die Tochter des gealterten D’Artagnan, der von Philippe Noiret verkörpert wurde. Der Film wurde als ironische Hommage an das Mantel-und-Degen-Genre verstanden, ist aber mehr, weil es Sophie Marceau gelang, eine ebenso burschikose wie feminine Mantel-und-Degen-Heldin zu verkörpern, die bisweilen genauso rustikal mit dem Degen um sich schlug wie ihre männlichen Kollegen. Begonnen wird der Film zudem mit einer Verfolgungsjagd, wie sie noch in keinem Musketier-Film zu sehen war. Verfolgt von Weißen wie bei einer Tierjagd, wird ein schwarzer Sklave gehetzt. Es gibt, das klingt da an, noch eine andere – koloniale – Vergangenheit Frankreichs als die in Dumas’ Klassiker beschriebene, jenseits der Hofintrigen. Tavernier aktualisierte damit dezent den politischen Kontext des Abenteuerstoffs.

Sein Landsmann Martin Bourboulon forciert das nun in seiner aktuellen Neuverfilmung noch und macht sich zunutze, dass es im Musketier-Narrativ dezidiert um Macht und die Zersetzung eines Reiches von innen heraus geht. So sehr man die fehlende Leichtigkeit früherer filmischer Interpretationen des Klassikers hier vermissen mag, die politischen Implikationen, die hier anklingen, sind enorm und hochspannend. Die Instabilität des Staates, in dem die Musketiere agieren, ist so stark akzentuiert wie nie in der Geschichte der Adaptionen des Stoffes. Und es ist nicht schwer, die dramatischen (und teilweise im Roman nicht vorkommenden) Ereignisse als Spiegel der aktuellen instabilen Situation Frankreichs zu lesen.

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