Einer für alle, alle für einen! „Die drei Musketiere“ im Film
Mittwoch,
19.04.2023 14:12
Vom Stummfilmkino bis in die Gegenwart hält das Medium Film den Helden des Romanklassikers „Die drei Musketiere“ die Treue. An ihrer Filmgeschichte spiegelt sich der jeweilige „State of the Art“ des Abenteuerkinos
Mit „Die drei Musketiere – D’Artagnan“
kommt am 13. April eine Neuverfilmung des berühmten Abenteuerromans von
Alexandre Dumas (dem Älteren) in die Kinos und liefert nach vielen Jahren der
Abwesenheit wieder eine französische Interpretation des Klassikers. Wie Robin
Hood gehören auch die Musketiere zu den Heldenfiguren, die das Kino von Anfang
an „adoptiert“ und quer durch die Filmgeschichte lebendig gehalten hat; die zahlreichen
Adaptionen erzählen auch etwas über den jeweiligen Status quo des
Abenteuergenres. So stehen die Douglas-Fairbanks-Filme für die Stummfilmzeit,
George Sidneys Adaption von 1948 mit Gene Kelly als D’Artagnan für Ton und
Technicolor und Richard Lesters burleske Verfilmung für (revisionistische)
Neuformulierungen im Genrekino der 1970er-Jahre. Ein Streifzug durch die
Historie der legendären Helden des Mantel-und-Degen-Films.
Das Werk von Alexandre Dumas
umfasst einige der populärsten Erzählungen der Abenteuerliteratur. Seine
berühmtesten Heldenfiguren sind die im Frankreich des 17. Jahrhunderts
verorteten Musketiere und ihr junger Gefährte D’Artagnan. Am bekanntesten ist
der erste, 1844 erschienene Roman „Die drei Musketiere“. In kurzen Abständen
erschienen danach noch „Zwanzig Jahre später“ sowie „Der Vicomte von Bragelonne
oder Zehn Jahre später“, der auch als „Der Mann mit der eisernen Maske“ bekannt
geworden ist. Das am Ende des 19. Jahrhunderts entstehende Medium Film ließ
sich diesen vielgeliebten Stoff nicht entgehen: Schon früh entstanden
Stummfilme, die auf die Musketier-Motivwelt zurückgriffen (wie Georges Méliès’
„Les mousquetaires de la reine“ (1903); später wurden alle drei Bände verfilmt,
doch am häufigsten griff man auf den ersten Band zurück. So unverzichtbar sind
die Musketiere für die Populärkultur, dass sogar die Musikindustrie aufsprang.
Conny Froboess sang 1963 „Drei Musketiere, die ziehn um die Welt, für sie ist
das Leben ein Scherz“. Und in einem Kurzfilm der „Tom & Jerry“-Reihe
bekommt es Jerry als Mausketier mit der königlichen Wache Tom zu tun. Doch das
nur am Rande.
Was sich nach Dumas im Jahr 1625 am
französischen Königshof an Intrigen ereignet, hat historische Hintergründe, und
auch D’Artagnan und „Die drei Musketiere“ Athos, Porthos und Aramis basieren
auf historischen Vorbildern. Kardinal Richelieu, in den Romanen der große
Gegenspieler der Helden, war die wahre Macht im Staat; mit unersättlichem
Machthunger ausgestattet, intrigierte er gegen König und Königin und provoziert
einen Krieg gegen England. Dumas stellt ihm eine erfundene „Geheimwaffe“ zur
Seite, die Spionin Lady de Winter. Im Roman dauert es etwas, bis der Abenteuer-Plot
in die Gänge kommt; in den meisten Filmen wird er schnell etabliert: Richelieu
konstruiert eine Liaison der Königin mit dem Herzog von Buckingham, um so den
Krieg zu provozieren. D’Artagnan kommt diesem Komplott mit Hilfe von Constance,
der Kammerfrau der Königin, auf die Spur, und gemeinsam mit den drei
Musketieren kann er die Intrige zunächst abwehren. Zugleich gewinnt er das Herz
von Constance. Die gerät im weiteren Verlauf der Handlung – es kommt doch zum
Krieg gegen England – in Gefahr und wird letztlich von Lady de Winter getötet,
die dafür ebenfalls mit ihrem Leben bezahlen muss.
Seit den ersten Filmen mit Douglas
Fairbanks bis in die Gegenwart und Martin Bourboulons Neuverfilmung,
die am 13. April in die Kinos kommt, markierten die Adaptionen immer auch, wie
es ums Genre des Abenteuerfilms der jeweiligen Entstehungszeit bestellt ist:
Auf den ersten Blick kleine, aber bedeutungstragende Abweichungen von der
Vorlage verraten veränderte stilistische Möglichkeiten und Vorlieben (nicht
zuletzt in der Inszenierung von Action-Sequenzen) und sich wandelnde
Rollenbilder, nicht zuletzt Heldenideale und Frauenbilder.
Die Erzählung und ihre Variationen
Es ist erstaunlich, wie genau sich viele
Adaptionen an Dumas’ Erzählung bis zu dem Moment, wenn D’Artagnan und die
Musketiere Freunde werden, halten. Oft sind sogar Dialoge identisch aus dem
Roman übernommen. D’Artagnan verlässt sein Zuhause in der Gascogne, um in Paris
Musketier zu werden. Zuerst wird er in Meung-sur-Loire in einen Kampf
verwickelt, in dem der Plot vorbereitet wird. Kaum ist er in Paris angekommen, gerät
er in seinem jugendlichen Leichtsinn auch schon in Duelle mit den drei
Musketieren. Doch das erste Duell mit Athos wird vom Auftauchen feindlich
gesinnter Soldaten der Garde des Kardinals Richelieu gestört, denen die
Musketiere, nun mit D’Artagnan an ihrer Seite, entgegentreten – der Beginn
einer wunderbaren Freundschaft, die aber erst mit dem Start ihrer Mission im
Kampf gegen Richelieu zu der berühmten Formel „Einer für alle, alle für einen“
führt.
Die meisten Filme greifen auf diese mustergültige
Exposition zurück, etablieren aber oft früher den zentralen Konflikt, also die
Intrige. Dies gilt etwa für „Die drei Musketiere“ von Fred Niblo
1921, für den Douglas Fairbanks senior, Hollywoods Ikone des
frühen Abenteuergenres, als Hauptdarsteller auch das Drehbuch schrieb. In
Stephen Hereks „Die drei Musketiere“ von 1993 wird die gesamte
Garde des Königs gleich zu Beginn aufgelöst, was die drei Musketiere von Anfang
an zu Outlaws macht. In Paul W.S. Andersons Version von 2011 wird
mit einer sogenannten „Cold-Open“-Actionsequenz
begonnen, die mitten in die Handlung hineinspringt und die tragische Beziehung
zwischen Athos (Matthew Macfadyen) und Lady de Winter (Milla Jovovich) neu
darzustellen versucht, die bei Dumas und den meisten Filmen zur Backstory
gehört. In Bourboulons aktueller Neuverfilmung wird zunächst
stärker als bisher in der Filmgeschichte die politische Situation in Paris
herausgestellt, die Position des jungen Königs, Krieg um jeden Preis zu
verhindern.
Den gesamten Plot in zwei Episoden aufzusplitten,
ist eine weitere Erzählstrategie der Neuverfilmung (der zweite Teil kommt im
Dezember in die Kinos), mit der Bernard Borderie 1961 in einer französisch-italienischen Koproduktion begann. Auch Richard Lester griff 1973 und 1974 mit „Die drei Musketiere“ und „Die vier Musketiere – Die Rache der Mylady“
darauf zurück. Lester drehte mit „Die Rückkehr der Musketiere“
fünfzehn Jahre später sogar ein Sequel, indem er den zweiten Band von Dumas,
„Zwanzig Jahre später“, als Vorlage verwendete. Mit zwei Teilen und damit einer
größeren Laufzeit lässt sich der umfangreiche Roman gewiss originalgetreuer
erzählen. Umso beachtlicher, dass es Robert Ardreys Drehbuch zu der Adaption von
1948 gelang, den Stoff so zu verdichten, dass er mit zwei Stunden Laufzeit
auskommt und dabei sehr ausgewogen in Auswahl und Gewichtung der
Handlungsabfolgen vorgeht.
Lachende Helden, despotische Schurken
Der Musketier gilt zusammen mit Helden wie Robin
Hood und Zorro als jener Typ von Abenteurer, der im englischsprachigen Raum als
„Swashbuckler“ bekannt ist. Übersetzen lässt sich das sinngemäß vielleicht mit
Säbelrassler, Haudegen oder Draufgänger. Der Swashbuckler par excellence ist im
Mantel-und-Degen-Film zu Hause – ein lachender Heldentypus, der das Leben und
den Tod leichtnimmt. Zudem sind Swashbuckler Individualisten. Sie haben zwar
Gefährten und stehen füreinander ein („Einer für alle, alle für einen“), doch
kommt es im entscheidenden Moment auf sie an. Selbst wenn Swashbuckler, wie die
Musketiere, eigentlich Teil einer militärischen Truppe sind, rückt das
Soldatisch-Kollektive in den Hintergrund; inszenatorische Höhepunkte sind keine
epischen Schlachtenszenarien mit vielen Komparsen, sondern sorgfältig
choreografierte Duelle, bei denen es auf Stärke, Schnelligkeit und Gewandtheit
der Einzelnen ankommt. Meist sind sie zudem volksnahe Rebellen, die gegen
despotische (adlige) Potentaten antreten und ihre Mitbürger:innen und/oder einen
rechtmäßigen Herrscher/eine rechtmäßige Herrscherin gegen deren Machtgier
verteidigen. Beim „Vogelfreien“ Robin Hood ist dieses Rebellentum besonders
offensichtlich, aber auch bei den Musketieren und ihrem Kampf gegen Kardinal
Richelieu, der eigentlichen Macht im Staat von König Ludwig XIII., spielt es
eine Rolle.
Der Stoff wurde schon in den ersten Jahren
des 20. Jahrhunderts mehrfach verfilmt, der erste bedeutende Interpret der
Stummfilmzeit war jedoch Douglas Fairbanks. Der Star, der von
sich selbst gesagt haben soll, Lachen sei für ihn eine physische Notwendigkeit,
wurde im Kino zum Prototypen des lachenden Abenteurers. Neben Fred Niblos Verfilmung von 1921 baute auch „Die eiserne Maske“ von Allan Dwan
1929 auf sein Charisma in der Hauptrolle. Die Adaption des dritten Bandes von
Dumas war der letzte Stummfilm mit Douglas Fairbanks und markierte den Übergang
zum Tonfilm. Alle Musketiere, auch D’Artagnan, kommen darin ums Leben, etwas
anders als im Roman, in dem Aramis überlebt. Mit seiner Akrobatik und
Schlitzohrigkeit wie auch seinen Qualitäten als romantischer Liebhaber definierte
Fairbanks den Figurtypus für den Film, wenngleich er damals schon fast vierzig
Jahre alt und damit eigentlich zu alt für die Figur des jugendlichen D’Artagnan
war.
Blütezeit der Swashbuckler
Auch Gene Kelly hatte 1948
die Dreißig schon weit überschritten, als er in die Rolle des D’Artagnan
schlüpfte. Dennoch gelang ihm der jugendliche Draufgänger erstaunlich gut, wozu
sein athletischer Tanzstil und seine choreographischen Qualitäten entscheidend
beitrugen. Er war ebenso bekannt für Musicals wie der Regisseur George Sidney.
Dessen Musketier-Version treibt die Ausstattung und die Kostüme
zu Technicolor-Exzessen und erzeugt eine perfekte Hollywood-Illusion, in der
das Overacting von Gene Kelly bestens aufgehoben ist: Er ist der perfekte
Draufgänger und romantische Held, dessen Gefühle für Constance ebenso rein wie
seine Neugier auf Lady de Winter naiv sind. Mit dem dämonisch auftretenden Vincent Price als Richelieu hatte er einen genialen Widersacher.
Während in Hollywood, befeuert von Filmen
wie diesem, in den späten 1940er- bis in die 1960er-Jahre das
Swashbuckler-Genre, befeuert vom Siegeszug des Farbfilms, eine seiner
Blütezeiten erlebte, hatte man auch in Frankreich die Musketiere nicht
vergessen. Dort gab es in den 1950er- und 1960er-Jahren neben dem großen
Mantel-und-Degen-Klassiker „Fanfan, der Husar“, der frei in den
Fußstapfen der Musketier-Motivwelt tänzelte, mehrere explizite Dumas-Verfilmungen,
etwa von André Hunebelle (1953), von dem auch die Fantômas-Filme
mit Louis de Funès stammen, und von Bernard Borderie, der auch die
„Angélique“-Filme inszenierte. Der dynamisch auftretende Gérard Barray,
damals ein Mantel-und-Degen-Star im französischen Kino (als Korsar Robert Surcouf
etwa), überzeugte als D’Artagnan dabei ebenso wie die Farbdramaturgie und die
beeindruckenden Sets. Daran knüpft auch der französische Schauspieler François Civil an, dem in der aktuellen Verfilmung ebenfalls eine überzeugende Darbietung
sowohl als kämpfender wie auch als romantischer Held gelingt.
In den 1970er-Jahren wurde die Luft
allmählich dünner für die lachenden Helden des klassischen
Swashbuckler-Abenteuerkinos; die Zeit eines anderen Typus, des modernen
Actionhelden, kündigte sich an. Eine späte Hommage an das Genre lieferte
Richard Lester mit seinem „Die drei Musketiere“ mit dem britischen Jungstar Michael York als D’Artagnan. Die Eleganz und Leichtherzigkeit der Klassiker
nimmt hier allerdings eine Wendung ins Parodistische. D’Artagnans ungestümes
Verhalten lässt ihn so tölpelhaft erscheinen, wie es ihm von Rochefort (Christopher Lee), dem Hauptmann der Kardinalswache von Richelieu, vorgeworfen wird.
Das Heldenepos wird nicht mehr so ganz ernstgenommen und die Situationskomik
bis an die Grenze zum Klamauk einsetzt. Christopher Lee als Rochefort erschien wie eine späte Reminiszenz an Vincent Price, war Lee doch
ebenfalls durch Horrorfilme, in der Rolle des Grafen Dracula, legendär
geworden.
Spätere Verfilmungen krankten bisweilen nicht
zuletzt am Ensemble. Dies gilt vor allem für die Disney-Produktion „Die drei Musketiere“ (1993) in der Regie von Stephen Herek. Bei Chris O'Donnell, zuvor in „Der Duft der Frauen“ an der Seite von Al Pacino
aufgefallen, stimmte zwar das Alter (23), er war dem romantischen Heldentyp
aber gestisch und mimisch nicht gewachsen. Charlie Sheen
(Aramis), Kiefer Sutherland (Athos) und Oliver Platt
(Porthos) zählten seit Mitte der 1980er-Jahre zwar zu den vielversprechendsten
Stars Hollywoods, wirkten als Mantel-und-Degen-Helden aber ebenso ungelenk wie
fehl am Platz.
Frauengestalten zwischen Heiliger und Hure
Was die Gestaltung der weiblichen
Charaktere rund um die Musketiere angeht, übernahmen das Medium Film und
Hollywood zunächst dankend die von Dumas’ Roman gelieferte, aus dem Geist des
19. Jahrhunderts geborene Dichotomie in die Heilige (Constance) und die Hure
(Lady de Winter). Vor allem George Sidney steigerte diese
Stereotypen inszenatorisch auf drastische Weise. June Allyson als
Constance wird explizit als Heilige ausgeleuchtet, ihre Liebe ist keusch und
ihr Gesicht die pure Unschuld. Lana Turner, damals ein Superstar,
gibt Lady de Winter dagegen als geheimnisvolle Femme fatale, einen Figurentyp, den sie zwei Jahre zuvor im
Film-noir-Klassiker nach James M. Cains „Wenn der Postmann zweimal klingelt“,
bereits zur Perfektion geführt hatte. Es war damals der Zenit des klassischen
Hollywoodkinos, und das bedeutete auch, dass der Unterschied zwischen Männlichkeit
und Weiblichkeit klar markiert werden musste. Der Mann kämpft, die Frau liebt –
und stirbt.
1973, zur Hochzeit des New Hollywood, hatte
sich der Wind dann schon etwas gedreht: Richard Lester besetzt
Lady de Winter mit Faye Dunaway und Constance mit Raquel Welch. Was für ein Besetzungscoup! Erstere war mit „Bonnie & Clyde“
(1967) berühmt geworden und stand 1973 auch für den Neo-Noir „Chinatown“ vor
der Kamera. Sie verlieh Lady de Winter ein lustvolles, spielerisches
Intrigieren. Raquel Welch, die damals als Sex-Symbol galt, eliminierte die
Unschuld aus der Figur der Constance. Die Aufbruchsstimmung im US-Kino schlug
sich auch in diesen Frauenfiguren wieder, die so weit, wie bei dem Stoff
möglich, aus dem reinen „Love Interest“-Funktionskorsett ausscherten.
Die Verfilmung von 1993 konnte mit Rebecca De Mornay zwar mit einer Schauspielerin aufwarten, deren Qualitäten im
bösen Fach zuvor in „Die Hand an der Wiege“ bewiesen wurden. Und auch Julie Delpy hatte bereits mit mehreren Rollen (z.B. „Hitlerjunge Salomon“)
auf ihr Talent aufmerksam gemacht. Doch das Potential der Schauspielerinnen
verlor sich in den Falten ihrer adretten Kostüme. Paul W.S. Anderson
schließlich ließ Lady de Winter von „seinem“ Star Milla Jovovich
spielen. Mit den „Resident-Evil“ Filmen war sie zuvor zu einer der großen
Action-Darstellerinnen des neuen Filmjahrhunderts geworden, und genau diese
Qualitäten trägt sie auch in ihre Rolle der Lady de Winter, die ihren Körper
nicht mehr nur zur erotischen Überlistung der Männer, sondern zum akrobatischen
Überwinden gefährlicher Hindernisse einzusetzen weiß. Mit Eva Green
spielt jetzt eine hochkarätige und in düsteren Welten („Penny Dreadful“)
erprobte Schauspielerin die geheimnisvolle Gräfin, und die Ambivalenz, mit der
sie (genauso wie Vicky Krieps als Königin) diese Figur
ausstattet, ist sehenswert.
Neben Milla Jovovich gibt es noch eine
weitere Schauspielerin, die sich zu den fechtenden Musketieren gesellt, doch
halten wir zuerst fest, dass die Action lange Zeit unter Ausschluss der
Frauenfiguren inszeniert wurde, womit man der literarischen Vorlage treu
folgte. In den 1920er-Jahren fielen Frauenfiguren auch noch oft in Ohnmacht,
was allerdings für Douglas Fairbanks keine Last darstellte: Er konnte mit der bewusstlosen
Constance im einen Arm und dem Degen am Ende des anderen gegen alle Gegner
bestehen. Womit wir bei der Action und den
Kampfchoreografien der Musketier-Filme wären.
Ist der erste Film von 1921 noch recht
statisch (wenngleich in den akrobatischen Einlagen von Fairbanks virtuos), so
sieht man bei „Die eiserne Maske“ schon den enormen Schritt, den
Kameraarbeit und Montage in diesen acht Jahren vollzogen hatten: Hier haben die
Aufeinanderfolgen von Verfolgungsjagden und Fechtkämpfen bereits einen unglaublichen
Drive. Bei George Sidney sind die Action-Sequenzen perfekt
choreographiert, und alle Schauspieler, allen voran natürlich Gene Kelly,
wirken beim Fechten erstaunlich glaubwürdig. Wie beim Musical fährt die Kamera
vor dem Geschehen hin und her, um im Zusammenspiel mit der Montage
herauszustellen, dass es Gene Kelly ist, dessen Akrobatik wir wie auf einer
Bühne bewundern können.
Seinem typischen Stil im Umgang mit Genres
folgend (siehe seine Beatles-Filme oder auch „Robin & Marian“ von 1976),
betonte Richard Lester das Burleske an dem Stoff und ließ die
Musketiere so ruppig kämpfen wie nie zuvor. Dabei setzte er vor allem auf eine
originelle Komposition von Kampfchoreografien, Räumen und Requisiten. Für die Schauspieler
hat das den Vorteil, dass sie gar nicht so tun müssen, als könnten sie wirklich
fechten. Lester treibt die schon in früheren Filmen eingesetzte Praxis, dass
die Figuren nicht nur den Degen führen, sondern auch allerhand Gegenstände nach
den Gegnern werfen, auf die Spitze und lässt eine Sequenz gar mit viel
Slapstick in einer Wäscherei spielen, wo Athos (deftig: Oliver Reed)
mit nassen Lappen auf die Gegner einprügelt.
Paul W.S. Andersons 3D-Film von 2011 ist
postklassisches Hybrid-Genrekino par excellence. Die Kampf-Sequenzen werden mit
allerhand Spezialeffekten angereichert und – vergleichbar mit den „Pirates of
the Caribbean“-Piratenfilmen – mit ahistorischen und fantastischen Elementen
versetzt. So hat Buckingham eine Geheimwaffe, ein Luftschiff, nach Plänen
Leonardo da Vincis, eine bizarre Mischung aus einem Zeppelin und einer darunter
hängenden historischen Galeone. Im Verlauf der Handlung taucht ein weiteres
Exemplar auf und es kommt zu einer grotesken Steampunk-Seeschlacht in der Luft:
Die Wiedergeburt des Swashbuckler-Genres aus dem Geist der Effekt-Blockbuster.
Erst mit Bertrand Taverniers „D’Artagnans Tochter“ (1994) war es einer Frau vergönnt, selbst mit dem Degen zu
kämpfen. Sophie Marceau, damals kurz vor dem internationalen
Durchbruch und durch ihre Zusammenarbeit mit Andrzej Żuławski als
Schauspielerin geschätzt, spielte die Tochter des gealterten D’Artagnan, der
von Philippe Noiret verkörpert wurde. Der Film wurde als
ironische Hommage an das Mantel-und-Degen-Genre verstanden, ist aber mehr, weil
es Sophie Marceau gelang, eine ebenso burschikose wie feminine
Mantel-und-Degen-Heldin zu verkörpern, die bisweilen genauso rustikal mit dem
Degen um sich schlug wie ihre männlichen Kollegen. Begonnen wird der Film
zudem mit einer Verfolgungsjagd, wie sie noch in keinem Musketier-Film zu sehen
war. Verfolgt von Weißen wie bei einer Tierjagd, wird ein schwarzer Sklave
gehetzt. Es gibt, das klingt da an, noch eine andere – koloniale – Vergangenheit
Frankreichs als die in Dumas’ Klassiker beschriebene, jenseits der Hofintrigen.
Tavernier aktualisierte damit dezent den politischen Kontext des
Abenteuerstoffs.
Sein Landsmann Martin Bourboulon forciert
das nun in seiner aktuellen Neuverfilmung noch und macht sich
zunutze, dass es im Musketier-Narrativ dezidiert um Macht und die Zersetzung
eines Reiches von innen heraus geht. So sehr man die fehlende Leichtigkeit
früherer filmischer Interpretationen des Klassikers hier vermissen mag, die
politischen Implikationen, die hier anklingen, sind enorm und hochspannend. Die
Instabilität des Staates, in dem die Musketiere agieren, ist so stark
akzentuiert wie nie in der Geschichte der Adaptionen des Stoffes. Und es ist
nicht schwer, die dramatischen (und teilweise im Roman nicht vorkommenden)
Ereignisse als Spiegel der aktuellen instabilen Situation Frankreichs zu lesen.