© IMAGO / Picturelux (Brendan Fraser bei den "Oscars" 2023)

Schon immer cool - Brendan Fraser & sein Comeback mit „The Whale“

Der Schauspieler Brendan Fraser erlebt mit „The Whale“ ein strahlendes Comeback

Veröffentlicht am
22. Mai 2023
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Neben Brad Pitt und Leonardo DiCaprio war Brendan Fraser in den 1990ern und frühen 2000er-Jahren einer der Hollywoodstars, an denen man im Kino kaum vorbeikam. Nach einer längeren Phase, in der er kaum noch auf der großen Leinwand zu sehen war, erlebt er nun mit Darren Aronofskys „The Whale“ ein glanzvolles Comeback. Eine Hommage an einen Schauspieler, dessen unprätentiöse Bodenständigkeit selbst verrückte Abenteuer wie „Die Mumie“ erden konnte.


Dieses Comeback hätte Hollywood sich kaum schöner ausdenken können: Der amerikanisch-kanadische Schauspieler Brendan Fraser erhielt nach über einem Jahrzehnt abseits des Rampenlichts 2022 stehende Ovationen bei den Filmfestspielen von Venedig. Kurz nach der Weltpremiere des Films „The Whale“ Anfang September machten verwackelte Handyvideos online die Runde – beinahe erschrocken sitzt da ein sichtlich ergriffener Fraser in seinem Kinosessel. Er erhebt sich nur zögerlich angesichts des Jubelsturms, den ihm das Publikum entgegenbringt, Tränen laufen ihm über die Wangen, und Regisseur Darren Aronofsky klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter.

Ein gutes halbes Jahr später stand der 54-Jährige ähnlich gerührt auf der Bühne der 95. „Oscar“-Verleihung – er erhielt den Preis als bester Schauspieler und schien immer noch nicht glauben zu können, was ihm gerade widerfahren ist.

Diese Ungläubigkeit eines Mannes, der die Welt zum ersten Mal sieht: Sie hat Fraser knapp 30 Jahre zuvor zu einem der gefragtesten Jungstars gemacht - und wurde zu seinem Markenzeichen. So unterschiedlich die Genres sind, in denen er mitwirkte, diese Eigenschaft verbindet viele der Figuren, die er über die Jahre spielte: den Höhlenmenschen Link, der in der Komödie „Steinzeit Junior“ (1992) wieder auftaut und mit zwei Teenagern durch die Welt der 1990er-Jahre skatet, Adam in der romantischen Komödie „Eve und der letzte Gentleman“ (1999), der in den 1950er-Jahren als Baby mit seinen Eltern in einen Atombunker zog und erst über 30 Jahre später wieder in die reale Welt zurückkehrt, aber auch seine wohl bekannteste Rolle, der Soldat und Draufgänger Richard O’Connell in der „Die Mumie“-Trilogie (1999 bis 2008), der ohne jegliche archäologische Vorkenntnisse in Ägypten von Abenteuer zu Abenteuer stolpert. Fraser erzählt heute noch im Interview von diesem Überraschungshit, weil der gesamten Filmcrew vor Veröffentlichung des ersten Teils nicht ganz klar war, ob der Film wohl eine Komödie, ein Abenteuer- oder ein Actionfilm sein würde – letztlich wurde er eine Kreuzung aus allen drei Genres.

Zwei 1990er-Ikonen: Brendan Fraser mit Alicia Silverstone in "Eve und der letzte Gentleman" (© IMAGO / Everett Collection)
Zwei 1990er-Ikonen: Brendan Fraser mit Alicia Silverstone in "Eve und der letzte Gentleman" (© IMAGO / Everett Collection)

Blockbuster-Gesicht der 1990er-Jahre

Wer Ende der 1990er-Jahre mit welchem Geschmack auch immer ins Kino ging, kam an Brendan Fraser schwerlich vorbei, denn er war sowohl amtlicher Komödienclown, Abenteuerfilmstar als auch Teenieschwarm und schreckte selbst vor überzeichneten Cartoon-Verfilmungen wie „George –Der aus dem Dschungel kam“ (1997) oder „Looney Tunes – Back in Action“ (2003) nicht zurück. Von sich selbst sagt Fraser allerdings verschmitzt, dass er die am wenigsten lustige Person sei, die er kenne. Komödie zu spielen sei aber ja zum Glück das Gegenteil von Komödie, und er versuche, seinen Figuren immer einen menschlichen Kern zu geben, egal wie tollpatschig oder blauäugig sie durch die Welt stolperten.

Das merkt man vor allem seinen extremen Rollen wie der überzeichneten Tarzan-Figur George oder dem Steinzeit-Menschen Link an – die Rolle sollte ihn 1992 schlagartig zum Superstar machen –, die in der modernen Zivilisation zwar kindlich-naiv wirken, jedoch vom Wunsch nach Zugehörigkeit angetrieben werden und so eine Brücke zwischen ihrer eigenen Lebensweise und der modernen Gesellschaft schlagen.

Beefcake-Body mit kindlicher Seele: "George -Der aus dem Dschungel kam" (IMAGO / Everett Collection)
Beefcake-Body mit kindlicher Seele: "George - Der aus dem Dschungel kam" (© IMAGO / Everett Collection)

Dieses Bedürfnis nach Zugehörigkeit, so Fraser, sei schon der Antrieb für seine erste Kinorolle gewesen: In „Der Außenseiter“ (1992) spielt er den jüdischen Arbeitersohn David Greene, der mithilfe eines Sportstipendiums an einer Eliteschule aufgenommen wird, von seinen Mitschülern jedoch wegen seiner Herkunft gemobbt wird. Fraser berichtet auch heute noch mit glänzenden Augen von den Dreharbeiten – der Film war nicht nur für ihn Sprungbrett, sondern auch für seine Kollegen Matt Damon, Ben Affleck und Chris O’Donnell. Seinen Screen-Test habe er mit Matt Damon gehabt und sei überzeugt davon, dass er nur wegen diesem die Rolle bekommen habe: Er selbst habe vorher nur auf Theaterbühnen gestanden und sei es gewohnt gewesen, dick aufzutragen, um auch die letzte Zuschauerreihe noch zu erreichen – und habe sich gefragt, wie er wohl für eine Kamera auftreten müsse. Dank Matt Damons großartigem Spiel habe er lediglich zuhören und reagieren müssen und dennoch seien alle notwendigen Emotionen rübergekommen.


Der bodenständige Bruder der Megastars

Frasers Können hängt natürlich nicht nur von seinen Schauspielpartnern und -partnerinnen ab, sonst wäre er nicht seit über 30 Jahren im Geschäft. Gerade bei den leiseren, kleineren Dramen, die er über die Jahre gedreht hat, bekommt man beinahe den Eindruck, dass er es ist, der sein Gegenüber strahlen lässt: Etwa wenn er Ian McKellen als James Whale in „Gods and Monsters“ (1998) kennenlernt, den politisch engagierten Michael Caine in der Graham-Greene-Verfilmung „Der stille Amerikaner“ (2002) mit seinem Versteckspiel bis aufs Blut reizt oder die verängstigte und in Vorurteilen verhaftete Sandra Bullock in dem nicht unumstrittenen „L.A. Crash“ (2005) erdet.

Hört man ihn heute über seine Karriere sprechen, erzählt er die meiste Zeit von den Kollegen und Kolleginnen, mit denen er die Filme gemacht hat. Sicherlich sind Bescheidenheit und Kollegialität wichtige Soft-Skills, mit denen er sich im schnelllebigen und unverbindlichen Hollywood eine eigene Nische schuf. Schon zu Beginn seiner Karriere wirkte er wie der bodenständige Bruder von Megastars wie Leonardo DiCaprio und Brad Pitt.

Kollegialität gehört von Anfang an zu Frasers Tugenden. Hier mit Matt Damon in "Der Außenseiter" (© IMAGO / Everett Collection)
Kollegialität gehört von Anfang an zu Frasers Tugenden. Hier mit Matt Damon in "Der Außenseiter" (© IMAGO / Everett Collection)

In seinen Rollen kommt diese innere Distanz oft in einer leichten Prise Selbstironie zum Vorschein, was auch einer der Gründe für den Überraschungserfolg des ersten „Die Mumie“-Films war – der Held Rick O’Connell ist zwar ein ernsthafter Abenteurer, hat jedoch genügend Abstand zu den teils hanebüchenen Ereignissen um Grabräuber und Kolonialansprüche, um zunächst mit den Augen zu rollen und schließlich das moralisch Richtige zu tun.

Fraser selbst sieht zudem den Reiz des etwas trashigen Images, das die Trilogie weiterhin hat: Er berichtet gerne von den CGI-Künstlern, die für den zweiten Teil der Reihe den Scorpion King animierten und bei der Premiere etwas bedröppelt dreinschauten, als er ihnen zu ihrer Arbeit gratulierte – sie hätten mehr Zeit gebraucht, um das wirklich gut zu machen. Fraser jedoch feiert die Computerspiel-Ästhetik der Figur und ist überzeugt davon, dass der Charme der Filme gerade in ihrer Unperfektheit liegt.


Aus den Augen, aus dem Sinn

Dass die Filme ein Hit wurden, liegt sicherlich obendrein daran, dass Fraser einen Großteil seiner Stunts selbst machte. Bereits bei seiner ersten Filmrolle als Marine in dem hübschen Indie-Film „Dogfight“ mit River Phoenix und Lili Taylor wurde er in einer Prügelszene in einen Flipperautomaten geworfen – und bekam dafür 50 Dollar extra. Seither sei eines seiner Markenzeichen, dass er gegen Dinge geschleudert werde, lacht Fraser achselzuckend. Solch körperlich anstrengende Rollen gehen natürlich auch am fittesten Darsteller nicht spurlos vorüber: Der letzte Teil der Trilogie, „Das Grabmal des Drachenkaisers“ (2003) sei für ihn ein Schlüsselmoment gewesen, so Fraser. Eine Vielzahl von Verletzungen und Operationen hätten sich über die Jahre akkumuliert, und er habe schließlich einsehen müssen, dass sein Credo nicht mehr „work hard“, sondern „work smart“ sein müsse. Ob er trotzdem einen vierten Teil drehen würde? „Na klar, macht ihr Witze? Das hat so viel Spaß gemacht!“

Verlangte Fraser einben hohen körperlichen Preis ab: Das "Die Mumie"-Franchise (© IMAGO / Everett Collection)
Verlangte Fraser einen hohen körperlichen Preis ab: Das "Die Mumie"-Franchise (© IMAGO / Everett Collection)

Ein vierter Teil rückte für Fraser jedoch Mitte der 2000er-Jahre in unerreichbare Ferne. Regelrecht schlagartig und ohne großes Aufheben verschwand er wortwörtlich von der Bildfläche. Auf den großen Kinoplakaten war er nicht mehr vertreten, sondern tauchte nur noch in kleinen Nebenrollen oder mittelmäßigen Serienproduktionen auf – etwa als Elvis-Imitator in „The Pawn Shop Chronicles“ (2013), als Tech-Milliardär in „The Professionals – Gefahr ist ihr Geschäft“ (2020) oder als CIA-Agent in „Condor“ (2018-2020), in denen er gewohnt nuancierte Leistungen abrief, die aber natürlich höchstens mittelmäßige Drehbücher auch nicht zu Meisterwerken machen konnten.

Zu seinen Verletzungen kamen eine Scheidung und später Geldsorgen, da er aufgrund der ausbleibenden Rollen die sehr hohen, weil an seinen früheren Honoraren bemessenen Unterhaltszahlungen für seine drei Söhne nicht mehr leisten konnte. Nach außen wirkte das alles wie ein tragischer Absturz, und selbst die eingefleischtesten Fraser-Fans mussten zugeben, dass er schneller als gedacht aus den Augen und somit aus dem Sinn war. Doch der Journalist Zach Baron fragte 2018 einfach nach: Wie viele Filmfans der 1990er-Jahre war Fraser eines der Kinogesichter seiner Jugend gewesen, und er konnte nicht glauben, dass ein nach außen so umgänglicher Darsteller einfach verschwinden konnte. Zögerlich erzählte Fraser dem Journalisten von einem sexuellen Übergriff durch den damaligen Chef der Hollywood Foreign Press Association 2003 – der ihn in ein depressives Loch gestoßen hatte. Die HFPA vergibt jährlich die „Golden Globes“, den Gratmesser für die „Oscar“-Saison, ist also eine der mächtigsten Institutionen Hollywoods.


Spiele jede Rolle, als sei sie deine letzte

Fraser erzählt in Interviews oft, dass sein Kindheitstraum immer gewesen sei, von der Schauspielerei zu leben. Er hatte es bis zu seinem Bruch mit Hollywood länger als die meisten geschafft. Ian McKellen habe ihm mal gesagt, er solle jede Rolle so spielen, als sei es das letzte Mal – ein Rat, den er sich seither zu Herzen genommen habe. Die mittelmäßigen Rollen der frühen 2010er-Jahre hielten ihn über Wasser, seine Nebenrolle als Gefängniswärter in der dritten Staffel der Serie „The Affair“ ließ Fans wie Kritiker wieder aufhorchen; plötzlich kamen wieder Interview- und Rollenanfragen herein. Kurz darauf klopfte Darren Aronofsky an, der bereits Mickey Rourke mit „The Wrestler – Ruhm, Liebe, Schmerz“ (2008) zu einem fulminanten Comeback verholfen hatte. Erst als er mit Fraser gesprochen hatte, habe er wieder daran geglaubt, die Theateradaption realisieren zu können.

Man kann verstehen, weshalb Fraser die Rolle angenommen hat, die er nun in „The Whale“ spielt: Der sanftmütige Lehrer Charlie ist ähnlich wie Fraser von einem Schicksalsschlag an den Rand der Gesellschaft gespült worden. Er hat seine emotionalen Probleme mit Essen betäubt – zu Beginn des Films ist er so übergewichtig, dass er seine Wohnung nicht mehr verlassen kann und will. Literaturkurse gibt er nur noch online und lässt dabei die Webcam konsequent aus. Sein Herz versagt langsam, sich selbst hat Charlie schon lange aufgegeben. Lediglich der Besuch seiner entfremdeten Teenie-Tochter Ellie lässt ihn nochmal Hoffnung schöpfen. Fraser spielt den Lehrer in einem Fatsuit, der ihn nahezu unbeweglich macht – auch hier ist es wieder sein neugieriger und dennochresignierter Blick, den er zum Zentrum seiner Leistung macht und mit nuancierten Schwankungen in Charlies Stimme unterfüttert. In Interviews sprichter lieber über seine Liebe zum Geschichtenerzählen und darüber, wie er beim Drehimmer wieder den Faden verlor, weil Sadie Sink die unterdrückte Wut der Tochter Ellie so einnehmend gespielt habe.

Arbeitet durch das fatsuit die seelischen Wunden seiner Figur heraus: Fraser in "The Whale" (© A24/Protozoa Pict.)
Arbeitet durch den Fatsuit die seelischen Wunden seiner Figur heraus: Fraser in "The Whale" (© A24/Protozoa Pict.)

Brendan Frasers Comeback wirkt wie das perfekte Hollywood-Märchen, denn es handelt von der Möglichkeit, auch schlimmste Krisen überwinden zu können, wenn man einfach an sich selbst glaubt. Der eigentliche Kniff seiner Story ist vermutlich, dass Fraser nicht trotz seines früheren Starruhms bescheiden und auf dem Boden geblieben ist, sondern gerade deshalb so weit gekommen ist und die Krisen des vergangenen Jahrzehnts hat ausstehen können. Fraser hat sich in diesem Sinne neu erfunden, indem er sich selbst treu geblieben ist – 2023 schwänzte er letztlich die Verleihung der „Golden Globes“, obwohl er als bester Darsteller für „The Whale“ nominiert war. „Meine Mutter hat keinen Heuchler großgezogen,“ kommentierte er bestimmt und dennoch gelassen. Sein Image als bescheidener und geerdeter Superstar ist damit vermutlich festgeschrieben – irgendwo zwischen der menschlichen Authentizität eines Keanu Reeves und dem augenzwinkernden Daddy-Image, das Pedro Pascal seit kurzem zugeschrieben wird. Zwei von Frasers Söhnen, Holden und Leland, begleiteten ihn auf den Roten Teppich der „Oscar“-Verleihung 2023 und erzählten verschmitzt seine hartnäckigsten Dad-Jokes – „Du magst keinen Brokkoli? Aber der Brokkoli mag dich!“ –, um sichtlich stolz zu bestätigen: „Er ist unser alter Herr und dafür werden wir ihn immer hänseln, aber er war schon immer cool.“

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