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Serie: Andor - Staffel 2

Die „Star Wars“-Serie rund um den Werdegang des Rebellen Cassian Andor legt auch in ihrer zweiten und finalen Staffel die Basis für „Eine neue Hoffnung“, erzählt aber vor allem vom Grauen diktatorischer Gewalt und entwickelt dabei beklemmende Rückkopplungen zur Realität.

Veröffentlicht am
15.05.2025 - 10:02:24
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„Es herrscht Bürgerkrieg. Die Rebellen, deren Raumschiffe von einem geheimen Stützpunkt aus angreifen, haben ihren ersten Sieg gegen das böse galaktische Imperium errungen“: So hieß es einst 1977 im Intro von „Krieg der Sterne“ („Star Wars: Eine neue Hoffnung“). George Lucas machte daraus die Basis für ein Weltraummärchen nach Muster der archetypischen „Heldenreise“, inklusive des fantastischen Wirkens einer höheren „Macht“ („Force“), Erlöser-Figur und Superschurken. Seitdem ist aus „Star Wars“ ein ganzer Erzählkosmos geworden, der immer wieder neue Welten, Kreaturen und Abenteuer gebiert. Purer Eskapismus? Nicht ganz. Auch „vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“ kann einen die Wirklichkeit einholen.

Schon der Film „Rogue One: A Stars Wars Story“ (2016), der die Vorgeschichte zu „Krieg der Sterne“ aufrollte und davon erzählte, wie der im Intro erwähnte „erste Sieg“ der Rebellen zustande kommt, hielt dem märchenhaften Tonfall, den das Gros des Franchises bis hin zu „Skeleton Crew“ zelebriert, eine realitätsnähere Herangehensweise entgegen. Das Drehbuch von Tony Gilroy und Chris Weitz begriff den Space-Opera-Stoff primär als antikolonialistisches Kriegsdrama; statt fürs Mythische interessierte es sich konkret für imperiale Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismen auf der einen Seite und die politisch-militärische Herausforderung für die Rebellen auf der anderen Seite, als pluralistisch aufgebaute Gruppe der Effizienz einer straff organisierten Diktatur etwas entgegenzusetzen.

Bitteres Polit-Epos mit Rückkopplung an den realen Imperialismus

Mit der Serie „Andor“, die wiederum die Vorgeschichte zu „Rogue One“ erzählt und deren erste Staffel 2022 startete, setzt Serienschöpfer Tony Gilroy diesen Pfad nicht nur fort. Er erweitert ihn dank der Spielräume des seriellen Erzählens zu einem Polit-Epos, das voll Bitterkeit auf den mit wachsender Schamlosigkeit ausgelebten neuen Imperialismus der Großmächte auf der realen weltpolitischen Bühne zu reagieren scheint. Wenn sich nun in der zweiten und letzten Staffel, die seit 23. April 2025 bei Disney+ läuft und am 14.5. im Finale gipfelt, das Volk eines Planeten namens Ghorman verzweifelt dagegen zu wehren versucht, von den Schergen des Imperiums mittels einer Mischung aus Propaganda und militärischer Gewalt von der galaktischen Landkarte getilgt zu werden, denkt man automatisch an die Ukraine. Und wenn eine Politikerin in einer Rede vorm Senat in Coruscant verzweifelt anmahnt, dass „der Tod der Wahrheit der ultimative Sieg des Bösen“ sei und das diejenigen, die den Blick auf die Realität verlieren, zum Spielball werden für „das Monster, das am lautesten schreit“, scheint das direkt in Richtung Donald Trump gesprochen.

Held:innen mit Brüchen und Zweifeln

Dabei ist der rote Faden in „Andor“ einmal mehr im Kern eine „Heldenreise“: Es geht um die Entwicklung der Figur Cassian Andor (Diego Luna) vom aufsässigen Underdog, der sich zu Beginn von Staffel 1 mit Diebereien und Schwarzmarkthandel durchschlägt, zu dem opferbereiten Rebellen, der in „Rogue One“ eine zentrale Rolle dabei spielen wird, bei der Schlacht von Scarif die Baupläne des imperialen Todessterns zu erbeuten. Diese Entwicklung verläuft in der Serie indes keineswegs nach dem archetypischen Muster, das George Lucas „Krieg der Sterne“ zugrunde legte, sondern geht immer wieder mit Brüchen und Rückschlägen einher und wird überschattet von Zweifeln und Ermüdungserscheinungen. Und wird verzahnt mit den Schicksalen zahlreicher anderer Figuren.

Neben Cassian Andor, in dem während seiner Erlebnisse in der ersten Staffel aus dem Groll gegen die Repressionen des Imperiums langsam ein politisches Bewusstsein erwächst, und seiner Freundin und Mitstreiterin Bix (Adria Arjona) ist das vor allem der von Stellan Skarsgård gespielte Luthen Rael. Unter dem „Nom de guerre“ Axis ist er der vom Imperium fieberhaft gesuchte Geburtshelfer der Rebellion, der verborgen hinter einer Tarnidentität als wohlhabender Antiquitätenhändler aus isolierten anti-imperialen Widerstandsnestern ein organisiertes Netzwerk spinnt, das Imperium ausspioniert und Sabotageaktionen plant. Für Cassian ist er eine Art Mentor-Figur, aber weit von der weisen Güte eines Obi-Wan entfernt, sondern als Stratege, der Menschen wie Schachfiguren ausspielt, ein durchaus ambivalenter Charakter. Außerdem eine zentrale Rolle spielt Mon Mothma (Genevieve O’Reilly), eine privilegierte Dame aus der gesellschaftlichen Oberschicht des Planeten Chandrila und Senatorin des Galaktischen Rats. Während Cassian und Bix vom Arbeiter-Planeten Ferrix die „kleinen Leute“ repräsentieren, die unter der Kolonial-Politik des Imperiums am direktesten leiden, ist sie eine Figur, wie gemacht, um das rechtspopulistische Feindbild korrupter Eliten anzutriggern – und durch ihr moralisches Rückgrat auszuhebeln. Mothma will sich nicht damit abfinden, dass das zentrale Gremium der alten Republik seit der Machtübernahme von Imperator Palpatine zum bloßen Deckmäntelchen von dessen totalitären Ambitionen verkommt, weswegen sie Luthens Netzwerk finanziell unterstützt und, immer bedroht von den Augen und Ohren des imperialen Geheimdienstes ISB, auf dem schlüpfrigen politischen und gesellschaftlichen Parkett gegen den Imperator taktiert.

Die Banalität des Bösen

Letzterer wiederum ist in der Serie nur als numinose Größe im Hintergrund präsent. Verkörpert wird das Imperium hier statt durch „Larger than Life“-Schurken durch die ganz normale Banalität des Bösen – eine Mischung aus Apparatschiks, Karrieristen, Fanatikern, Sadisten und Mitläufern. Herausragend darunter ein Paar, das den dunklen Spiegel zum Heldenpaar Cassian-Bix liefert: Kyle Soller als pedantische, vor Aufstiegs-Ehrgeiz brennende, in ihrem Eifer und durch eine plastisch skizzierte Familien-Backstory aber auch bemitleidenswerte Beamtenseele Syril Karn und Denise Gough als innerlich (fast) eisern verhärtete, im Kader-Feuer eines imperialen Waisenhauses geschmiedete ISB-Offizierin Dedra Meero.

Erzählerisch ist jede der beiden 12-Episoden-Staffeln in Einheiten gegliedert, die je drei Folgen umfassen. Während in Staffel 1, die rund ein Jahr in Cassians Leben erzählt, unterschiedliche Genremuster (etwa des Heist-Movies und des Gefängnisdramas) diese Einheiten prägen und zusammenhalten, sind es in Staffel 2 zeitliche Sprünge, die für die Gliederung sorgen: Zwischen den einzelnen Vierteln der Staffel liegt jeweils ein Jahr. Was den bitteren Grundton von „Andor“ forciert, weil durch die Dehnung der erzählten Zeit die moralische Zermürbung klarer zu Tage tritt, der Preis, den die Rebellen für ihren Kampf gegen einen Gegner zahlen, der so offensichtlich am längeren Hebel sitzt. Die errungenen Etappensiege relativieren sich angesichts fortdauernder imperialer Repressionen, die erfahrenen Schrecken wirken nach und lassen sich nicht abschütteln. Zwischen dem Liebespaar Cassian und Bix keimt die Sehnsucht auf, den Kämpfen den Rücken zu kehren und in irgendeinem Winkel der Galaxis friedlich gemeinsam zu leben (während die Zuschauer:innen aus „Rogue One“ bereits wissen, dass es für die beiden keine gemeinsame Zukunft geben wird). Für Mon Mothma wird der Balanceakt zwischen ihrer offiziellen Rolle als Dame der galaktischen High Society und ihrem Engagement für die Rebellion immer mehr zur quälenden Zerreißprobe, die im Lauf von Staffel 2 durch die politischen Entwicklungen schließlich unerträglich wird und ihr eine gefährliche Entscheidung abverlangt. Und in Luthen droht der Blick aufs „große Ganze“, das Wachsen der Rebellion, eine Skrupellosigkeit gegenüber den einzelnen Menschenleben zu bewirken, die fast so kühl-kalkulierend erscheint wie die nonchalante Gleichgültigkeit, mit der auf der Gegenseite der bereits aus „Rogue One“ bekannte General Krennic (Ben Mendelsohn) bereit ist, einen ganzen Planeten zu opfern, wenn es den energiepolitischen Interessen des Imperiums dient.

Ein tödliches Spiel

Letzterer sorgt dafür, dass in Staffel 2 statt unterschiedlicher Genreeinflüsse eine veritable Tragödie den Dreh- und Angelpunkt abgibt. Dedra Meero setzt in Krennics Auftrag und mit Syril Karn als nur oberflächlich eingeweihtem Erfüllungsgehilfen eine langfristig angelegte Intrige gegen den Planeten Ghorman in Gang – dank der Fäden einer besonderen Spinnenart florierendes Herz der galaktischen Textil- und Modeindustrie, aber wegen eines seltenen Minerals auch Zielscheibe imperialer Begehrlichkeiten. Rund um diese Welt entfaltet sich über die Jahre hinweg ein tödliches Spiel, bei dem Krennic und Meero die lokale Rebellengruppe der „Ghorman Front“ zu nichtsahnenden Erfüllungsgehilfen in ihrer eigenen Propaganda-Partie zu machen versuchen, um einen Vorwand dafür zu haben, die Ghormaner zu vernichten, ohne damit Proteste in der ganzen Galaxis zu befeuern. Ein Spiel, in das Cassian, Luthen und Mon Mothma nur begrenzt direkt eingreifen können, das aber doch alle drei auf unterschiedliche Weise herausfordert, aktiv zu werden und ihre Karten auf den Tisch zu legen. Und auch die Antagonisten Syril und Dedra – imperiale Funktionäre, aber doch auch Menschen – werden von dem, was sie in Gang zu setzen mitgeholfen haben, auf gewisse Weise überrollt.

Während kürzlich die Wiederaufführung von „Star Wars: Die Rache der Sith“ noch einmal Menschenmassen in die Kinos lockte und im Licht der zweiten Trump-Amtszeit als Fabel vom Fall einer Republik fast wie ein Menetekel erscheint, geht „Andor“ als düsterer Blick darauf, wie es sich in einer Diktatur lebt, unter die Haut. Zwar wissen „Star Wars“-Fans, dass hier der Keim für „Eine neue Hoffnung“ gelegt wird, und sehen, wie die Saat der Rebellion allmählich Wurzeln schlägt und sich ausbreitet. Zugleich aber wissen sie, dass „Andor“ nicht zuletzt auch ein Epitaph ist. Die Zerstörung von Leben durch ein Terrorregime kann keine Macht der Welt wieder rückgängig machen.


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