Star Wars hätte es ohne die Gründung von „Industrial Light & Magic“ (ILM) nie gegeben. Denn die Effekte, die George Lucas benötigte, als er Mitte der 1970er-Jahre den Auftakt seiner Weltraum-Saga schuf, existierten damals schlichtweg nicht. Seine Lösung? Ein eigenes Zauberlabor. Am 26. Mai 2025 feiert ILM, einst als Notlösung für Visual Effects von „Star Wars“ gedacht, 50-jähriges Firmenjubiläum. Heute gilt die Tochterfirma von Lucasfilm als Pionierin des digitalen Kinos. Blockbuster wie „Avatar“, „Fluch der Karibik“ oder Filme aus dem Marvel-Universum nutzen ihre Techniken.
George Lucas war seiner Zeit voraus. Als der Regisseur die Space Opera „Krieg der Sterne” (1977) mit vielen schnellen Actionsequenzen umsetzen wollte, scheiterte er an den technischen Grenzen der Zeit. Also versammelte er ein Team von Spezialisten, die das Unmögliche möglich machten. Allen voran John Dykstra, der ihm von Stanley Kubricks Effektsupervisor Douglas Trumbull („2001: Odyssee im Weltraum“, 1968) empfohlen wurde. Der Rest ist Filmgeschichte: „Krieg der Sterne“ war nicht nur der Urknall eines Franchises, sondern ein wesentlicher Impulsgeber des modernen Blockbusterkinos. Aus dem Effekte-Team erwuchs Industrial Light & Magic, die Firma, die seitdem maßgeblich daran beteiligt ist, aus fantastischen Fantasien großes Spektakel-Kino zu machen.
Die Meister kreativer Lösungen
Einzig für „Star Wars“ (später umbenannt in „Star Wars:
Episode IV - Eine neue Hoffnung“, 1977) entwickelte der Trumbull-Protegé John
Dykstra Mitte der 1970er-Jahre die Dykstraflex-Motion-Control-Kamera.
Diese spezielle Kamera wurde auf einer motorisierten Achse montiert und von
einem Computer gesteuert und programmiert. Dadurch konnten Kamerabewegungen von
schnellen Actionsequenzen wie Verfolgungsjagden präzise wiederholt werden, was
bis dahin ein großes Problem dargestellt hatte.
Ein paar ungewöhnliche Miniaturmodelle verwendete Ken Ralston (Camera Department) im „Star Wars“-Universum. Für „Episode V - Das Imperium schlägt zurück“ (1980) ließ er bei der Umsetzung des Asteroidengürtels vom Eisplaneten Hoth nicht etwa mühevoll Mini-Asteroiden aus Ton und Schaumstoff formen, sondern spießte schlicht, aber wirkungsvoll ganz normale Kartoffeln auf. Drei Jahre später schmuggelte Ralston sogar einen Turnschuh in den Weltraum: Um bei der großen Schlacht von Endor im Finale von „Episode VI - Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983) im Hintergrund Flotten von kleinen Schiffen dazustellen, griff er auf Alltags-Materialien wie Joghurtbecher und Kaugummi zurück - und seinen Tennisschuh. Ein „Easter Egg“, das durch Ralston selbst publik wurde und nach dem Fans seitdem immer wieder Ausschau halten (ohne freilich in der überarbeiteten „Special Edition“-Version des Films fündig zu werden).
Das könnte Sie auch interessieren:
- Ich bin dein Vater! George Lucas zum 80. Geburtstag
- Der Sound des Sternenkriegs. Eine Hommage an „Star Wars“-Sounddesigner Ben Burtt
- Passionen: Eine galaktische Symbiose. Anne-Sophie Mutter spielt Melodien von John Williams
Da George Lucas zwischen den „Star Wars“-Produktionen das Effekt-Team weiterbeschäftigen wollte, arbeitete er mit engen Freunden zusammen, die die Spezialisten mit weiteren Aufgaben beschäftigten. Der erste war Steven Spielberg, der nach dem ersten Teil der „Indiana-Jones“-Reihe „Jäger des verlorenen Schatzes“ (1981) mit Frank Marshall den Horrorfilm „Poltergeist“ (1982, Regie: Tobe Hooper) produzierte. Um den Ösophagus, der sich in dem „Haunted House“-Klassiker wie eine menschliche Speiseröhre öffnet, zu realisieren, wurden zahlreiche Gummiteile und Bungeeseile verwendet, durch Luftdruck wurde Atmen simuliert, „gespielt“ wurde der Ösophagus wie ein Klavier.
Kein Hexenwerk, sondern Erfindergeist
Die einfache Drehbuch-Vorgabe: „Das Haus implodiert“ (fürs
große Finale von „Poltergeist“) erwies sich schlussendlich als der legendäre
„250.000-Dollar-Satz“, dessen Umsetzung die Findigkeit der Effektleute in neue
Höhen trieb. Letztlich funktionierte der Effekt wie folgt: Die Implosion sollte
so wirken wie der Trick, wenn ein Zauberer einen Blumenstrauß aus seinem Hut
zaubert – nur eben andersrum. Hierfür wurde ein Modell des Hauses aus extra
leichtem Balsaholz und Papier gebaut, die zuvor in Bleiche und Wasser
eingeweicht wurden, damit die Oberflächenspannung verlorenging. Dann wurde das
originalgetreue Modell-Haus umgedreht, von oben gefilmt und in eine Art
Untergrundtank eingesogen. Schlagartiges Öffnen eines elektrischen Ventils
kreierte rapiden Unterdruck. Um das Haus schneller in den Schlund zu befördern,
schossen zwei Schrotflinten auf das über einen Meter breite Haus. Zusätzlich
zog man mit einem Gabelstapler an Nylonfäden, um das Modell in den Vakuumtank
zu ziehen. Die „Implosion“ selbst dauerte nicht länger als einen Wimperschlag,
die akribische Vorbereitung des Effekts zwölf Wochen.
Auch hier waren echte Meister am Werk. Das für das Highspeed-Filmmaterial vorgesehene Magazin hatte nur eine begrenzte Laufzeit, also musste man die Kamera zum exakten Zeitpunkt starten, damit alle Bilder erfasst werden konnten. Damit die Zerstörung des Hauses bis ins kleinste Detail vom Splitter bis zum Staubkorn bis hin zur kompletten Auflösung zu sehen war, wurde der Shot mit einer High-Speed-35mm-Filmkamera mit 360 fps (Frames pro Sekunde) aufgezeichnet. Ausgestrahlt wurde die Szene mit 24 fps. Was im Original eine Sekunde dauerte, wurde im Film auf zwölf Sekunden ausgedehnt.
Die Geburt computergenerierter Filmfiguren
ILM entwickelte auch Computertechnik weiter. In dem
Abenteuerthriller „Das Geheimnis des verborgenen Tempels“ (1985, Regie:
Barry Levinson) tritt der erste ausschließlich computergenerierte Filmcharakter
auf, der aus einem Fenstermosaik einer Kirche herausspringt und einen
halluzinierenden Priester bedroht. Erstellt wurde der 2D-Ritter, der erst nach
dem Dreh optisch in die Live-Action eingefügt wurde, an einem „Pixar Image“-Computer.
Für Ron Howards Fantasy-Film „Willow“ (1988) wurde später eine Figur, die sich nacheinander in mehrere Tiergestalten und im finalen Schritt in eine Zauberin verwandelt, generiert. Hierfür wurden sogenannte „Animatronics“, von Puppenspielern gesteuerte Puppen, vor einem Bluescreen auf Film aufgenommen und am Computer mit Hilfe einer eigens dafür geschriebenen 2D-Software gemorpht und wieder in den Film eingebaut. Vier Jahre später nimmt in James Camerons „Abyss – Abgrund des Todes“ (1989) eine Wasser-Gestalt Kontakt zur Besatzung eines Unterseeboots auf. Zum ersten Mal vermischt sich 3D-Computeranimation mit realer Interaktion. Regisseur James Cameron fasst in der Disney+-Dokuserie „Light & Magic“ zusammen, dass mit diesen neuen Möglichkeiten „Geld und Vorstellungskraft die einzigen Grenzen geworden sind“.
Digitale Auferstehung der Dinosaurier
Auch Steven Spielbergs Science-Fiction-Abenteuer „Jurassic Park“ (1993) setzte unter der Leitung von Visual-Effects-Supervisor Dennis Muren neue Maßstäbe. Stan Winston (Animatronic Dinosaur Supervisor) baute einen riesigen T-Rex, der zerteilt wurde, um in 3D eingescannt zu werden. In ein digitales Gittermodell wurden im Anschluss die Textur und Farben hinzugefügt. Als Spielberg und Muren zum ersten Mal einen CGI-Dino im Firmenkino langsam auf sich zulaufen sahen, verwarf ILM den Plan, die Dinos mit Stop-Motion zu animieren und abzufilmen.
Phil Tippett,
der zuvor verantwortlich für Stop-Motion war, wurde zum „größten
Dinosaurier-Flüsterer der Welt“: Er baute ein Motion-Capture-Dinosaurierskelett,
ein sogenanntes „Dinosaur Input Device“, das die Bewegung in Computerdaten
umwandelte. Damit sich das Team vorstellen konnte, wie sich ein Dinosaurier
bewegt, schickte Tippett alle zu Dino-Bewegungsworkshops. Für den ultimativen
Dino-Screentest filmte sich das Team dann in einem Hindernisparcours.
Als Steve Williams (Computer Graphics) den Neun-Tonnen-T-Rex mit bis zu 65 Stundenkilometern zum Rennen bringen sollte, was für den Zweibeiner rein physikalisch gar nicht möglich ist, bastelte er Monate daran, um Steven Spielbergs Wunsch umzusetzen. Bis heute ist die Szene, in der Ellie Sattler (Laura Dern), Ian Malcolm (Jeff Goldblum) und Robert Muldoon (Bob Peck) im Rangerwagen von einem wütend heranstürmenden T-Rex verfolgt werden, ikonisch. Am 2. Juli startet nun mit Gareth Edwards’ „Jurassic World: Die Wiedergeburt“ der siebte Teil der „Jurassic Park“-Reihe im Kino. ILM ist auch dieses Mal wieder beteiligt.
2023 wurden die Türen des Set- und Modellbaus in San Francisco für immer verschlossen. Die Geschichte von „Industrial Light & Magic“ hingegen ist noch lange nicht zu Ende geschrieben. ILM hat längst ein neues, digitales Kapitel aufgeschlagen. Im Ursprungslogo schwingt ein Zauberer mit Spitzhut und Umhang in einem mechanischen Zahnrad seinen Zauberstab. Seine Blitze treffen auf eine schwebende Glühbirne, die er zum Leuchten bringt. Mittlerweile symbolisiert eine einfache Glühbirne, die ein Blitz umspielt, die Firma. Die Zeit der Zauberei ist zwar vorbei, aber das Kino hat seine Magie noch längst nicht verloren.