Szene aus "Moving" von Shinji Sômai (© MUBI)

MUBI im Juli 2025

Neue Arthouse-Highlights & Klassiker bei MUBI im Juli

Aktualisiert am
09.07.2025 - 16:15:05
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Der Streamingdienst stellt im Juli den früh verstorbenen japanischen Regisseur Shinji Sômai mit zwei seiner feinfühligen Coming-of-Age-Filme vor. Eine Doppelpremiere erleben auch die beiden Filme „Sonne“ und „Mond“ von Kurdwin Ayub sowie eine hintersinnige Hommage an die Musikgruppe „Pavement“ durch den Independent-Regisseur Alex Ross Perry.

 

Der japanische Regisseur Shinji Sômai (1948-2001) gehörte zu Lebzeiten mit seinen 13 Filmen zu den angesehensten Filmemachern seines Landes. Außerhalb von Japan blieb er hingegen fast unbekannt; nach seinem frühen Tod im Jahr 2001 war er nahezu vergessen. Das hat sich erst in den letzten Jahren geändert, insbesondere durch prominente Verehrer wie Hirokazu Kore-eda und Ryusuke Hamaguchi, die Sômai als Vorbild erklärten. Zwei seiner Arbeiten aus den 1990er-Jahren erleben nun am 1. Juli in aufwändiger 4K-Restaurierung ihre Premiere beim Arthouse-Streamingdienst MUBI. Beide stellen Kinder ins Zentrum der Handlung und zeichnen sich durch ungewöhnlich sensible Blicke auf das Heranwachsen aus. In „Moving“ (1993) erlebt das elfjährige Mädchen Renko die Scheidung seiner Eltern und rebelliert gegen die plötzliche Trennung von ihrem Vater und die neuen Regeln der Mutter. Hinzu kommen Probleme in der Schule, wo Renko wegen der Scheidung von ihren Mitschülern gehänselt wird. Aus Wut und Verzweiflung beschließt das Mädchen schließlich, mit einer gewagten Aktion die Wiedervereinigung der Eltern zu erzwingen.

So wie „Moving“ konsequent aus der Perspektive der jungen Hauptfigur erzählt ist, beweist auch „The Friends“ (1994) viel Einfühlungsvermögen in kindliche Gedankenwelten. In „The Friends“ lernen drei befreundete Schuljungen während der Sommerferien einen alten Mann kennen, der allein auf einem verwahrlosten Grundstück mit großem Garten lebt. Nachdem die ersten Berührungsängste überwunden sind, freunden sie sich mit dem exzentrischen Mann an und beschließen sogar, sein Haus auf Vordermann zu bringen. Doch neben Verantwortung und Mitgefühl konfrontiert der Sommer die Jungen auch mit Verlust und Vergänglichkeit.

 

Identitätssuche in „Sonne“ und „Mond“

Auch die österreichische Regisseurin Kurdwin Ayub verstärkt das Angebot von MUBI im Juli mit zwei Filmen, die für ihre frischen Blicke auf die Identitätssuche gelobt wurden. In „Sonne“ drehen drei Wiener Teenager ein YouTube-Video im Hijab, das vor allem unter kurdischen Muslimen ein Hit wird. Doch während die einzige des Trios, die selbst Muslima ist, sich von ihrer Herkunft zu distanzieren beginnt, gehen die beiden anderen in der fremden Kultur mehr und mehr auf. Sehr entschieden stellt der Film Ambivalenz vor Eindeutigkeit. Vertikalen Content wie Instagram-Filter, WhatsApp-Chats und Handyvideos werden mit leichter Hand in die postmigrantische Lebensrealität verwoben. Die Darsteller sind zum großen Teil Laien, darunter die Eltern der Regisseurin.

Melina Benli in "Sonne" von Kurdwin Ayub
Melina Benli in "Sonne" von Kurdwin Ayub (© Neue Visionen)

 

Nach diesem temperamentvollen Teenagerfilm wechselte Ayub mit „Mond“ ins Thriller-Genre. Darin lässt sich eine gescheiterte österreichische Martial-Arts-Kämpferin von einer jordanischen Familie als „Personal Trainerin“ für deren drei Töchter anheuern. Doch vor Ort offenbart sich, dass mit ihrem neuen Job etwas nicht stimmt. Beide Filme können ab dem 15. Juli gestreamt werden.

Daneben fügt MUBI auch zwei Filme, die 2025 bereits im Kino zu sehen waren, seinem Angebot hinzu. Mit „September & July“ (ab 4. Juli) debütierte die griechische Schauspielerin Ariane Labed als Regisseurin. Die titelgebenden Schwestern mit den Monatsnamen stehen im Zentrum eines schonungslosen Jugenddramas über den schmalen Grat zwischen familiärem Zusammenhalt und missbräuchlicher Abhängigkeit. September und July werden in der Schule gemobbt und entwickeln eine enge Bindung zueinander, die allerdings zu zerreißen droht, als sich eine von ihnen in einen Mitschüler verliebt.

Ab dem 25. Juli ist auch „The End“ bei MUBI zu sehen, mit dem der Filmemacher Joshua Oppenheimer, der sich mit seinen eindringlichen Genozid-Dokumentarfilmen einen Namen machte, eine neue Saite anschlägt. In Form eines Musicals mit bewusst schiefen Tönen entfaltet er eine Endzeitparabel um eine reiche Familie, die sich mit ihren Bediensteten in einen Luxus-Bunker zurückgezogen hat. Rituale und Routinen sollen vor der Verzweiflung bewahren. Doch erst als sich eine weitere Überlebende des ökologischen Zusammenbruchs Zugang zu der Anlage verschafft, geraten die Verhältnisse ins Wanken.

 

Würdigung einer besonderen Band

Eine musikalisch angenehmere Erfahrung verspricht derweil „Pavements“ (ab 11. Juli). Die US-Rockband Pavement hatte ihre aktivste Zeit zwar in den 1990er-Jahren, doch die teils hymnische Verehrung der Musiker und zahlreiche „Reunion“-Touren haben sie in den letzten Jahren dennoch im Gespräch gehalten. Eine solche Band hat mehr verdient als eine konventionelle Doku-Huldigung, weshalb sich der Independent-Regisseur Alex Ross Perry auch eine besonders wagemutige Huldigung ausgedacht hat. Neben authentischem Archivmaterial von Pavement-Auftritten stehen Mockumentary-Elemente um eine Musical-Adaption der Songs, ein eigenes Museum und die Genese eines bewusst klischeehaften Hollywood-Biopics inklusive eines Hauptdarstellers, der seine Verwandlung in den Leadsänger Stephen Malkmus nicht mehr abstreifen kann.

Außerdem präsentiert der Streamer eine Entdeckung des Filmfestivals Venedig aus dem Jahr 2024. Der japanische Film „Super Happy Forever“ (ab 4. Juli) geht auf autobiografische Erfahrungen von Regisseur Igarashi Kohei zurück und baut eine humorvolle Geschichte um einen schmerzhaften Kern auf. Ein verschlossener Mann reist darin mit einem lebensfrohen Freund in eine italienische Küstenstadt, wo er fünf Jahre zuvor seine mittlerweile verstorbene Frau kennenlernte. Im Hotel, in dem sie damals wohnten, suchen ihn die Erinnerungen an die Romanze heim, was der Film parallel zu der Handlung um die Trauer und das Bewusstsein des Verlusts erzählt.

"Super Happy Forever" von Igarashi Kohei
"Super Happy Forever" von Igarashi Kohei (© MUBI)

 

Das MUBI-Programm im Juli im Überblick

 

  1. Juli

Die letzte Wette (Kurzfilm)

Moving (Double Feature Shinji Sômai)

The Friends (Double Feature Shinji Sômai)

 

  1. Juli

September & July

Super Happy Forever

 

  1. Juli

A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe

 

  1. Juli

Pavements

 

  1. Juli

Alice in den Städten

 

  1. Juli

Mond

Sonne

 

  1. Juli

The End

 

  1. Juli

Silence

 

  1. Juli

Majonezë (Kurzfilm)

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