Fotomontage aus den Logos von Sky & RTL (© imago/Sven Simon)

Leders Journal (44): Der Sky-RTL-Deal

Mit der Übernahme des Pay-TV-Senders Sky Deutschland durch die RTL Group soll eine europäische Gegenmacht zu Netflix und Amazon geschaffen werden.

Aktualisiert am
04.07.2025 - 10:34:51
Diskussion

Die Nachricht, dass die RTL Group, zu der auch die deutschen RTL-Sender gehören, den Sender Sky Deutschland übernehmen werde, hat die Medienbranche elektrisiert. Nach langen Jahren ökonomischer Unbeweglichkeit gerät der deutsche Medienmarkt dadurch wieder Bewegung. Die Folgen lassen sich nur schwer abschätzen.

 

Sky Deutschland gehört bislang zur europäischen Sky-Holding in London mit weiteren Pay-TV-Töchtern in Großbritannien und in Italien. Diese Holding befindet sich seit 2018 im Besitz des US-Unternehmens Comcast, das in den USA das größte Kabelnetz unterhält und als großer Anbieter von Internetzugängen sowie als Telefondienstleister erfolgreich wirtschaftet. Mit dem europäischen Fernsehgeschäft konnte die Firma aber wenig anfangen. Das hatte Folgen. Weniger für das britische Tochterunternehmen, das sich seit seiner Gründung als BSkyB durch Rupert Murdoch erfolgreich am Markt behauptete, sondern vielmehr in Deutschland, wo das Abonnementgeschäft immer schon schwieriger war als anderswo. Dass es bei Sky Deutschland kriselte, konnte man daran erkennen, dass eine groß angekündigte Produktionsoffensive mit deutschen Filmen und Serien – bestes Beispiel: die Co-Produktion von „Babylon Berlin“ – nach zwei Jahren gestoppt wurde. Das schwächte den ohnehin instabilen Produktionsstandort Deutschland.

 

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Hinzu kam das Problem, dass das Film- und Serienangebot von Sky schon seit mehr als drei Jahren darunter leidet, dass Netflix & Co. dem Abonnentensender viele Rechte weggeschnappt haben oder exklusiv nur für die eigenen Vertriebssystem produzieren. Auf dem stark geschrumpften Markt der frei verfügbaren Produktionen hatte es Sky wesentlich schwerer, attraktive Serien einzukaufen. Zudem läuft der Vertrag aus, der Sky den Zugriff auf die Produktionen von Home Box Office (HBO) ermöglichte. Dessen Besitzer Warner Discovery plant, ab 2026 einen eigenen Streamingdienst in Deutschland zu etablieren, der die hauseigenen Produktionen exklusiv anbieten wird.

Seit einiger Zeit laufen auf den Serienkanälen von Sky fast nur noch Wiederholungen – derzeit etwa „Die Sopranos“ –, sodass als einziges Anziehungsmerkmal der Sport verblieb.

Bei Wow zu sehen: "Die Sopranos"
Bei WOW zu sehen: "Die Sopranos" (© imago/Everett Collection)

 

Hier hatte die deutsche Sky-Tochter zuletzt investiert, als sie erneut weitreichende Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga der Männer kaufte, weshalb sie ab 2026 alle Freitags- und Samstagsspiele exklusiv überträgt. Sie verlor allerdings die Rechte für die Konferenzübertragung, die der Sender seit der Saison 2000/2001 in Analogie zum ähnlichen Angebot der ARD-Radiosender eingerichtet hatte und bei der abwechselnd live von allen Spielorten berichtet wird, an den Konkurrenten DAZN.

 

Symptome der Schwäche

Der Käufer, die RTL Group, zeigt seit Jahren andere Schwäche-Symptome. Die meisten frei empfangbaren Konzernsender erwirtschaften zwar Gewinne, doch die nehmen ähnlich stark ab wie die Zahl der Nutzer dieser Programme. Auch das ist eine Folge der neuen Streamingangebote, die zunehmend mehr Aufmerksamkeit und Nutzungszeiten auf sich ziehen. Das eigene Streamingangebot, das seit 2021 unter dem Namen RTL+ firmiert, überzeugt weniger durch die Strahlkraft von Serien oder Live-Übertragungen als durch die Vielfalt der hauseigenen Medienangebote (TV, Podcasts, Zeitschriften), die das Unternehmen hier bündelt. Auch Sky verfügt über ein eigenes Streamingangebot mit dem Namen WOW, doch dieses wurde wie das RTL-Portal ebenfalls erst spät errichtet und wechselte zudem mehrfach den Name.

Durch den Kauf, dem die Kartellbehörden erst noch zustimmen müssen, können einige Schwächen sowohl beim Käufer wie auch beim Verkäufer kompensiert werden, auch wenn es einige Zeit dauern wird, bis die Plattformen untereinander angeglichen oder gar unter einem neuen gemeinsamen Namen bewirtschaftet werden können. RTL und Sky hatten seit einiger Zeit schon zusammengearbeitet, etwa bei den Übertragungen der Formel Eins. Die Fusion im Sportbereich sollte problemlos vonstatten gehen und die größten Synergieeffekte erzielen.

Die größte Baustelle liegt im Gebiet der Film- und Serienproduktion. Auch die deutschen RTL-Sender haben sich in den letzten Jahren kaum durch überzeugende eigene Produktionen ausgezeichnet; zuletzt kopierte RTL unter dem Titel „Dünentod“ sogar den norddeutschen Landkrimi, der seit Jahren in fast identischen Ausprägungen bei ARD und ZDF läuft. Selbst im Unterhaltungssektor, also einer klassischen RTL-Domäne, sieht es nicht vielversprechend aus, nachdem die Offensive, die man mit der Rekrutierung von Stefan Raab starten wollte, nach gutem Start eher verpuffte.

Sky hat sich auf diesem Gebiet seit vielen Jahren zurückgehalten. Das hat mit der Geschichte des Pay-TV-Senders zu tun. Denn mediengeschichtlich schließt sich mit dem Kauf ein Bogen. Der Vorgänger von Sky, der unter dem Namen Premiere 1991 das Abonnement-Geschäft in Deutschland startete, war einst auch vom deutschen Medienunternehmen Bertelsmann mitgegründet worden. Bertelsmann hält über 70 Prozent der Aktien der RTL Group und profitiert seit vielen Jahren von den Einnahmen dieser europäisch ausgerichteten Fernsehtochter. Ein weiterer Gründer von Premiere war das Unternehmen von Leo Kirch, der seit den 1970er-Jahren in Deutschland den Import von Serien und Spielfilmen nahezu monopolisiert hatte und im Hintergrund die Politik der Privatsender Sat 1 und Pro Sieben bestimmte. Der dritte Gesellschafter war Canal +; unter diesem Namen war in Frankreich zuvor erfolgreich das Pay-TV-Geschäft eingeführt worden.

 

Sport-Live-Übertragungen statt Talkformate

Das sah nach einer erfolgreichen Partnerschaft aus: Bertelsmann verfügte dank seiner Buchclubs, aus denen das Unternehmen herausgewachsen war, über das Wissen, wie Abonnementssysteme und Kundenakquisition funktionierten. Kirch verfügte über die Rechte an attraktiven Fiction-Produktionen. Und Canal + hatte bewiesen, wie man durch neue Formate Aufmerksamkeit für diese damals neue Art des Fernsehens erzeugen kann. Doch die Gemeinsamkeit war nicht von Dauer. Kirch hielt neu entwickelte Sendungen wie das Talkformat „0137“, mit dem Roger Willemsen seine Fernsehkarriere begann, für eine unnütze Geldausgabe. Er wollte stärker in den Live-Sport investieren; Premiere hatte im Jahr seines Starts damit begonnen, jeweils ein Spiel der Fußball-Bundesliga live zu übertragen, was es bis zu diesem Zeitpunkt nur in sehr raren Ausnahmefällen gegeben hatte. Bertelsmann wiederum fürchtete, dass Premiere überteuerte Preise für die Filme und Serien an Kirch zahlen müsste.

Roger Willemsen und Lutz Dombrowski in der Talksendung "0137"
Roger Willemsen und Lutz Dombrowski in der Talksendung "0137" (© imago/United Archives)

 

Als die ersten Versuche, gemeinsam eine erste digitale TV-Plattform zu installieren, an technischen wie strategischen Problemen gescheitert waren, stieg erst Canal plus und 1998 auch Bertelsmann aus Premiere aus. Kirch, der weiter auf exklusive Sportrechte setzte, verspekulierte sich drei Jahre später so sehr, dass sein Unternehmen 2002 insolvent wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Premiere vermutlich in keinem Jahr schwarze Zahlen geschrieben. Der Sender blieb ein Flaggschiff für ein neues Fernsehen, in dessen Windschatten andere Unternehmen wie die Free-TV-Sender erfolgreich wirtschaften konnten. Eine Strategie, die für Bertelsmann und seine RTL-Sender früh aufging, während sie bei Kirch zu einer strukturellen Überschuldung führte, an der sein stets hochspekulativ geführtes Unternehmen letzendlich scheiterte.

Dem aus der Konkursmasse herausgelösten Sender Premiere verhalf eine neue Leitung dank drakonischer Sparmaßnahmen zu ersten Erfolgen, sodass der 2005 durchgeführte Börsengang erfolgreich gelang. Hauptaktionäre wurden zwei Investitionsfonds, die ihre Anteile in den folgenden Jahren Schritt für Schritt an das von Rupert Murdoch geführte Unternehmen News Corporation veräußerten. Als die News Corporation die Mehrheit besaß, wurde Premiere 2009 in Murdochs englische Tochter BSkyB integriert und in Sky Deutschland umbenannt.

 

Der Deal muss sich bestätigen

Comcast, das 2018 die Sky-Firmen von Murdoch für 33 Milliarden Euro erwarb, verkauft nun den deutschsprachigen Sender für sehr bescheidene 150 Millionen Euro. Weitere Erlöse kommen zwar hinzu, falls sich die RTL-Group-Aktie positiv entwickelt, aber als Fazit bleibt festzuhalten: Dem US-Unternehmen war ein schneller Ausstieg am Ende wichtiger als die Mühe, sich weiterhin mit der schwierigen Lage auf dem deutschsprachigen Fernsehmarkt auseinandersetzen zu müssen.

RTL muss nun beweisen, dass es in kurzer Zeit den Pay-TV-Sender erfolgreich ins eigene Gefüge integrieren kann. Es gilt, die Leerstellen in beiden Angeboten etwa im Fiction-Bereich zu schließen und mit einer gemeinsamen Streamingplattform der Macht der US-Konkurrenz von Netflix, Amazon Prime, Disney+, Apple und anderen zu trotzen.

Wer hofft, dass sich dadurch die Abonnements von Sky verbilligen, irrt. Die teuren Sportrechte können nur durch hohe Abonnementpreise halbwegs finanziert werden. Es wird also eher teurer als billiger werden, künftig die Bundesliga-Fußball live zu sehen.

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