Klaus Doldinger (© IMAGO / Manfred Segerer)

Melody-Maker: Nachruf auf Klaus Doldinger

Zum Tod des Film- und Fernsehkomponisten Klaus Doldinger (12.5.1936-16.10.2025), der u.a. mit der „Tatort“-Titelmelodie und seinen Klängen für „Das Boot“ im Ohr des Publikums bleibt

Aktualisiert am
22.10.2025 - 12:51:35
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Dem deutschen Komponisten Klaus Doldinger gelang es in seiner Karriere immer wieder, Filme und Fernsehserien mit Melodien zu bereichern, die man einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Neben dem „Tatort“-Thema und den Titelmusiken zahlreicher weiterer Serien und Shows schrieb er insbesondere mit seinen dunklen Synthesizer-Klängen für „Das Boot“ Geschichte. Am 16. Oktober 2025 ist der gelernte Tonmeister, dessen Leidenschaft Jazz und Fusion Rock galt, im Alter von 89 Jahren gestorben.

 

„Die Filmmusik in Deutschland ist tot – könnte man meinen. Ein Hans Zimmer oder ein Harold Faltermeyer sind längst amerikanisiert, Klaus Doldinger hat sich aus dem Geschäft weitestgehend zurückgezogen; die Zeiten, in denen ein Peter Thomas, Martin Böttcher oder Gert Wilden ungestört die großen Nachkommen der Wirtschaftswunderfilme vertonen durften und sich nicht nur des Swings, Jazz’ und Schlagers, sondern auch eines großen Orchesters bedienen konnten, sind lange vorbei.“ Auch wenn diese Bemerkung aus dem Filmdienst des Jahres 2002 stammt, gelten kann sie noch immer; zumindest, wenn man nach Melodien sucht und sich nicht mit Klangsphären zufriedengibt.

 

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Die Zeiten und mit ihnen der filmmusikalische Ansatz haben sich eben geändert. Daran war Klaus Doldinger nicht unschuldig. Immerhin hat er jene „Sphären“ erfunden, durch die man zusammen mit einer U-Boot-Besatzung durch die Untiefen des vom Zweiten Weltkrieg mit Minen und Zerstörern verseuchten Meeres taucht und dabei vor Spannung fast das Atmen vergisst. Die 1980er-Jahre waren in der Filmmusik eine Art Befreiungsschlag vom guten alten Orchestersound. Im gleichen Jahr 1981, als „Das Boot“ den deutschen Film auch international in den Fokus zurückrückte, schrieb auch John Carpenter seinen ikonischen Computer-Soundtrack zu „Die Klapperschlange“. In den gleichen elektronischen Schaltkreisen bewegte sich auch Doldinger, der studierte Tonmeister aus Berlin, für Wolfgang Petersens Welthit.

 

Ein Ohrwurm verdeckt Jazz und Italowestern-Gitarren

Bekannt ist bis heute das minimalistische Synthesizer-Hauptthema, dass auch Jahrzehnte nach seiner Entstehung noch zum technoverfremdeten Top-Ten-Hit in den Clubs taugt. Dass die Musik zum Film auch noch jazzige Bigband-Anklänge oder gar Italowestern-Gitarren hat, weiß kaum noch jemand, bleibt doch dieses von Sonarecho-Klicks umrahmte, dunkeldröhnende Geschwummer, das von elektronischen Celli-Ostinati durch die Oktaven in immer dramatischere Höhen gestrichen wird, dominant im Ohr. Das ist eben das Problem mit Ohrwürmern: sie verdecken gerne das Entscheidende.

 

Komponist Klaus Doldinger posiert am 01.08.2016 in Köln bei einem Fototermin zum Kölner „Tatort – Wacht am Rhein"
Klaus Doldinger 2016 in Köln bei einem Fototermin zum Kölner „Tatort – Wacht am Rhein" (© IMAGO / Horst Galuschka)

 

Manchmal auch zum Glück, nämlich, wenn danach nicht mehr viel kommen will. Auch diese Erfahrungen hat Doldinger gemacht. Denn seine zweitbekannteste Filmmusik zu „Die unendliche Geschichte“ verbindet man eigentlich nur mit der Titelmelodie „Flug auf dem Glücksdrachen“ und natürlich mit dem daraus gestrickten Popsong „Neverending Story“ des 1980er-Jahre-Popsternchens Limahl. Der Rest ist – vielleicht nicht zu Unrecht – in Vergessenheit geraten; so etwa auch komplett der bluesschwere Score zum Schlöndorff-Flop „Palmetto - Dumme sterben nicht aus“ von 1998.

 

Begeisterung für den kleinen Kasten

Viele reinrassige Filmmusiken für die große Leinwand hat Doldinger ohnehin nicht gemacht. Sein Ding war der Jazz mit seinem „Doldinger Quartett“ und der Fusion Rock mit „Passport“ – und natürlich das Fernsehen. Für den „kleinen Kasten“ konnte er sich begeistern und TV-musikalisch ausleben. Hier schrieb er Hits, also Ohrwürmer, am laufenden Meter, die für den Widererkennungswert von Serien so imminent wichtig sind. Ob „Ein Fall für Zwei“, „Liebling Kreuzberg“, „Der Bulle und das Landei“, aber auch zu Shows wie „Tele-As“ oder „Heut’ Abend“ schrieb er Erkennungsmelodien, die auch heute noch bekannt sind, obwohl die Sendungen längst vergessen sind.

Niemals vergessen bleibt indes der Mut der zuständigen ARD-Redakteure, die Titelmelodie der erfolgreichsten (deutschen) Krimi-Reihe aller Zeiten seit dem Entstehen 1970 unangetastet zu lassen. Egal, wer die 90 Minuten Spannung danach dann vertont, die 60 Sekunden „Tatort“ am Anfang gehören immer Klaus Doldinger. Auch wenn er selbst den einen oder anderen Krimi, etwa Schimanskis „Tatort: Das Haus im Wald“ von 1985 komplett vertonte, es sind die treibenden Bläser des Vorspanns, die ihn ebenso unsterblich machen wie Lalo Schifrin mit „Mission: Impossible“. Ein wenig tragisch, dass Doldinger auch hier „nur“ als Melody-Maker in die Geschichte eingeht. Denn man sollte sich einmal die kompletten 3:20 des „Tatort“-Intros anhören. Hier spielt nicht nur Udo Lindenberg am Schlagzeug, sondern Doldinger improvisiert seine Melodie auch mit einigen elektronischen Mitteln zum mitreißenden Bigband-Schlager. Doldingers (Film-)Musik lebt. Danke!

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