Die Wohnung des Herrn verlassen

Weil in vielen seiner Filme so oft von Gott die Rede ist, hat man Ingmar Bergman frühzeitig zum religiösen Grübler erklärt. „Das siebente Siegel“ – ein allegorisches Drama in (nicht nur) mittelalterlichem Denkhorizont – scheint dies zu beweisen: Ein Ritter (Max von Sydow) kehrt von einem Kreuzzug nach Hause, er hat für Gottes Sache gestritten, erhält aber von da draußen in der Dunkelheit keine Antwort. Selbst der Tod, dem er begegnet und mit dem er Schach spielt, kann ihm keine Auskunft über den „Herrn“ geben, er selbst sei nur ein Vollstrecker in höherem Auftrag. Die Suche nach Gott hat den Ritter nicht weiser werden lassen, er hat sich von der Welt abgekehrt, von Menschen und allem Menschlichen entfremdet, vom Leiden der anderen wird er kaum mehr ergriffen: Als ein junges, lebensvolles Mädchen als Hexe angeklagt und zum Scheiterhaufen geführt wird, kümmert den Ritter nur, ob es an der Grenze zum Tod einer Erkenntnis teilhaftig werde – daß das Kind nur Angst hat wie alle, bemerkt er nicht. Sein sarkastischer Knappe Jöns (Gunnar Björnstrand) muß ihm das sagen, der verfällt auch auf den Gedanken, die arme, vom Fanatismus Angeklagte zu retten. Ein Mysterienspiel, ohne daß das Mysterium aufgedeckt wird.

Bergman gesteht, daß es den Tod und die Angst gibt – und das einfache Leben ohne Sorge. Angst und Tod rufen sowohl dumpfen und fiebrigen Wahn bei Menschen hervor, die sich fürchten, als auch die bohrende Unruhe, die den hochfahrenden und stolzen Recken innerlich martert: die Empörung darüber, daß sich ein Gott nicht zeigt – wie ein feiger oder überlegener Gegner, den er zum Zweikampf aus dem Versteck locken will, daß er sich endlich stelle. Gegenbild ist die junge heitere Gauklerfamilie, die am Ende auch dem Verderben entkommt, das Paar trägt die beziehungsreichen Namen Josef und Maria, das Kind heißt Michael. Josef hat Visionen, so sieht er einmal die Gottesmutter über die Wiese schreiten. Ob seine Fantasie ihn zu solchen Visionen verführt oder nicht, er scheint geborgen