Verdacht (1941)

wernstein@web.de | 19.04.2024

Mehr das tragikomsche Porträt einer toxischen Beziehung und Ehe: Die etwas altjüngferliche und schüchterne Lina aus konservativem Elternhaus (Joan Fontaine) lernt im Zug den dubiosen Playboy Johnnie (Cary Grant) kennen und wirft sich ihm an den Hals, um der Tristesse und moralischen Enge ihrer bürgerlichen Herkunft zu entrinnen. Im weiteren Verlauf des Films geben sich Hitchcock und Cary Grant jede Mühe, ihn als Hallodri, Aufreißer und haltlose Spielernatur einzuführen, was natürlich erwartungsgemäß für den ehelichen Frieden nicht förderlich ist. Erst in der zweiten Hälfte des Lichtspiels reift in Lina der Verdacht heran, dass Johnnie sie aus Habgier vergiften könne und der eigentliche Psychothriller beginnt, inklusive des berühmtesten Milchglases der Filmgeschichte, dessen vermeintlich giftiger Inhalt seltsam bedrohlich leuchtet… - Joan Fontaine und Cary Grant sind die perfekte Besetzung für diese von ambivalenten Gefühlsbesetzungen geprägte Partnerschaft, die zwischen Verfolgungswahn und bedingungsloser Hingabe oszilliert; zu Recht bekam die Hauptdarstellerin hierfür einen Oscar. Die Romanvorlage von Anthony Berkeley findet für die Geschichte ein ausgesprochen zynisches Ende, wie es ursprünglich auch von Alfred Hitchcock in leicht abgewandelter Form im Film umgesetzt worden wäre. Das Produktionsunternehmen RKO zwang dem Regisseur aus kommerziellen Gründen hingegen ein Happyend auf, das nicht wirklich schlüssig erscheint. Dieser Eingriff hat den Film nicht zerstört, aber dennoch in seiner Wirkung erheblich geschwächt und damit die Entstehung eines echten Film-Noir-Klassikers verhindert. Filmkunst in Hollywood war und ist in seinen Resultaten allzu oft immer nur der machbare Kompromiss und nicht die Erfüllung kreativer Wunschvorstellungen und Absichten.