Aschenputtel (1989)

Kinderfilm | BR Deutschland/Frankreich/Spanien/CSSR 1989 | 90 Minuten

Regie: Karin Brandauer

Das bekannte Märchen der Gebrüder Grimm in einer zwar am Text der Vorlage bleibenden, aber gedanklich "modernen" Interpretation, die den Reifungsprozeß "Aschenputtels" bis zum Eintritt in die Erwachsenenwelt in den Vordergrund stellt. Der ambitionierte Inszenierungsstil, die ausgeklügelte Farbdramaturgie und die einfallsreiche Musik-Dramaturgie machen den Film, vor allem für Mädchen, zu einem leicht verfremdeten Exkurs über das Erwachsenwerden, wenngleich einige Schwächen in der Schauspielerführung den Gesamteindruck etwas stören. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Produktionsland
BR Deutschland/Frankreich/Spanien/CSSR
Produktionsjahr
1989
Produktionsfirma
Omnia/Toro/ZDF/Films du Sabre/FR 3/TVE
Regie
Karin Brandauer
Buch
Michael Schulz
Kamera
Helmut Pirnat
Musik
Christian Brandauer · Natascha Wilhelm
Schnitt
Daniela Padalewski
Darsteller
Petra Vigna (Aschenputtel) · Claudia Knichel (jüngere Stiefschwester) · Roswitha Schreiner (ältere Stiefschwester) · Krista Stadler (Stiefmutter) · Stephan Meyer-Kohlhoff (Prinz)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Kinderfilm | Märchenfilm | Literaturverfilmung

Diskussion
Das Grimmsche Märchen von der schönen Jungfrau, die von ihrer Stiefmutter und den Stiefschwestern wie eine Sklavin gehalten wird und schließlich doch an der Seite des Prinzen ihr Glück findet, wurde schon oft für die Leinwand adaptiert. Es gab sich eng an die Vorlage haltende Verfilmungen und auch solche, die, wie "Drei Nüsse für Aschenbrödel" (fd 20 112) nur das Grundkonzept übernahmen und es phantasievoll ausschmückten. Für Karin Brandauer, die sich einen Namen mit sozialkritischen Fernsehfilmen gemacht hatte, war "Aschenputtel" ihr erster Kinderfilm. Auch sie versucht, dem alten Stoff neue Reize abzugewinnen, indem sie die Geschichte psychologisiert und als "Entwicklungsroman" eines Mädchen von der unbeschwerten Kindheit bis hin zum Erwachsenwerden erzählt. Neben diesem intellektuellen Zugriff, der geprägt ist von den wissenschaftlichen Forschungen etwa eines Bruno Bettelheim um die Wirkung der Märchen-Symbolik auf Kinder, versucht sie, die Zielgruppe aber nicht nur über das Unterbewußtsein anzusprechen. Ganz direkt spricht sie bei den Kindern den für die Rezeption eines bekannten Stückes so wichtigen Wiedererkennungseffekt an, indem sie manchmal wortwörtlich den Grimmschen Märchentext übernimmt. Andererseits irritiert sie das Publikum, indem sie die Stiefmutter und Schwestern in die Kamera blicken läßt, so als wollten sie die Zuschauer weg von der Identifikationsfigur des "Aschenputtel" auf ihre Seite ziehen. Und so ganz aussichtslos, wie es auf den ersten Blick scheint, ist dieses Unterfangen nicht. Denn Karin Brandauer hat die Stiefmutter und ihre Töchter nicht zu nur bösen "Witzfiguren" verkommen lassen, sondern sie als attraktive Frauen dargestellt. Überhaupt richtet sie ihr ganzes Augenmerk auf die Entwicklung der Frauenfiguren, inszeniert "Aschenputtel" quasi als "Frauenfilm", der es jungen männlichen Besuchern überaus schwer macht, Identifikationsansätze zu finden. Dabei vernachlässigt sie zwangsläufig die Psychologisierung der Männerrollen, so daß man dem überaus sympathisch und gütig gezeichneten Vater einfach nicht abnimmt, daß er die Intrigen seiner neuen Frau nicht durchschaut, wo er doch jahrelang mit seiner Tochter harmonisch zusammengelebt hat. Und auch der Prinz ist einfach nur schön, entwickelt keinen eigenständigen Charakter. Der Kontrast zwischen den "starken" Frauenfiguren und den "schwachen" Männerrollen wäre noch deutlicher, wenn Karin Brandauer die "Aschenputtel"-Rolle nicht mit einer Laiendarstellerin besetzt hätte. Petra Vigna verfügt zwar durchaus über eine gewisse Leinwand-Präsenz, aber ihre unbeholfene Diktion, die auch die anderen Darstellerinnen anzustecken scheint, läßt viele Szenen hölzern wirken.

Diese "Schwäche" des Films ist um so bedauerlicher, als Karin Brandauer und ihr Team ansonsten ein künstlerisches Potential offenbaren, wie man es selten im deutschen Film sieht. Das fängt mit der Exposition an, die ein kleines inszenatorisches Meisterwerk ist: da korrespondiert das Blau und Rot zweier eine grüne Wiesenlandschaft einrahmender Blumen mit den blauen und roten Kissen der nächsten Einstellung, in der sich "Aschenputtel" mit ihren Eltern zum Picknick niederläßt. Und in einer durch die distanzierte Darstellung emotional stark wirkenden Szene vermittelt sie dem Betrachter den Tod der Mutter: aus der abfahrenden Kutsche hängt ihr Arm, aus dessen erschlaffender Hand ein Blumenstrauß fällt. Ausgeklügelte Bild- und Farbkompositionen ziehen sich dann durch die gesamte Inszenierung, die von einem einfallsreichen Soundtrack unterstützt wird, der manchmal ironisch kommentierend, dann wieder gefühlvoll untermalend Personen und Situationen charakterisiert. Ein Märchenfilm der ganz anderen Art, dessen Feinheiten sich vielleicht nur älteren Kindern erschließen, dessen "Schauwerte" aber auch die jüngeren bei der Stange hält.
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