Denen man nicht vergibt

wernstein@web.de | 18.04.2024

Ein Komplementärfilm zu John Fords „Der Schwarze Falke“ (1956): Eine junge Indianerin (Audrey Hepburn) wächst als Adoptivtochter in einer texanischen Rancherfamilie unter dem Namen Rachel auf, allerdings ohne über ihre Herkunft in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Als die anderen Viehzüchter und Cowboys davon erfahren, treten deren rassistische Vorurteile unverhohlen zu Tage und führen zu Ausgrenzung, Diskriminierung und wirtschaftlicher Ausgrenzung der Familie Zachary innerhalb des Verbunds der Viehbarone, die keine „Kiowa Squaw“ in ihrer Mitte dulden wollen. John Hustons Absicht, im Gewand eines Westerns die Bedeutung von Rassismus, Xenophobie und Frauenfeindlichkeit in den Gesellschaften Nordamerikas herauszuarbeiten, ist unverkennbar, scheitert aber letztlich an den eigenen Ansprüchen. Nur in den Nebenfiguren findet man stimmige Charakterentwürfe: Der hochdekorierte US-Kriegsheld des Zweiten Weltkriegs Audie Murphy als ein von Indianerhass verblendeter Sohn des Zachary-Clans, Charles Bickford als rassenideologischer Meinungsführer der Viehzüchtervereinigung, Lillian Gish als verzweifelte Adoptivmutter und Josph Wisemans bemerkenwerter, nahezu geisterhaft-dämonischer Auftritt als Abe Kelsey, der gewissermaßen eine grauenerregende Allegorie weißer Blutschuld aus den vergangenen Tagen der Indianerkriege darstellt, die nicht wirklich getilgt und verdrängt werden kann. Am offensichtlichsten leidet der Film jedoch unter der fehlbesetzten Audrey Hepburn, aber auch die weiteren Darsteller, die Indianer verkörpern sollen, wirken überzeichnet und im negativen Sinne klischeehaft. Während des ambivalenten Finales kulminieren diese pejorativen Stigmatisierungen der indianischen Protagonisten in der Erschießung von deren Anführer Lost Bird durch die Hand Rachels, der zuvor versucht hat, seine indigene Blutsschwester zurück in die familiäre Obhut des Indianerstammes zu überführen. Die damit getroffene bewusste Entscheidung der jungen Frau für ihre Adoptivfamilie ist nicht schlüssig, nachdem man sie innerhalb der weißen Gemeinschaft zuvor auf drastische Weise rassistisch gedemütigt und erniedrigt hat. Vielmehr ist sie einem unglaubwürdigen Happyend geschuldet: Der älteste und angsehenste Sohn der Zacharys Ben (Burt Lancaster) findet nun endlich den Mut, sich sein romantisches Interesse an Rachel einzugestehen und diese in die Arme zu schließen. Trotzdem bleiben Hustons packende Inszenierung und Franz Planers fulminante Kameraarbeit den Zuschauern nachhaltig im Gedächtnis und lassen ein von unaufgelösten, sowohl politischen und moralischen Ambivalenzen geprägtes edles Filmkunstwerk entstehen, das selbst im Scheitern nicht wirklich etwas von seiner Strahlkraft als Klassiker der Westernfilmgeschichte eingebüßt hat.