Queen of Diamonds

- | USA 1991 | 77 Minuten

Regie: Nina Menkes

Szenen aus dem Leben einer professionellen Kartengeberin. Man sieht sie bei der Arbeit, in der Freizeit und bei der Pflege eines sterbenskranken Mannes. Ein Film über Glücksverheißungen und -vorstellungen des Lebens und die Sinnsuche des Menschen. Auf hohem Abstraktionsgrad, symbolträchtig und in ungewohnt langsamem Erzählrhythmus inszeniert. (O.m.d.U.; Fernsehtitel: "Karodame F")
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Filmdaten

Originaltitel
QUEEN OF DIAMONDS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Menkes Film
Regie
Nina Menkes
Buch
Nina Menkes · Phil Dusenberry
Kamera
Nina Menkes
Schnitt
Tinka Menkes · Nina Menkes
Darsteller
Tinka Menkes (Firdaus) · Jeff Douglas · Emmellda J. Beech · Kathryn Francomacaro · Jeffrey Eget
Länge
77 Minuten
Kinostart
-
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Diskussion
Eine Frau mit dem merkwürdigen Namen Firdaus lebt als Black Jack Dealerin in Las Vegas. Man sieht sie bei der Arbeit, am Ufer eines Sees, in ihrer Wohnung, in der Stadt. Sie pflegt einen alten Mann bis zum Tod, trifft sich mit einer Freundin, ihr Nachbar schlägt seine Frau. Man sieht verfallene Häuser in der Wüstenlandschaft um Las Vegas, und man sieht den menschenleeren Strand.

Alle Orte erscheinen in einem Zustand zwischen Paradies und Vergiftung, zwischen dem, was zu erstreben und dem, was schon gestorben ist. Durch diese Räume geht die Heldin wie im Schlaf. Sie ist blaß, spricht wenig, hat lange rote Fingernägel und einen stets rot geschminkten Mund. Sie entäußert einen inneren Zustand, ohne in ihrem Handeln eingeschränkt zu sein; offensichtlich hat sie Freunde, nimmt am sozialen Leben teil, geht ihrer Arbeit nach. Nur ihr Mann ist abwesend, und sie weiß nicht, wo er ist. Doch die Suche nach ihm geschieht mit der gleichen Teilnahmslosigkeit, mit der die Frau sich durch die ganze Szenerie bewegt. Als "zutiefst entfremdet und von starker übersinnlicher Wahrnehmungsfähigkeit" beschreibt Nina Menkes ihre Heldin, und sie inszeniert ihre Entfremdung und ihre Wahrnehmungen zugleich als Zustandsbeschreibung der Welt. Die Karo-Dame, mit der der Film beginnt, steht nicht nur für die Figur der Frau, die als Figur des "Spiels" Film Wert gewinnt, die Karo-Dame steht auch als Figur für ein "Lebensspiel", das keine andere Teilhabe an Sinnhaftigkeit mehr kennt als die Abstraktion des Geldes. Vom Begehren nach Geld und Glück nimmt dieser Film seinen Ausgang. Wenn es in dem Film so etwas wie einen dramaturgischen Höhepunkt gibt, dann ist es eine lange Szene, die die Frau bei der Arbeit im Casino zeigt. Sie ist aus mehreren Perspektiven und mit wechselnder Besetzung des Spieltisches gefilmt. Da ansonsten fast jede Einstellung mit unbewegter Kamera und oft in der Totalen aufgenommen ist, gewinnt die Szene im Casino zentrifugale Kraft. Um sie herum gruppieren sich die Bilder der Glücksversprechen Geld und Liebe und einige Bilder des Todes. In Menkes Film korrespondieren die Abstraktheit des Lebens und ihre Eskalation in der Gewalt mit einer Verkitschung des Gefühls und mit seiner Erstarrung im Ritual. Ihrer fast stummen Heldin dagegen sieht man keine Gefühle an. Wenn die Nachbarin trotz blauen Auges heiratet, am Strand in einer weißen Kulisse mit Riesenkuchen und Elvis Presley Imitator, geht Firdaus stoisch fort. Am Schluß steht sie im wehenden weißen Kleid am Straßenrand und trampt. Egal, was ihr passieren wird, es ficht sie nicht mehr an; für die Frau ist ein Sinn nur mehr einholbar in der Vision. Die Wahrnehmungen der Frau sind integriert in Handlungen, von denen man nicht weiß, ob sie "wirklich" stattfinden oder ob die Frau sie sich vorstellt. Was sie sieht, oder was ihr sehend geschieht, nimmt Bezug auf christliche Symbole, die jedoch verändert werden und damit in gleichem Maße, wie sie die alten negieren neue Sinnzusammenhänge bilden. Einer nächtlichen Prozession, bei der ein kopfüber Gekreuzigter mitgeführt wird, steht die Frau gegenüber. In mehreren Einstellungen wird gerade dieses Gegenübersein thematisiert: man sieht die Prozession aus der Perspektive der Frau auf sich zukommen, dann steht die Kamera hinter ihr und gibt ihre Distanz zum Geschehen frei. Später gibt es eine Einstellung, die die Frau und einen Mann mit einer brennenden Palme zeigt. Doch weder erhält die Frau wie Mose durch den brennenden Dornbusch einen Auftrag, noch signalisiert das Feuer Leidenschaft (der Mann geht vor ihr aus dem Bild). Auch diesem "Schauspiel" steht die Frau distanziert gegenüber, wenngleich schon näher als der Prozession (diesmal wird nicht aus ihrer Perspektive gefilmt, sondern sie, der Mann und die Palme bleiben sechs Minuten statisch im Bild). Danach, bei einem Abendessen mit einem Mann, taucht in ihrem Fisch ein Ring auf, worauf sie aufsteht und geht. Es bildet sich in diesen Einstellungen eine Entwicklung ab von zunehmender Involviertheit der Frau in ihre Wahrnehmungen und von zunehmender Ablehnung ihres latenten symbolischen Gehalts. Die Liebe (zu Gott, zum Mann) ist der Frau (und Firdaus ist in ihrer minimalistischen Gestalt "die Frau") nicht mehr erfahrbar.

Die Uneinlösbarkeit auch eines transzendentalen Glücksanspruchs in einer von der Abstraktion des Geldes beherrschten Welt ist in Menkes Film nicht allein Thema, sondern auch Form geworden. Es gibt keine Geschichte mit einem anfänglich gestellten Problem, das am Ende gelöst wird. Die Montage dient auch nicht in erster Linie einer Erzählung, bei der die Einstellungen als einzelne aufgehen im diegetischen Sinnhorizont, sondern sie bleiben Tableaus, statischen Fotogrammen gleich, deren je einzelne Ausdeutbarkeit das Gefüge einer erzählten Geschichte übersteigt. Die Wahrnehmungen der Frau sind Bilder ohne erzählerische Funktion, auf Grund ihrer Dauer und ihrer Ikonografie ist ihre Dominante visuell und nicht narrativ. Auch die Handlungen der Personen und die gezeigten Ereignisse verlaufen nicht auf einer chronologischen Achse, die einzelnen Szenen verhalten sich zueinander nicht unbedingt zeitlich und die folgende Einstellung klärt über die vorangegangene nicht auf. Mit seinem langsamen Rhythmus, seiner Verweigerung psychologischer Erklärungen und seiner archetypischen Ikonografie (einschließlich der biblischen Orte Wüste und See) ist "Queen of Diamonds" weder leicht verständlich noch schnell zu sehen, und ebenso wie der Zuschauer hat es auch die Kritik mit einem solchen Film nicht leicht. Die etwas hilflose Häufung von Adjektiven wie mysteriös, ergreifend, surrealistisch oder rätselhaft gibt nicht nur zu, daß auch die Kritik vom schnellen Genuß sich nährt, sondern bezeugt zugleich, wie beharrlich sich "Queen of Diamonds" dem Kinoalltag widersetzt. Doch Erfolg und Qualität waren schon immer zweierlei.
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