Life is Sweet

Tragikomödie | Großbritannien 1990 | 109 (gek. 98) Minuten

Regie: Mike Leigh

Das scheinbar wohlgeordnete Leben einer englischen Mittelstandsfamilie - Eltern und Zwillingstöchter - zeigt sein wahres Gesicht, als hinter der Fassade von aufgesetzter Fröhlichkeit Ängste und (gesellschaftliche) Krankheiten zum Vorschein kommen. Anfangs aufgedreht fröhliche, dann zunehmend groteskere Komödie um Menschen, die ihre selbstgewählte Rolle im Leben nur ungenügend ausfüllen. Ein hervorragend inszenierter, trotz aller Garstigkeiten einfühlsamer und warmherziger Blick auf die britische Mittelschicht. (Kino O.m.d.U; Titel der im Fernsehen ausgestrahlten Synchronfassung: "Das Leben ist süß") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LIFE IS SWEET
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1990
Produktionsfirma
Thin Man Films/Film Four/British Screen
Regie
Mike Leigh
Buch
Mike Leigh
Kamera
Dick Pope
Musik
Rachel Portman
Schnitt
Jon Gregory
Darsteller
Alison Steadman (Wendy) · Jim Broadbent (Andy) · Claire Skinner (Natalie) · Jane Horrocks (Nicola) · Timothy Spall (Aubrey)
Länge
109 (gek. 98) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Tragikomödie
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Diskussion
Andy ist Chef einer Großküche und achtet auf Sauberkeit und Ordnung. Wendy verkauft Kinderkleidung und knuddelt die Kleinen. Natalie arbeitet als Klempnerin und plant ihren Amerika-Urlaub. Nicola ist arbeitslos und psychotisch. Eine englische Mittelstandsfamilie, die es geschafft hat und auch weiterhin schaffen will, unter deren Oberfläche es jedoch gärt. Das traute Heim ist kein isolierter Fels in der Brandung, das Geld ist knapp, Arbeitslosigkeit herrscht vor, sogar der Fußball hat seinen Reiz verloren. Doch Andy und Wendy wollen sich nicht unterkriegen lassen. Stets lachend begegnen sie den Unbillen des Lebens; sogar als Andy sich ein Bein bricht, prustet Wendy los, wenig später lacht auch er - ein wenig schmerzverzerrt - über sein Mißgeschick. Die Eltern sind so heiter, daß sie hinter der Fassade ihre Alltags ihre Angst nur noch schwer verbergen können, Hysterie schwingt ein wenig mit. Und zur Angst haben sie allen Grund. Nicht nur die angespannte wirtschaftliche Lage bereitet Sorgen, mit der kranken Nicola haben die Sorgen schon vor Jahren Einzug ins Haus gehalten. Damals wäre das Mädchen fast verhungert, nun leidet es an Bulimie, entzieht sich, weil es glaubt, nicht so wie die Zwillingsschwester Nathalie geliebt zu werden, ist störrisch und ungepflegt. Alle Männer sind in ihren Augen Vergewaltiger und "sexistische Schweine"; Andy ist natürlich ein "Kapitalist", die Mutter nur dumm und naiv. Miteinander reden ist schon lange nicht mehr möglich, und Nicola sucht in erniedrigenden Sexspielen Erleichterung. Natürlich findet sie keine Lösung, da sie ihren Geliebten nicht als Mensch akzeptiert und vor Selbstekel fast zugrunde geht. Erst als der Leidensdruck sie zu überwältigen droht, erst als auch Wendys Fassade bröckelt und sich die stets lachende Frau als hilflos-sorgende Mutter zu erkennen gibt, kann man aufeinander zugehen, einen neuen Anfang machen; vielleicht hilft es ja.

Die Inhaltsangabe von "Life is Sweet" hört sich nicht besonders spaßig an; die Keimzelle Familie als Focus aller gesellschaftlichen Probleme. Doch Mike Leigh bettet den ungewöhnlichen Alltag gewöhnlicher Leute virtuos in eine komödiantische Form ein. Kleine, feine Gedanken und Ideen sind es zumeist, durch die der schöne Schein aufgebrochen wird und sich das wahre Sein zu erkennen gibt. Und plötzlich ist nichts mehr so, wie es den Anschein hatte und der Zuschauer, der gerade noch schmunzelte, schaut in einen Abgrund aus Verletzlichkeit, Angst vor Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Am besten funktioniert das natürlich bei Nicola, die zu Beginn nur ein Ekelpaket am Rande der Lächerlichkeit ist, und deren Charakter sich der Zuschauer völlig neu definieren muß, wenn die Gründe für ihr asoziales Verhalten deutlich werden. "Life ist sweet" berichtet aber auch von den Bemühungen und Anstrengungen der Menschen, den mühsam erworbenen Wohlstand zusammenzuhalten. Vor dem schmucken Reihenhaus verrottet ein ausrangierter Imbiß-Wagen, den Andy in Schuß bringen will, um sich endlich selbständig machen zu können. Und Aubrey, ein Freund des Hauses, der sowohl auf Wendy als auch auf Nicola scharf ist, sich aber nur im Suff traut, es zu zeigen, versucht, an das wirklich große Geld heranzukommen. Er eröffnet ein Spezialitäten-Restaurant und hofft auf Yuppie-Kunden. Doch die Kundschaft bleibt aus; kein Wunder, listet seine Speisekarte doch eher die Scheußlichkeiten der englischen Küche auf (Leber in Lagerbier, Ente in Schokoladensauce) denn die Feinheiten eines Gourmet-Tempels. Ein Traum mehr, der zerplatzt. Bei aller Kritik an seinen Personen und ihrem Verhalten - schließlich erfüllt kaum jemand das Bild, das er sich von sich selbst macht- denunziert Leigh seine Figuren nicht. Er legt- manchmal sarkastisch - seinen Finger auf die Wunden, die das Leben und die Gesellschaft ihnen und sie sich selbst zufügten.
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