Supergirl (1970)

Science-Fiction | BR Deutschland 1970 | 100 Minuten

Regie: Rudolf Thome

Eine geheimnisvolle junge Frau verwirrt Männer durch ihre überirdische Schönheit, aber auch durch rätselhafte Berichte über Gefahren, die aus dem Weltall drohen. Das eigenwillig-sympathische Frühwerk von Rudolf Thome entstand 1970 als unbeschwert-vertrackter (Fernseh-)Film, der betont „naiv“ mit filmischen Erzählformen und Klischees spielt. Getragen von einer nonchalanten, mitunter geradezu aufreizend unterspielten Lässigkeit, fasziniert der Film durch zeitgeistigen Flair, satte Farben und einen stets abwesend wirkenden und doch höchst präsenten Hauptdarsteller. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
BR Deutschland
Produktionsjahr
1970
Produktionsfirma
Rudolf Thome
Regie
Rudolf Thome
Buch
Max Zihlmann · Rudolf Thome
Kamera
Affonso Beato
Musik
Mainhorse Airlines
Schnitt
Jane Sperr
Darsteller
Iris Berben (Supergirl) · Marquard Bohm (Evers) · Karina Ehret-Brandner (Elsa Morandl) · Jess Hahn (Polonski) · Nikolaus Dutsch (Charly)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Science-Fiction | Komödie
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Heimkino

Der Film liegt auf DVD in einer digital restaurierten, von Rudolf Thome betreuten Neu-Abtastung vor.

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Diskussion

Alien-Mädchen trifft auf 1970er-Jahre-Slacker, der der bevorstehenden Weltinvasion mit bemerkenswerter Coolness begegnet: eine Hommage an einen Klassiker von Rudolf Thome.

Um ein Haar wäre »Supergirl, das Mädchen von den Sternen« das Spielfilmdebüt von Rudolf Thome geworden. Die Idee zum Film stammte von Thome selbst, das Drehbuch hatte er zusammen mit Max Zihlmann geschrieben. »Supergirl« hatte sogar schon einen Verleih und war bereits vor Drehbeginn an etwa 200 Kinos vermietet. Dann aber las jemand vom Verleih das Drehbuch – und das Projekt platzte. Viel zu normal für einen Science-Fiction-Film, lautete die Begründung für die Absage. Zwei Spielfilme später – nach »Detektive« und »Rote Sonne« (beide 1969) – erinnerte sich Rudolf Thome wieder an das Drehbuch, als ihm der WDR anbot, »auf die Schnelle« einen Spielfilm zu drehen. Was seinerzeit an »Supergirl« kritisiert wurde, macht gerade den Reiz von Thomes Münchner Filmen aus. Max Zihlmann schreibt betont große Kino-Geschichten, die von Thome in gewissem Maße »naiv«, aber mit viel Farbe in Szene gesetzt werden.

"Die Männer Männer spielen zu lassen, ist ein rührender Trick"

Frieda Grafe hat den Reiz, der von dieser Spannung zwischen Drehbuch und Realisierung ausgeht, im Zusammenhang mit »Rote Sonne« beschrieben: »Die Männer Männer spielen zu lassen, ist ein rührender Trick; wie Kinder, die im Dunkeln singen.« Der coolste Sänger beim frühen Thome ist Marquard Bohm, der seinen Rollen als Darsteller geradezu störrisch Widerstand entgegensetzt – beispielsweise indem er so tut, als ginge ihn die Handlung des Films überhaupt nichts an. Gegen Marquard Bohm erscheint der abgeschlaffte Werner Enke in May Spils’ »Zur Sache, Schätzchen« (1968) wie ein streberhaftes Energiebündel. Jeder Zentimeter »Bohm« signalisiert ein »Mit mir nicht!« In »Supergirl« taucht Iris Berben buchstäblich aus dem Nichts auf und stoppt an der Autobahn nach München den Sportwagen eines schönen Playboys. Mehr braucht es nicht, um weniger eine Geschichte zu erzählen als vielmehr zu zeigen, wie Darsteller sich an einer Geschichte abarbeiten.

Das mysteriöse »Supergirl« Francesca Farnese kommt von einem fernen Planeten, um die Menschen vor einer bevorstehenden Invasion zu warnen. Doch sie fällt unter Leute aus der Film- und Literaturszene, die sich nicht für die Botschaft interessieren, sondern mit diversen Projekten und dem Totschlagen von Zeit beschäftigt sind. Trotzdem ist viel Bewegung im Film, unterlegt vom frühen Prog-Rock der Schweizer Band »Mainhorse Airline«: Von München geht es über den Starnberger See und den Bodensee nach Zürich, dann nach Sète ans Mittelmeer, danach nach Paris und Madrid. Marquard Bohm spielt den Erfolgsautor Paul Evers, der für den Filmproduzenten Polonsky ein Drehbuch schreiben soll, aber irgendwie nicht kann und will und sich stattdessen vor laufender Kamera fortwährend Kette rauchend betrinkt (und, glaubt man Thome, während der Dreharbeiten kaum zu disziplinieren war).

Dass der Film etwas nachlässig nachsynchronisiert wurde und Bohm zudem gerne mit dem Rücken zur Kamera agiert, sorgt für weitere Verfremdungseffekte. Zumal Evers mitunter unvermittelt Sätze sagt wie: »Ich liebe geheimnisvolle Frauen. Sie sind mein Untergang. Meistens haben sie gar kein Geheimnis!« Unbekümmert fügt »Supergirl« Szene an Szene, Versatzstück an Versatzstück zum einem Ganzen, das seinen synthetischen Charakter geradezu ausstellt. Obwohl es um nichts weniger als den drohenden Weltuntergang geht, zeigt der Film mit nonchalanter Gelassenheit, wie Supergirl in der Disco das Tanzen lernt, wie Evers’ Haare im Wind wehen, wie schön amerikanische Autos mit Starnberger Autokennzeichen sind (oder umgekehrt!), wie man in Paris Zeitungen kauft und wie man bockig in der Gegend herumsteht.

Verbeugungen vor Jean-Luc Godards Filmen »Außer Atem« und »Elf Uhr nachts« sind mit Händen zu greifen. Eddie ­Constantine und Rainer Werner Fassbinder sind ebenso mit von der Partie wie Klaus Lemke, der einen US-amerikanischen Regisseur spielt, der »Supergirl« auf den Punkt bringt: »She makes me feel sexy all over!« Und dann kurz lacht. Am Schluss verschwindet Francesca wie sie gekommen ist, und es bleibt offen, ob sie sich ihre Geschichte nur ausgedacht hat. Zurück bleiben ein paar Comics und ein ratlos-hilfloser Blick in den blauen Himmel am Starnberger See. Thome erinnert sich, dass er nach der Fernsehausstrahlung viele böse Anrufe bekam, weil sich die Leute von ihm verschaukelt fühlten.

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