Der Gefallen, die Uhr und der sehr große Fisch

Komödie | Großbritannien/Frankreich 1991 | 94 Minuten

Regie: Ben Lewin

Ein leicht versponnener Fotograf, der hingebungsvoll kitschige Heiligenbildchen arrangiert und ablichtet, gerät auf der Suche nach einem geeigneten Jesus-Darsteller an einen Pianisten und Ex-Häftling, mit dem ihn bald Freundschaft, aber auch Rivalität zur gleichen Frau verbinden. Zähflüssige Komödie mit absurden Seitentrieben, deren satirische Attacken auf das Geschäft mit dem Glauben ebenso plump und stumpf bleiben wie die gesamte Handlung. - Ab 16 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
THE FAVOUR, THE WATCH AND THE VERY BIG FISH | LA MONTRE, LA CROIX ET LA MANIERE
Produktionsland
Großbritannien/Frankreich
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Umbrella/Fildebroc/Ariane
Regie
Ben Lewin
Buch
Ben Lewin
Kamera
Bernard Zitzermann
Musik
Vladimir Cosma
Schnitt
John Grover
Darsteller
Bob Hoskins (Louis Aubinard) · Natasha Richardson (Sybil) · Jeff Goldblum (Pianist) · Michel Blanc (Norbert) · Jean-Pierre Pascal (Zalman)
Länge
94 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16 möglich.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Der Titel erinnert an Greenaways "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" (fd 27 956), die Stimmung an Altaians Paris-Komödie "Therapie zwecklos" (fd 26 752). Nach des einen Erfolg und des anderen ebenso liebenswerten wie spleenigen Figuren mögen Produktion und Regie geschielt haben, doch die eigentliche Vorlage, eine nur zehn Seiten umfassende Erzählung, stammt aus dem Jahr 1934 und von einem einst populären Romancier, der im Frankreich der 50er Jahre häufig adaptiert wurde: Marcel Aymé verfaßte mit poetischen und folkloristisch-sozialkritischen Akzenten die Romanvorlagen für "Papa, Mama, Kathrin und ich" von Jean-Paul Le Chanois (1954), "Zwei Männer, ein Schwein und die Nacht von Paris" (1956) und "Die grüne Stute" (1959), beide von Claude Autant-Lara, sowie "Die Schüler" von Michel Boisrand (1959) - sanfte Satiren auf den nicht immer aufrechten Gang seiner Landsleute, die beispielsweise während der Okkupation durch ihre Fähigkeit zur Anpassung zu Begünstigung und Ansehen gelangten. Auch Aymés frühe (Vorkriegs-)Geschichte "Rue Saint-Sulpice" (auch: "Le Faim du Pianiste") attackiert spitzfindig den Ausverkauf menschlicher, sozialer und vor allem religiöser Werte: Das Pariser Viertel um die Kirche Saint Germain des Pres war zu jener Zeit voller Geschäfte, die einen so eifrigen Devotionalienhandel betrieben, daß man sich die angepriesenen Rosenkränze, Heiligenbilder und Kruzifixe nur noch als "von der Stange" hergestellt erklären konnte. Aymé konstruierte darum eine Kette aus Zufällen, innerhalb der ein Pianist, der für Heiligenbilder als Jesus posiert, allmählich an seine eigene Göttlichkeit glaubt - eine deftige Metapher, mit der Aymé die mitunter verhängnisvolle Bedeutung von (Ab-)Bildern, den Verlust von Wirklichkeitssinn sowie skrupelloses Vermarkten von (Glaubens-)Werten attackiert. Auch in Ben Lewins Verfilmung spielt der Pianist noch eine wichtige Rolle - ist aber nunmehr vor allem exotisch-dekorativer Gaglieferant m einem Reigen skurriler Figuren und Begebenheiten. Hauptfigur ist jetzt ein ebenso hingebungsvoller wie versponnener Fotograf, der mit Erfolg kitschige Heiligenszenen arrangiert und ablichtet, aber vor der von seinem Geldgeber dringend geforderten Aufnahme der Leiden Jesu zurückschreckt: zu schwer erscheint es ihm, einen geeigneten "Darsteller" zu finden. Als er einem erkrankten Freund einen Gefallen erweisen will und sich gänzlich ahnungslos als Synchron-"Sprecher" eines Pornofilms wiederfindet, verliebt er sich in seine "Partnerin" Sybil. Sie erzählt ihm von ihrer einstigen Liebe zu einem Pianisten, der unmittelbar vor ihrer ersten gemeinsamen Liebesnacht ins Gefängnis mußte; da sie unerwartet einem Geiger zu verfallen drohte, wurde der Pianist zum gewalttätigen "Rächer". Nun steht seine Haftentlassung an, und Louis müsse ihr helfen, diese Situation zu meistern. Mißverständnisse und Zufälle mischen diese Ausgangssituation neu: Louis verliert Sybil und findet - erneut ahnungslos - dennoch zu dem Pianisten und Ex-Häftling, der zu seinem langhaarigen, ausgemergelten und leidenschaftlich-leidenden Jesusdarsteller avanciert. Sie werden zu Freunden und gleichzeitig zu Rivalen um Sybils Gunst, und erst die seltsame "Karriere" des Pianisten, der sich bald als leibhaftiger Wundertäter und Gottessohn wähnt, bringt eine tödliche Entscheidung: denn übers Wasser gehen zu können, verlangt in der Tat ein Wunder.

Eine komödiantische Liebesgeschichte mit absurden Seitentrieben und satirischen Spitzen gegen (aus Lewins Sicht) übertrieben praktizierten Glauben sowie gegen die beutelschneiderischen Praktiken, die aus dem Geschäft mit dem Glauben erwachsen - das wollte der Film vielleicht sein, ist aber von allem allenfalls etwas und damit in der Summe gar nichts. Ohne überzeugendes Gespür für Komik und/oder Poesie dümpelt die Geschichte der Zufälligkeiten dahin und entfernt sich gedanklich immer weiter von Aymés Anliegen. Lewin mag die Schwachstellen gespürt haben und versucht sich an einigen geschmacklosen Deutlichkeiten, um zu attackieren und Tabus zu verletzen. Dabei ist er freilich nie aufklärerisch-entlarvend und allenfalls durch die Plumpheit der Darstellung verletzend, beispielsweise wenn er mit naturalistischer Deutlichkeit "seinen" Jesus ans Kreuz nageln läßt, um daraus ein besonders gelungenes Devotionalien-Foto herzustellen. Daß der Film letztlich weder trifft noch verärgert, vielmehr regelrecht verpufft, liegt an seiner formalen wie erzählerischen Belanglosigkeit. Wo Aymé eine eigene Form der literarischen Satire fand, entscheidet sich die Verfilmung für die Versatzstücke einer vermeintlich "europäischen" Komik und wird dabei kontur- und belanglos.
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