Jana und Jan

Jugendfilm | Deutschland 1991 | 87 Minuten

Regie: Helmut Dziuba

Die in einem Erziehungsheim lebende 17jährige Jana macht ihren 15jährigen Mitbewohner Jan wegen einer Wette zum "Mann", erwidert aber nach und nach seine echten Gefühle. Gemeinsam trotzen sie den Anfeindungen ihrer Umwelt und fliehen schließlich, als Jana ein Kind erwartet, aus dem Heim. Porträt einer verlorenen und verlassenen Jugend zur Zeit des politischen Umbruchs in der DDR. Sensibel gestaltet und gespielt, verweigert sich der Film einem vordergründigen Unterhaltungsbedürfnis. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
DEFA/ZDF
Regie
Helmut Dziuba
Buch
Helmut Dziuba
Kamera
Helmut Bergmann
Musik
Christian Steyer
Schnitt
Rita Reinhardt
Darsteller
Kristin Scheffer (Jana) · René Guß (Jan) · Julia Brendler (Julia) · Corinna Stockmann (Lady) · Karin Gregorek (Natter)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Jugendfilm | Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
DDR 1989: Der 15j ährige elternlose Jan wird wegen versuchter Republikflucht in ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche eingewiesen und gleich zum Objekt einer Wette: die 17jährige Jana will ihn zum "Mann machen", um damit Anführerin der Mädchengruppe zu werden. Die "Liebe auf Kommando" gelingt, aber anders, als sie sich das vorgestellt hat. Jan verliebt sich in Jana, und sie läßt sich nach anfänglichem Zögern auf die Beziehung ein. Obwohl ihre Liebe von den Heiminsassen in den Schmutz gezogen wird, stehen sie zueinander. Als Jana schwanger wird und das Kind abtreiben will, rastet Jan aus und stößt sie eine Treppe hinunter. Während Jan in eine geschlossene Anstalt strafverlegt wird, entschließt sich Jana kurz vor dem Eingriff, das Kind auszutragen. Mit dem Fall der Mauer bricht auch das Erziehungssystem der DDR auseinander. Jan wird in den Werkhof zurückgebracht, und gemeinsam mit der hochschwangeren Jana flieht er Richtung Westen. In einem verlassenen Kontrollturm auf dem ehemaligen Todesstreifen setzen dann die Wehen ein.

Schon in der DDR nutzte Helmut Dziuba die "Freiheiten" des Kinder- und Jugendfilms, um gesellschaftliche Mißstände aufzudecken ("Sabine Kleist, 7 Jahre"; "Erscheinen Pflicht"; "Verbotene Liebe"). Auch nach der Wende ist Dziuba seinem Genre treu geblieben - und wird es schwer haben, sein Publikum zu finden. Denn der Markt für "Jugendfilme" ist besetzt von zumeist amerikanischen, auf ein jugendliches Publikum zugeschnittenen Großproduktionen. Schade, daß ein Film wie "Jana und Jan", der seine jugendlichen Protagonisten ernst nimmt, auf dermaßen massive Verleih-Schwierigkeiten stößt. Dabei ist Dziubas Film in keiner Sekunde belehrend oder "akademisch". Ihm geht es um die Darstellung der Gefühlswelt einer selbst im professionell pädagogischen Umfeld alleingelassenen Jugend, die nicht nur gegen das Unverständnis ihrer Erzieher, sondern auch gegen die Feindseligkeit ihrer Schicksalsgenossen ankämpfen muß. Den psychischen Druck, den die Gesellschaft auf sie ausübt, geben sie untereinander in einer sehr direkten, auch brutal körperlichen Art weiter. Die Hierarchien im Heim muten an wie aus einer längst vergangenen Zeit, und doch sind sie Realität. Die, die sich mit Solidarität das (Heim-)Leben erleichtern könnten, erschweren es sich durch eine geradezu unmenschliche Hackordnung. Dziuba wird selten direkt; er schildert den Druck und die Aggressionen, denen seine Hauptfiguren ausgesetzt sind, eher beiläufig. Dadurch wirkt das Ganze noch alltäglicher, noch erschreckender. Keine seiner Figuren ist zur Karikatur verzeichnet. So wird der Zuschauer nicht in ein Freund-Feind-Schema hineingedrängt, sieht eher die gesellschaftlichen Zusammenhänge, die hinter dem Handeln der Personen stehen. Daß sich diese auch nach der Wiedervereinigung zumindest für die Jugendlichen nicht wesentlich geändert haben, macht der Film treffend deutlich: spürte man während der (West-)Fernsehberichte über die Leipziger Montagsdemonstrationen und die Wahlauftritte Helmut Kohls noch eine gewisse Spannung unter den Heiminsassen, so ist das "Umsturz"-Ergebnis ernüchternd: der eher verständnisvolle Heimleiter ist nun Erzieher, und der früher Gewalt tolerierende Erzieher sitzt an dessen Schreibtisch, hinter dem Honeckers Bild durch ein Stadtwappen ersetzt worden ist.

Mit dem gleichen Gespür für Nuancen führt Dziuba seine jungen Darsteller, meist Laien, durch den Film. Gerade in den heiklen Szenen entwickelt er eine Zärtlichkeit, die wie eine Oase der Hoffnung im tristen Heimalltag wirkt. Und wer in die "Nebensätze" hineinhört, dem wird auch klar, daß die Deformationen, die im Heim so deutlich zutage treten, draußen in der "normalen" Umwelt gezüchtet wurden: Julia begeht Selbstmord, weil ihre früher in den Westen geflüchtete Mutter sie auch nach der Grenzöffnung nicht zu sich holen will. Und Jan und Jana möchten die ganze Liebe, die ihnen bisher verwehrt wurde, ihrem Kind schenken, dessen Erziehung sie sicherlich vor viele Probleme stellen wird. Aber Dziubas in klaren Bildern erzählte Geschichte strahlt in jeder Sekunde Mut zum Überleben aus.
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