Die Rache des Wolfes

Western | Kanada 1991 | 98 Minuten

Regie: Richard Bugajski

Ein wie aus dem Nichts auftauchender Indianer entführt einen rücksichtslosen, für die Abholzung von Wäldern verantwortlichen Geschäftsmann und einen pazifistischen weißen Umwelt-Anwalt in die Wildnis Kanadas und setzt sie physischer und psychischer Folter aus. Grandios fotografierter "moderner Western", der die These des gewaltlosen Widerstandes in Frage stellt und durch seine kompromißlose Härte die Unterdrückung eines Volkes schmerzhaft erfahrbar macht. (TV-Titel auch: "Clearcut - Die Rache des Wolfes")
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Filmdaten

Originaltitel
CLEARCUT
Produktionsland
Kanada
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Cinexus/Telefilm
Regie
Richard Bugajski
Buch
Rob Forsyth
Kamera
François Protat
Musik
Shane Harvey
Schnitt
Michael Rea
Darsteller
Graham Greene (Arthur) · Ron Lea (Peter) · Michael Hogan (Bud) · Floyd Red Crow Westerman (Wilf) · Rebecca Jenkins (Louise)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Western | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Der deutsche Titel ist nur ein Versuch des Verleihs, sich an den Erfolg von "Der mit dem Wolf tanzt" (fd 28 748) anzuhängen. Zwar hat "Clearcut" mit Kostners Film das Thema "Indianer" gemeinsam, aber der aus Polen stammende Richard Bugajski interessiert sich weniger für die nostalgisch-unverbindliche Sympathiekundgebung gegenüber einer nahezu ausgerotteten Rasse als für deren gegenwärtige Situation. "Clearcut", das bezeichnet das totale Abholzen eines Waldes, bei dem auch Bäume gefällt werden, die für die Industrie unbrauchbar sind. Daß dabei das ökologische Gleichgewicht gestört und der Lebensraum der indianischen Ureinwohner vernichtet wird, nehmen Politiker und Unternehmer billigend in Kauf, unterstützt von Juristen, die ein Recht sprechen, das mit Gerechtigkeit nichts mehr zu tun hat. Einer dieser schon alltäglich gewordenen Fälle ist Ausgangspunkt des im hohen Norden Kanadas spielenden Films.

Eine Gruppe von Indianern und Umweltschützern hat gerade einen Prozeß gegen eine Papierfabrik verloren und versucht nun, das zu rodende Gelände zu besetzen. Die Polizei treibt die Demonstranten auseinander. Peter, der weiße Anwalt der Indianer, versucht die drohende Eskalation zu verhindern, obwohl er selbst voller Aggressivität gegen den rücksichtslosen Geschäftsmann Bud steckt, der seinen Vermittlungsvorschlag ablehnt. Da taucht wie aus dem Nichts der geheimnisvolle Indianer Arthur auf und führt aus, wovon Peter nur träumt: zuerst befreit er ihn von einer lärmenden Party-Gesellschaft, und dann entführt er mit Peters unfreiwilliger Hilfe Bud in die Wildnis. Es wird eine Reise zu den alten, heiligen Stätten der Indianer, aber auch zu ihren grausamen Riten. Peter ist einerseits fasziniert von der Willenskraft Arthurs, andererseits ist er als überzeugter Pazifist abgestoßen und verängstigt von dessen Gewalttätigkeit. Seine Appelle an Arthurs "Vernunft" schlagen genauso fehl wie früher bei Bud, der sich sogar eher zu Arthur als zu Peter hingezogen fühlt. Aber Arthur spielt geschickt mit dem gegenseitigen Ausgeliefertsein der beiden: er verhindert jeden Fluchtversuch und verstärkt die physische Gewalt. Schließlich foltert er Bud, indem er ihm bei lebendigem Leibe ein Bein häutet. Immer wieder kreuzt der alte, weise Indianerhäuptling Wilf ihren Weg, erzählt Peter von den Mythen der Indianer, und langsam beginnt Peter zu begreifen, wie er diesen Albtraum, den er selbst heraufbeschworen hat, beenden kann. Er stellt sich Arthur zum Kampf, an dessen Ende dieser genauso geheimnisvoll verschwindet, wie er gekommen ist. Als Peter mit Wilf und Bud ins Indianerreservat zurückkehrt, erwartet ihn nicht nur die Polizei, sondern auch ein kleines Mädchen, daß Arthurs Amulett trägt.

"Clearcut" ist ein verstörender, gewalttätiger Film über das heutige Leben der Indianer. Ein Aufschrei, ja fast ein Aufruf zur Gewalt, denn Jahrzehnte gewaltfreier Widerstand haben der Welt offensichtlich nicht die Augen geöffnet. Die Gewalt der Bulldozer und Sägen gegenüber dem Wald in der Eingangssequenz erscheint genauso grausam wie die Folterung Buds. Die eine greift nur langsam in das Leben der Menschen ein, während die andere direkter wirkt. Geschickt spricht Bugajski in diesen Sequenzen die Sinne an: als der Wald mit ohrenbetäubendem Lärm gerodet wird, möchte man am liebsten weghören, als Bud gefoltert wird wegsehen. Und plötzlich ertappt man sich bei der Frage, ob der Ausbruch physischer Gewalt angesichts jahrhundertelanger Unterdrückung nicht natürlich ist, gerade in einer Welt, wo die psychischen Unterdrückungsmechanismen eine Perfektion erreicht haben, die dem einzelnen keine Chance mehr geben. Bugajski geht diesen Schritt nicht mit letzter Konsequenz, bemüht noch indianische Mythen als Erklärungsmuster für Grausamkeiten, die unsere "zivilisierte" Vorstellungskraft sprengen. Aber daß dieser Albtraum in der einen oder anderen Form jederzeit wahr werden kann, daran läßt er keinen Zweifel. Er sieht in ihm sogar den einzigen Hoffnungsschimmer einer - wie einige wie beiläufig hingestreute Bildern zeigen - im Zivilisationsmüll vegetierenden Minderheit. Nicht ganz zufällig schmücken Bilder der jungen Judy Garland die Bretterbude von Wilf und trägt ein Indianermädchen am Ende das Amulett der Hoffnung: "Somewhere over the Rainbow". Irgendwo am Ende des Regenbogens wird sich die Welt der Alten mit der der Jungen vielleicht verbinden. Und wenn es vorerst nur ein Traum ist.
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