Die schöne Lili

Melodram | Frankreich 1991 | 119 Minuten

Regie: Jean-Loup Hubert

Als nach 20jähriger Abwesenheit der Freund eines Ehepaares - einst Rivale um die Gunst der schönen Frau - zurückkehrt, wird deutlich, daß alle Beteiligten nicht wissen, wo sie im Leben stehen, und sie ihr Leben neu überdenken müssen. Aus dem Blickwinkel eines Kindes unspektakulär und einfühlsam entwickelte, hervorragend gespielte Familiengeschichte, die mit behutsamen melodramatischen Akzenten von Liebe und drohender Entfremdung sowie von der Kraft großer und kleiner Empfindungen erzählt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LA REINE BLANCHE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Caméra Noire/TF 1/CIBY 2000
Regie
Jean-Loup Hubert
Buch
Jean-Loup Hubert
Kamera
Claude Lecomte
Musik
Georges Delerue
Schnitt
Raymonde Guyot
Darsteller
Catherine Deneuve (Liliane Ripoche) · Richard Bohringer (Jean Ripoche) · Jean Carmet (Lucien Soulas) · Bernard Giraudeau (Yvon Legualoudec) · Laure Moutoussamy (Annabelle)
Länge
119 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Melodram
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Diskussion
Jean besitzt einen Laden für Badewannen in Trentemoult im Departement Loire-Atlantique, ganz in der Nähe von Nantes. Er liebt seine Frau Lili, mit der er vier Kinder hat. Doch Jean war nicht als einziger hinter der traumhaft schönen Frau her, da gab es noch Yvon, seinen Freund aus Jugendtagen. Aus Liebe verschwand er just an dem Tag, als Lili die Karnevalskönigin von Nantes wurde. Und sie, die sich zwischen den beiden nicht entscheiden konnte oder wollte, heiratete den noch Greifbaren. 20 Jahre später taucht Yvon wieder auf - mit seiner Frau Annabelle von den Antillen und seinen drei Kindern.

Der Film kreist um zwei Probleme: um das Abenteuer namens Liebe, das immer zu irgendwelchen Problemen führt, und um unterschwelligen Rassismus, Ressentiments gegenüber all dem, was nicht bekannt aussieht. Diese Probleme haben sich nicht geändert, sehen in verschiedenen Epochen höchstens anders aus und haben andere Namen. Solche Themen verlangen nach der "großen" Form, nach dem Melodram. "Liebesgefühle im Film wie im täglichen Leben sind Konstruktionen." (Erik de Kuyper) Das ist hier nur die Grundidee, wenn man alles durchdenkt, wird es hochkompliziert. Daß Jean mit Lili zusammen ist, resultiert im Endeffekt aus einer "Verschwörung", dem heimlichen Eingriff einer dritten Person. Alles hätte anders laufen können, andere Möglichkeiten hätten bestanden. Die andere Möglichkeit im Gegensatz zu einer festen Größe (Zeit, Gesellschaft) ist eines der Grundprinzipien aller großen Melodramen. Mit Yvons Rückkehr taucht diese andere Möglichkeit auf, samt einem sozialen Affront, eben seiner farbigen Familie - sozusagen die gelebte Alternative.

"Die schöne Lili" erscheint auf den ersten Blick "nur" wie gutes französisches Qualitätskino, in dessen Tradition Jean-Loup Hubert zweifellos steht. Gleichzeitig ist er aber auch ein "auteur", was sich in Frankreich nicht ausschließt - siehe Pagnol, Duvivier, Becker, bis zu einem gewissen Grad auch Truffaut. Hubert interessiert sich für die untergegangene Gesellschaftsschicht des französischen Kleinbürgertums (auch in seinen beiden vorhergehenden Filmen "Am großen Weg", fd 26 397, und "Der Krieg ist aus", fd 28 373, die, wie "Die schöne Lili", auf dem Land und in kleinen Provinzstädten spielen). "Die schöne Lili" beginnt mit einer Impression von ländlicher Stille, Gelassenheit macht sich breit, und was passieren wird, ist zwar recht kompliziert, aber nicht dramatisch oder gar tragisch. Diese ersten Momente sind durchdrungen von einem Hauch Vergänglichkeit, von gelebtem Leben, das nichts bedauert, aber auch von Zweifeln, die in Jean bohren, vielleicht auch in Lili und Yvon, die sich unbeholfen äußern. Zumindest von männlicher Seite her werden sie naiv-träumerisch mit einer dramatischen Geste weniger gelöst als aufgeschoben. Mireille, Yvons dunkelhäutige Tochter, wird Karnevalskönigin, gekleidet in Lilis Kleid, die als erste fähig ist, die Veränderungen zu sehen und zu leben - wie ohnehin die Frauen abgeklärter und vernünftiger wirken, während die Männer nicht erwachsen gewordene Jungs sind: Yvon verkauft für seinen Lebensunterhalt Spielzeug, Jean-baut in seiner Freizeit den Wagen der Karnevalskönigin, ernsthaft, eifrig, liebevoll. Und während die Männer trinken, Geständnisse machen und in die unbekannten Weiten jenseits des Hafens von Nantes fliehen, sorgen die Frauen für das Weiterleben. So ist "Die schöne Lili" ein ganz einfacher und ein ganz komplizierter Film zugleich, ein Film voller großer Gefühle, belebt von echten Menschen, beseelt von wahren Gefühlen.
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