Der schöne Badetag

Jugendfilm | Dänemark/Schweden 1991 | 96 Minuten

Regie: Stellan Olsson

Die Erlebnisse eines sechsjährigen Jungen, der in einem tristen Kopenhagener Arbeiterviertel des Jahres 1935 aufwächst. Seine traute, heile Welt erhält Risse, als der verehrte Vater vor seinen Augen lächerlich gemacht und als Exsträfling entlarvt wird. Liebevoll und warmherzig gestaltet, zeichnet der ganz aus dem Blickwinkel des Jungen erzählte Film ein stimmungsvolles Zeitkolorit, verzichtet aber auf analytische Betrachtungen. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
DEN STORE BADEDAG
Produktionsland
Dänemark/Schweden
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
ASA/Nordisk/Danske Filminstitut/TV Fond./Svenska Filmindustri/Svenska Filminstitutet
Regie
Stellan Olsson
Buch
Stellan Olsson · Soren Skjaer
Kamera
Soren Skjaer
Musik
Kasper Winding · Lis Soerensen
Schnitt
Thomas Gíslason · Grete Møldrup
Darsteller
Erik Clausen (Axel) · Nina Gunke (Svea) · Benjamin Rothenborg Vibe (Gustav Adolf) · Kirsten Rolffes (Frau Frederiksen) · Hasse Alfredsson (Großvater)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Jugendfilm | Tragikomödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Kopenhagen 1935. Der zarte sechsjährige Gustav Adolf wächst in der Hinterhofwohnung eines tristen Arbeiterviertels auf. Kein anderes Kind in der Nachbarschaft, nur die frühreife Alma, sein Kindermädchen, auf die aber eigentlich er aufpaßt, wenn er, von unbewußten Eifersuchtsgefühlen geplagt, an Kellertreppen Wache steht. Der einträgliche Tauschhandel mit den seltsamen Gummidingern aus der Dose unter dem elterlichen Bett, für die es Kuchen und sogar ein paar Pfennige gibt, endet jäh mit Gustav Adolfs Frage, was denn eine Hure sei. So bleibt sein einziger Bezugspunkt das kleine Universum seiner Familie, in dem seine hübsche, lebenslustige Mutter Svea zu Jazzmusik tanzt, und sein Vater Axel die unglaublichsten Geschichten von seinen Abenteuern erzählt. Überhaupt demonstriert Axel bei jeder Gelegenheit seine nahezu animalische Omnipotenz und sein umfassendes Wissen. Gustav Adolf vergöttert ihn; Svea läßt ihn liebevoll gewähren. Ihr größter Wunsch ist es, einmal am Strand schwimmen zu gehen, so wie es "modern" ist. Nach heftigen Widerständen siegt Axels sozialdemokratisch begründetes Bestreben, die Organisation in die Hand zu nehmen, um das blasse Arbeiterkind an die Sonne zu lassen. Die zusammengetrommelte Nachbarschaft läßt sich lärmend in den Dünen nieder, doch die "Proleten" werden bald zum Gespött vornehmer Sommerfrischler. Klassenkampfstimmung macht sich breit, die unter Alkoholeinfluß auch zu persönlichen Angriffen führt. Entsetzt muß Gustav Adolf mit anhören, wie sein Vater entthront wird zum Säufer und Ex-Häftling, zur lächerlichen Schießbudenfigur. Die Illusionen seiner Kindheit enden an diesem Tag so kläglich wie seine ersten Schwimmversuche.

Geschichten über die ersten schmerzhaften Schritte in die Welt der Erwachsenen sind viele erzählt worden. Stellan Olsson gelingt es allerdings, bei seinem nicht nur visuell hervorragend umgesetzten Porträt einer einfachen Familie überzeugend einen kindlichen Blickwinkel einzunehmen. Dabei dienen die sozialen Verhältnisse weniger der politisch analysierenden Aufarbeitung, sondern sorgen für amüsantes Zeitkolorit. Der Verlust der kindlichen Sicherheit, das Mysterium erwachender Sexualität, all das ist allgemeingültig und über soziale oder gar politische Unterschiede erhaben. Die Betrachtungen machen gerade deshalb Spaß, weil sie die humorvoll distanzierte Sichtweise eines Erwachsenen offenbaren, der sich in eine trotz aller Entbehrungen und Blessuren idyllisch verbrämte Vergangenheit zurückphantasiert. Dadurch entzieht er sich der Verantwortung, die Dinge und die Menschen seiner Umgebung differenziert betrachten zu müssen; sein Blick auf Menschen und Dinge bleibt so verkürzt, wie sie sich ihm als Kind dargestellt haben. So wirken fast alle erwachsenen Charaktere wie Karikaturen. Allen voran natürlich Axel, oder der "Schatten", der nie hinter seiner voluminösen Frau hervortritt; auch der verschüchterte, stets lächelnde Sohn der deutsch-jüdischen Flüchtlingsfamilie kann nur dieser Sichtweise entspringen. Selbst Svea, die eher ein Wunschbild einer Mutter als eine reale Person ist, muß so gesehen werden: hübsch, lebenslustig, warmherzig, liebend und naiv ist sie es, die die Familie ausbalanciert.

Nicht nur der von "Gustav Adolf gesprochene Off-Kommentar, auch die Farbigkeit der Bilder und die Geräuschkulissen transportieren diese kindliche Sicht der Dinge. Die dunkle Wohnung wird zwar nur durch künstliches Licht erhellt, das aber einen warmen Strahl auf alles wirft. Nach dem Schlüsselerlebnis am Strand wirkt sie nur noch schäbig. Eine subjektive Kamera wählt Olsson, wenn es dem Kleinen an den Kragen geht und seine Schockzustände spürbar werden, etwa wenn er zu ertrinken droht oder die geliebten Menschen zu ekelerregenden Figuren mutieren. Am Ende, wenn die Kamera langsam rückwärts aus den regennassen, blau-braunen Kulissen hinausgleitet, und sich die Straße mit dem Leben unserer Gegenwart füllt, wird einem wehmütig bewußt, wie gern man den Optimismus, die Poesie und den warmen Humor der Geschichte angenommen und mitgeträumt hat.
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