Children of Nature - Eine Reise

Komödie | Island/Norwegen/Deutschland 1991 | 85 Minuten

Regie: Fridrik Thór Fridriksson

Ein 80jähriger ehemaliger Bauer flieht gemeinsam mit einer Jugendbekannten aus der ungastlichen Verwahrung in einem isländischen Altersheim. Für die beiden Alten wird die Reise in die unberührte Natur ihrer Kindheit zur Rückkehr zu den Ursprüngen, die sie im Tod Frieden finden läßt. Ein in eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen erzählter "kleiner" Film, der den Verfehlungen einer gedankenlosen modernen Zivilisation den Mut zu Selbstbestimmung und Würde bis ins hohe Alter gegenüberstellt. (Kinotipp der Katholischen Filmkritik; TV-Titel: "Kinder der Natur - Eine Reise") - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BÖRN NATTURUNNAR
Produktionsland
Island/Norwegen/Deutschland
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Icelandic/Metro/Max-Film
Regie
Fridrik Thór Fridriksson
Buch
Fridrik Thór Fridriksson · Einar Már Gudmundsson
Kamera
Ari Kristinsson
Musik
Hilmar Örn Hilmarsson
Schnitt
Skule Erikssen
Darsteller
Gísli Halldórsson (Geiri) · Sigridur Hagalín (Stella) · Bruno Ganz (Engel) · Egill Olafsson · Tinna Gunnlaugsdóttir
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Drama | Road Movie
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Der 80jährige Geiri, ein ehemaliger Bauer, zieht einen Schlußstrich unter sein bisheriges Leben. Systematisch und in Ruhe ordnet er die Dinge in seinem Haus im einsamen Norden Islands, legt wenige Erinnerungsstücke beiseite und vernichtet den Rest ohne erkennbare Regung: Geiri zündet seinen Hof an, auf dem er sein ganzes Leben zugebracht hat. Dann zieht er zu Fuß los zur nächstgelegenen Busstation, um in die Stadt zu seiner Tochter zu fahren. Deren Familie fällt angesichts seines unerwarteten Auftauchens aus allen Wolken, quartiert den alten Mann zunächst notdürftig in ihrer kleinen Etagenwohnung in einem gesichtslosen Einheitswohnblock ein, ist aber angesichts der räumlichen Enge sowie der spürbaren Distanz zu dem Alten an keinem Dauergast interessiert. Und so findet sich Geiri schon bald in einem Altersheim wieder, in einem Zimmer, das er sich mit einem anderen Mann teilen muß, und in dem seine wenigen Habseligkeiten kaum eine heimatliche Atmosphäre herstellen können. Bald wird er auf eine alte Frau aufmerksam, die nicht zum ersten Mal versucht hat, aus dem Heim auszureißen. Geiri erkennt in ihr Stella, eine Bekannte aus längst vergangenen Jugendjahren. Während sie sich allmählich näherkommen und Erinnerungen austauschen, spürt der äußerlich so ruhige, introvertierte Geiri etwas von Stellas tiefer Sehnsucht, die sie in der kaltherzigen Verwahranstalt für Alte so verzweifeln läßt. Und so kommt es, daß er eines Nachts einen Land-rover stiehlt und mit Stella zu einer Reise aufbricht: zurück in die Landschaft ihrer gemeinsamen Jugend, zurück zu den Ursprüngen ihres Lebens. Es wird eine ebenso anstrengende wie am Ende glückverheißende Flucht: eine fast schon mystische Odyssee, hin zu den letzten Dingen, angesichts der die beiden Alten wieder eins werden mit der Natur und ihren Frieden finden.

Fridrik Thor Fridriksson erzählt von einer Reise zurück zu den Ursprüngen eines Lebens. Allenfalls im metaphysischen Sinn führt sie zu neuen Ufern, indem sie wegführt von den "Verfehlungen" einer modernen Zivilisation, die sich von sich selbst entfernt hat und sich vor allem gegenüber alten Menschen als inhuman, weil gedankenlos erweist. Auch ist nicht die Reise selbst zentrales Anliegen der beiden Alten; zwar stoßen sie auf den verschiedenen Stationen der Fahrt durch die faszinierende Schönheit der isländischen Landschaft immer wieder auf längst vergessen geglaubte Zeichen von Solidarität und Mitgefühl, und auch die beiden selbst erwachen zu einer neuen Lebendigkeit, die sie wohl selbst nicht mehr in sich vermuteten. Doch hinter allem steht das Gefühl des nahenden Todes, dem sie selbstbestimmt, stolz und mit Würde entgegenreisen. Das äußere Ziel der beiden Alten ist ein verfallenes, in ihren Augen aber verheißungsvolles Haus an der rauhen Meeresküste, und lächelnd entdeckt Stella eine Art Garten, von dem man nicht mehr weiß, ob er wirklich oder nur in ihren Gefühlen existiert. Ein Traum verwirklicht sich für sie in der Stunde ihres Todes, die arg idyllisiert erscheinen würde, stünde nicht unmittelbar danach die qualvolle Anstrengung des Alten, der alle noch vorhandenen Kräfte aufbietet, um Stella zu ihrer letzten Ruhestätte zu schaffen. Auch für Geiri ist dies der endgültig letzte Akt einer physischen wie psychischen Verausgabung, Vorbereitung für den letzten, barfüßigen Gang "hinüber" in eine Region, in der eine andere, jenseitige Welt anzufangen scheint und aus der ihn auch die Hubschrauber der nach ihm fahndenden Polizei nicht mehr zurückholen können. Wenn in dieser Schlußsequenz Bruno Ganz unerwartet als gut gekleideter Fremder auftaucht, den man eigentlich nur als filmisch Eingeweihter als Engel aus Wim Wenders' "Der Himmel über Berlin" (fd 26 452) identifiziert, dann erscheint diese zitathafte Metapher etwas arg gewollt; und der weltweite Preisregen, der bislang über Fridrikssons Film niederprasselte (u.a. "Oscar"-Nominierung, Europäischer Filmpreis), dürfte wohl auch mit einer Faszination fürs Romantisch-Verklärende zusammenhängen, der Fridriksson durchaus entgegenkommt. Dennoch fesselt und berührt dieser betont unaufwendige, kleine Film durch seine unspektakuläre Hinwendung zu einem ganz wesentlichen Thema der menschlichen Existenz, das er vor allem dadurch so anrührend veranschaulicht, daß er es ohne große Gesten oder verquaste Dialoge in die Klarheit, Schönheit und Ursprünglichkeit einer fast schon fremd gewordenen Natur einzubetten versteht.
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