Die besten Absichten

Drama | Schweden/Deutschland 1991/92 | 178 (TV 316) Minuten

Regie: Bille August

Die Liebe zwischen einem in sich gekehrten Theologiestudenten und späteren Pfarrer aus ärmlichen Verhältnissen und einer impulsiven jungen Frau aus reichem, standesstolzem Bürgerhaus aus Uppsala erweist sich gegen äußere und innere Widerstände, Konflikte und Enttäuschungen als tragfähig. Ein von Zuneigung, Verständnis und Respekt geprägter Rückblick Ingmar Bergmans auf das Leben seiner Eltern zwischen 1908 bis 1918. Erzählt als aufwendig ausgestatteter, episch breiter Bilderbogen, wird das wichtige Thema durch die konventionelle Inszenierung manchmal verdrängt. (Im Fernsehen lief auch eine gut fünfstündige Fassung.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DEN GODA VILJAN
Produktionsland
Schweden/Deutschland
Produktionsjahr
1991/92
Produktionsfirma
SVT 1 Drama-Sveriges Television/ZDF/Channel 4/RAI Due/La Sept/DR/YLE 2/NRK/RUV
Regie
Bille August
Buch
Ingmar Bergman
Kamera
Jörgen Persson
Musik
Stefan Nilsson
Schnitt
Janus Billeskov Jansen
Darsteller
Samuel Fröler (Henrik Bergman) · Pernilla Ostergren-August (Anna Åkerblom/Bergman) · Max von Sydow (Johan Åkerblom) · Ghita Nörby (Karin Åkerblom) · Mona Malm (Ima Bergman)
Länge
178 (TV 316) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Die DVD enthält die Kinofassung des Films.

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.78:1, Mono swe./dt.)
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Diskussion
"Szenen einer Liebe" - so hätte Ingmar Bergman die Geschichte seiner Eltern auch nennen können, die er in seinem Drehbuch sowohl aus ihm überlieferten Erzählungen als auch aus behutsamen Mutmaßungen zusammensetzt. Sie endet unmittelbar vor Bergmans eigener Geburt im Jahr 1918. Während der zehn davor liegenden Jahre beobachtet er seinen Vater und seine Mutter in einer Zeit, als sie noch junge Menschen waren und "nicht die mythischen Figuren, gegen die ich mich so viele Jahre meines Lebens als Erwachsener gewehrt hatte" (Bergman). Dementsprechend ist sein Blick zurück kein bitteres Abrechnen, sondern ein versöhnliches, von Zuneigung und Verständnisbereitschaft geprägtes Porträt einer schwer erarbeiteten Liebe. Diese erscheint betont "zeitlos", weil sie sich in ihren guten wie schlechten Momenten stets aus der Quelle des Herzens speist und sich weder um gesellschaftliche noch politische Einflüsse zu kümmern scheint; doch diese sind stets einflußreiche, beinahe unüberwindbare Hindernisse, die die Menschen zeit ihres Lebens mit seelischen Wunden schlagen und ihnen beinahe den Weg zu sich selbst und zur Aufrichtigkeit ihrer Liebe verstellen. Erst rückblickend und gerüstet mit dem Gepäck der "Altersweisheit" scheint Bergman den Wert und die Bedeutung einer solchen - gewiß idealisierten - Liebe beschreiben zu wollen - einer Liebe, die über alle sozialen Gräben ihrer Zeit und damit verbundenen Konflikte, Enttäuschungen und Verletzungen hinweg Bestand hat.

Ein Prolog umreißt das zentrale Thema: Der junge Theologie-Student Henrik Bergman (also Ingmar Bergmans späterer Vater) weigert sich, der Bitte seines Großvaters nachzukommen, seine sterbende Großmutter im Krankenhaus zu besuchen. Aber die seelischen Verletzungen, die die standesstolzen Großeltern ihm und seiner Mutter zugefügt haben, sind zu groß, um verzeihen zu können. "Ich bitte dich, einen Augenblick bannherzig zu sein", sagt Henriks Großvater, doch Henrik bleibt unnachgiebig. Im Verlauf der Ereignisse wird sich zeigen, daß er kein "unbarmherziger" Mensch ist, vielmehr jemand, der "die besten Absichten" hat und dennoch nicht aus seiner Haut kann; die Größe, barmherzig sein und verzeihen zu können, will erst gelernt und vor allem erst verstanden werden. Der in ärmlichsten Verhältnissen großgewordene Henrik lebt auch als Student in Uppsala unter eher elenden Bedingungen. Über seinen Freund Ernst gelangt er an den luxuriös gedeckten Mittagstisch der reichen, standesstolzen Bürgerfamilie Åkerblom - und verliebt sich prompt in Ernsts Schwester Anna. Die selbstbewußte, ebenso schöne wie verwöhnte junge Frau erwidert seine Gefühle, sehr zum Mißfallen ihrer Eltern, vor allem ihrer Mutter, die die soziale Kluft zwischen Anna und Henrik stört, und die in dem stillen, introvertierten Henrik einfach nicht "den Richtigen" sehen kann. Und obwohl Anna ihm ihr Herz zu Füßen legt, ist Henrik durch die offene Ablehnung durch Annas Mutter ebenso verwirrt wie durch die vielen Gefühle in sich selbst verunsichert. Jahre vergehen, in denen sich die beiden zu verlieren scheinen, und erst nach dem Tod von Annas Vater kommt es zur (oberflächlichen) Aussöhnung mit Annas Mutter und zur Heirat. Nach den vielen von außen herangetragenen Konflikten, denen die beiden widerstanden, entwickelt sich nun ihre Beziehung selbst zur von Zweifeln und Enttäuschungen geprägten Berg- und Talfahrt. Vor allem reibt sich Henriks Hang zur selbstkasteienden Askese, zu Seelenqualen und Selbstzweifeln an der spontanen Lebenslust der großbürgerlichen Anna, die sich loyal gegenüber Henrik verhalten will und doch stets in den Zwang zur Selbstbehauptung versetzt wird. Henrik hat die Stelle als Pfarrer in einem abgelegenen Städtchen im fernen Norden Schwedens angenommen, ihr erstes Kind Dag wird geboren. Selbst in der Abgeschiedenheit sind die Auswirkungen der politischen Unruhen zu spüren, und Henrik muß im Konflikt zwischen dem Fabrikbesitzer Nordenson und seinen Arbeitern Position beziehen. Dies tut er schließlich weniger aus politischem Bewußtsein als sozialem Gerechtigkeitsempfinden und engagiert sich mit jener sturen Haltung, die ihn auch über Anna zunehmend "herrschen" läßt, so daß sie sich schließlich einander entfremden. Nach einem bedrohlichen Zwist um den siebenjährigen Jungen Petrus, den Henrik und Anna vorübergehend in ihre Obhut genommen haben, kehrt Anna zu ihrer Mutter zurück. Der Bruch scheint endgültig, und doch wird Henrik wieder seinen Empfindungen für Anna gehorchen: er folgt ihr, die auf die Geburt ihres zweiten Kindes wartet, nach Uppsala.

"Die besten Absichten" ist eine episch breit und oftmals ausufernd erzählte "Liebeschronik", die vergleichsweise wenig Wert auf die zeitlichen Eckdaten legt und soziale Wirklichkeit in erster Linie über die extrem aufwendige Ausstattung einfängt; vertieft wird sie allenfalls da, wo sie gebraucht wird, um das Handeln der Personen zu motivieren. Stattdessen rückt Bille August bestimmte Etappen in der geistigen Entwicklung und "Reifung" der Hauptfiguren ins Zentrum und erzählt von den "mannigfachen seelischen Bewährungsproben" ihrer Liebe. Dabei stellt er sich - natürlich eins mit seinem Autor Bergman - programmatisch hinter Annas Absichten und Hoffnungen, die sie einmal in einem Brief an Henrik niederschreibt: nämlich daß sie sich gegenseitig dabei helfen, lernen zu können, was Liebe bedeutet. Dies bedeutet für Bergman/August vor allem, daß die Menschen lernen, ihre jeweiligen Schwächen zu akzeptieren und zu respektieren, ohne sich selbst und den anderen zu verurteilen. Welch schwerer innerer Kampf um eine aufrichtige Haltung dies sein kann, veranschaulicht der Film vor allem an Henrik, er spiegelt sich aber auch in den übrigen Personen, so in Anna, die in ihrem ungerechten Verhalten gegenüber dem kleinen Pflegekind Petrus ebenso "Schuld" auf sich lädt wie ihre und Henriks Mutter, denen es so schwer fällt, die Ehe ihrer Kinder zu akzeptieren. Das damit verbundene Ausloten von Grenzen - inwieweit ist der Mensch in seinem Handeln perfekt, wo stößt er an Grenzen des ihm Möglichen, wo muß er seine eigenen Schwächen erkennen und die des anderen verzeihen? - bestimmt den Gehalt des Films und ist das eigentlich Spannende an ihm. Daß eine solch "sperrige" spirituelle Sinnfrage ausgerechnet im Zentrum eines von vielen europäischen Partnern produzierten Großfilms steht, ist freilich sein Problem. Denn die äußeren Schauwerte sind beträchtlich, und der verschwenderische Einsatz von Kulissen und Kostümen ist mitunter eine schwere Last die vergleichsweise bescheidene "Botschaft". So schwelgt der Film inszenatorisch überwiegend in betont schönen Arrangements und bewegt sich optisch auf dem schmalen Grat zwischen geschmackvoll und geschmäcklerisch, womit vor allem Freunde des perfekt gemachten, aber leicht altmodischen Ausstattungskinos auf ihre Kosten kommen. Immerhin kämpfen sich Bergmans so sympathische wie wichtige Beweggründe immer wieder an die Oberfläche, so daß sie über drei Stunden hinweg präsent bleiben. Wie sich das noch in der doppelt so langen Fernsehfassung auswirkt, sei dahingestellt; der Kinoversion tut es jedoch ausgesprochen gut.
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