Ich bin meine eigene Frau

Biopic | Deutschland 1992 | 90 Minuten

Regie: Rosa von Praunheim

Porträt des wohl bekanntesten Transvestiten in der ehemaligen DDR, Charlotte von Mahlsdorf, der das einzige private (Gründerzeit-)Museum betrieb. In einer Mischung aus Spielszenen, Interviews und erzählten Geschichten schildert der Film Mahlsdorfs bewegtes Leben. Er vermittelt interessante Einblicke in das Leben des Transvestiten von der Kaiserzeit bis zum Mauerfall und - trotz einiger provokanter, meist dilettantisch gespielter Szenen - viel vom liebenswürdigen Charme des Außenseiters und seinem unerschütterlichen Glauben an die Toleranz der Menschen.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Rosa von Praunheim Filmprod./Scala Z.
Regie
Rosa von Praunheim
Buch
Valentin Passoni
Kamera
Lorenz Haarmann
Musik
Joachim Litty und die Cello Familie
Schnitt
Mike Shephard
Darsteller
Charlotte von Mahlsdorf (Charlotte) · Jens Taschner (Charlotte 15-17 Jahre) · Ichgola Androgyn (Charlotte 20-40 Jahre) · Utz Krause · Robert Dietl
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Biopic
Externe Links
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Diskussion
So wie sich Rosa von Praunheim alias Holger Bernhard Mischwitzky nach einer seiner Heimatstädte, einem Frankfurter Vorort, nennt, hat der 1928 geborene Lothar Berfelde den Namen jenes Ortes angenommen, in dem er das einzige Privatmuseum der ehemaligen DDR gründete: Mahlsdorf. Kein Wunder, daß sich Praunheim dieses einzigen öffentlich bekanntgewordenen Transvestiten der DDR angenommen hat, hat er doch eine Schwäche für starke "Frauenfiguren". Nach der Tänzerin Lotti Huber porträtiert er mit Charlotte von Mahlsdorf diesmal einen eher stillen Menschen, der sich in der traditionellen Frauenrolle als "Putze" sieht und dessen Lebensideal das eines Dienstmädchens der Gründerzeit ist. Schon als Kind zog Lothar gem Frauenkleider an, weil er sich als weibliches Wesen in einem männlichen Körper fühlte. Der nationalsozialistische Vater versuchte natürlich, die abwegigen Neigungen seines Sohnes aus ihm herauszuprügeln, während die Männerkleider tragende lesbische Tante Luise ("Mit uns hat sich die Natur einen Scherz erlaubt") ihm Mut zuspricht, zu seinen Empfindungen zu stehen. Als der gewalttätige Vater schließlich die ganze Familie bedroht, erschlägt Lothar ihn, wird zu vier Jahren Jugendhaft verurteilt und kurz vor Kriegsende freigelassen. In Berlin entgeht er knapp einem Erschießungskommando der SS, taucht dann in der Szene unter, restauriert in den Jahren des Wiederaufbaus ein zerbombtes Schloß und gründet in einem spätbarocken Haus in Mahlsdorf das Gründerzeit-Museum, dessen Zimmer alle original im Stil der Jahrhundertwende eingerichtet sind. Dem Staat DDR, der das Homosexuellen-Problem zeit seines Bestehens totschwieg, war er natürlich ein Dom im Auge. Man schikanierte Mahlsdorf, wo man nur konnte, verlangte eines Tages für die Ausstellungstücke des Museums Vermögenssteuer, drohte mit der Beschlagnahme des Interieurs. Aber ehe es in der Devisenbeschaffungsstelle des ominösen SchaIck-Golodkowski landete, verschenkte Mahlsdorf kurzerhand die meisten Stücke seiner wertvollen, einzigartigen Sammlung. Die DEFA half immer wieder über schwierige Zeiten hinweg, indem sie sich Requisiten aus Mahlsdorfs schier unerschöpflichem Fundus auslieh, und setzte Mahlsdorf auch in kleinen Film-Rollen ein. Nach der Wende glaubte Charlotte, alle Schwierigkeiten überwunden zu haben - und sieht sich schon wieder der Willkür des Staates und der Intoleranz der Menschen ausgesetzt.

Rosa von Praunheim hat das bewegte Leben Lothar Berfeldes/Charlotte von Mahlsdorfs in einer Mischung aus Interviewfilm, erzählten Geschichten und nachgestellten Spielszenen inszeniert, die er noch dadurch verfremdet, daß er Mahlsdorf mit den jeweiligen Darstellern diskutieren läßt. So schafft Praunheim einerseits Distanz zum Geschehen, kann Mahlsdorf eine Menge Informationen zum Leben der Transvestiten von der Kaiserzeit bis zum Mauerfall erzählen lassen und andererseits in den Spielszenen ein wenig provozieren. Aber da das von der Darstellung und Inszenierung eher unbeholfen und mit einem geradezu rührend naiven Humor geschieht, wirken diese "Darbietungen" kaum erregend oder gar schockierend. Der hölzerne Laie Jens Taschner, der die Hauptfigur in der Jugend spielt, paßt dann auch gut in Praunheims Regie-Konzept, der sich noch nie einen Deut um die Schauspielerführung kümmerte und seinen diesbezüglichen Dilettantismus schon zum 'Stilprinzip erhoben hat. Unfreiwillige Lachsalven löst dagegen Ichgola Androgyn als Mahlsdorf im Alter von 20-40 aus, der jenen Satz verinnerlicht zu haben scheint, den Charlotte über ihre Erlebnisse im Berlin der letzten Kriegsmonate zum besten gibt: "Und so schwuchtelte ich durch den Endkampf." Androgyn zerstört mit seinem dilettantischen, überzogenen Schmieren-Komödiantentum viel vom zurückhaltenden Charme der Charlotte von Mahlsdorf, deren "Knicks" man genauso wenig belächelt wie ihren trotz aller Leiden immer noch ungebrochenen Glauben an das Gute im Menschen und die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben hetero- und homosexueller Menschen. Und wäre Rosa von Praunheim am Ende des Films nicht allzusehr ins Schwadronieren geraten, käme diese Botschaft noch ein wenig klarer und nachhaltiger an. Aber wie gesagt - perfekte Filme will (und kann) Praunheim wohl nicht machen.
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