George B. Scitz' legendäre Verfilmung des Cooper-Romans aus dem Jahre 1936 war nicht die erste Adaption des Stoffes für das damals noch junge Medium, aber sie ist die meistgeschätzte geblieben. Ihr Vorbild wirkt fort in der Neuverfilmung Michael Manns, die mindestens die Hälfte des Drehbuchs dem alten Film verdankt. Die Story unterscheidet sich in ihrem Ablauf nur unwesentlich von der Handlung des früheren, mit Randolph Scott ideal besetzten Films. Während des Krieges zwischen Engländern und Franzosen um die Herrschaft über das amerikanische Kolonialgebiet (1757) bewahrt Hawkeye (Adlerauge), weißer Adoptivsohn des Mohikaner-Häuptlings Chingachgook, die beiden Töchter eines britischen Colonels davor, angreifenden Indianern vom Stamm der Huronen in die Hände zu fallen. Er geleitet sie sicher zum nahegelegenen Fort, das der Colonel befehligt, und kommt gerade zurecht, um dem Sieg der schwerbewaffneten Franzosen beizuwohnen. Den englischen Militärs wird ein ehrenvoller Abzug gewährt, doch schon nach kurzem fallen sie denselben Indianern zum Opfer, die den früheren Überfall begangen hatten. Vom Haß ihres Anführers Magua angetrieben, kennen sie keine Gnade. Magua selbst, der Rache für den Tod seiner Familie geschworen hat, tötet auf barbarische Weise den Colonel und entführt dessen Töchter. Hawkeye, in eine der Töchter verliebt, folgt den Kriegern zu ihrem Stamm und bietet sich selbst als Geisel an."Der Letzte der Mohikaner" ist eine Abenteuergeschichte mit allen Attributen des romanhaft ausgeschmückten Genres, bis hin zu Selbstverleugnung und heroischem Verzweiflungstod. Wie die Vorlage ist der Film aber auch eine Bekräftigung reaktionärer Denkvorstellungen, die das amerikanische Gesellschaftsbild und das Verhältnis der Weißen zur indianischen Urbevölkerung bis zum heutigen Tag beeinflußt haben. Schon Mark Twain hat darauf hingewiesen, daß Coopers 1826 erschienener Roman einer Philosophie Ausdruck verleiht, die Rassen- und Klassentrennung als soziale Folgeerscheinung der Abstammungslehre rechtfertigt. Von Michael Mann hätte man erwarten können, daß er sich dem Sujet kritisch und differenzierend nähert. Mann, der seine größten Erfolge mit den Fernsehserien "Miami Vice" und "Crime Story" hatte und dessen Spielfilm "Blutmond"
(fd 26 032) ein interessanter Vorgänger von "Das Schweigen der Lämmer" war, ist in der Branche nicht nur als ein Perfektionist, sondern auch als ein kompromißloser Neuerer bekannt. In der Tat betont er in diesem, seinem ersten historischen Film politisches und menschliches Fehlverhalten, das zum Beispiel zu Spannungen zwischen den Siedlern und den Repräsentanten der Krone geführt hat. In der Tat versucht er auch, der Romantisierung des Koloniallebens mit realistischen Szenen zu entgehen, unter denen vor allem die militärischen breiten Raum einnehmen. Doch wer nach Anzeichen zeitgenössischer Relevanz sucht, findet diese allenfalls in - historisch wenig glaubwürdigen - Manifestationen frühen Feminismus' und - mit Gewißheit glaubwürdiger - kommerzieller Motivation für das Engagement der Briten (siehe Golfkrieg!). Die für den Stoff wesentliche Dimension indlichkeit des historischen Arrangements zu erzielen als eine differenzierte Herausarbeitung der einzelnen Charaktere. So stehen denn minuziös inszenierte Schlachtenpanoramen (mit harten Detailbildern bis hin zum Skalpieren der Opfer) deutlicher im Vordergrund als die bewegenden Motive der Figuren. Wie wenig Aufmerksamkeit Mann der Psychologie seiner Helden schenkt, zeigt sich exemplarisch an Hawkeyes indianischem Bruder Uncas, der während des ganzen Films kaum mehr Profil gewinnt als ein Statist. Selbst die Höhepunkte des Dramas, wie etwa die Flucht in den Indianerkanus, aus dem alten Film als spannende Abenteuerlichkeit in Erinnerung, wirken wie auf einem Reißbrett entworfen und mit großer filmischer Raffinesse ins Bild übersetzt, doch sind auch diese Szenen seltsam blutleer und uninvolvierend. Irgendwie bleibt von dem Film der Eindruck zurück, als habe Mann dem historischen Sujet das Action-Raster seiner modemistischen "Miami Vice"-Serie übergestülpt, bezeichnenderweise dabei jedoch jede Spur von Humor vergessen. Selten in der Geschichte des Indianer-Westerns hat sich ein Film so strohtrocken und bitterernst gegeben wie diese Neuauflage des "Letzten der Mohikaner".