Glengarry Glen Ross

Drama | USA 1991 | 100 Minuten

Regie: James Foley

Die Makler eines New Yorker Immobilienbüros werden vor die Alternative gestellt, entweder unverkäufliche Objekte zu verkaufen oder ihren Job zu verlieren. Verfilmung eines Bühnenstücks, das eine aktuelle Illustration der Folgen der Reagan-Ideologie vor dem Hintergrund der anhaltenden Rezession in den USA darstellt. Furiose Schauspieler-Leistungen beherrschen den Film, der in seiner Dialoglastigkeit Rührseligkeit und Überdramatisierung nicht ganz vermeidet und dessen filmische Aufbereitung vorgestrig wirkt. Trotz solcher Schwächen fesselnd und sehenswert. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GLENGARRY GLEN ROSS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Zupnik/New Line Cinema
Regie
James Foley
Buch
David Mamet
Kamera
Juan Ruiz Anchía
Musik
James Newton Howard · div. Jazztitel
Schnitt
Howard E. Smith
Darsteller
Al Pacino (Ricky Roma) · Jack Lemmon (Shelley Levene) · Alec Baldwin (Blake) · Kevin Spacey (John Williamson) · Alan Arkin (George Aaronow)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung

Heimkino

Verleih DVD
Columbia & Concorde (16:9, 2.35:1, DD2.0 engl./dt.),
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Diskussion
Der amerikanische Film besitzt eine lange Tradition von der Bühne entliehener Dialogstücke, in ihren besten Beispielen dramatische Umsetzungen sozial und psychologisch relevanter Zeiterscheinungen und Verhaltensweisen, die dem Amerika ihrer Ära einen unbarmherzigen Spiegel vorhielten. Laslo Benedeks "Tod eines Handlungsreisenden" (1951, fd 2176) und die leider nie nach Deutschland gekommene vierstündige O'Neill-Verfilmung "The Iceman Cometh" (1973) von John Frankenheimer - beide übrigens mit Fredric March - markieren Höhepunkte dieses Genres. Angesichts "Glengarry Glen Ross" kann man nicht umhin, sich solcher Vorbilder zu erinnern. David Mamet, dessen Theaterstücke und Drehbücher (für den Film u. a. "Das Urteil", "The Untouchables" und - unter eigener Regie - "Homicide") viel von sich reden gemacht haben, ist fraglos einer der begabtesten Autoren im heutigen Amerika, wenn auch kein Arthur Miller oder Eugene O'Neill. Für die Story von "Glengarry Glen Ross" weidet er ziemlich unbekümmert die Vorbilder aus und überträgt deren Technik und Mechanismen auf eine zeitgemäße Situation, die im rezessionsgeschüttelten Lande schlechterdings auf Aufmerksamkeit stoßen muß.

Es ist die Apostrophierung des amerikanischen Traums als Illusion, die mitleidlose Bilanzierung des Credos der Reagan-Jahre, denen Gier und Wachstumsbesessenheit als die Eckpfeiler von privatem Glück und beruflichem Erfolg galten und denen nun Staatsverschuldung, wirtschaftlicher Niedergang und Arbeitslosigkeit als schreckliches Erwachen folgen. Mamet hat Recht, nirgendwo lassen sich die Sünden der Reagan-Zeit besser aufzeigen als am Gewerbe der Immobilienmakler. Grundbesitz war in den USA zum Symbol des versprochenen unaufhaltsamen Aufstiegs geworden. Die Gewinnraten rechneten sich in inflationären zweistelligen Prozentzahlen im Jahr, und die Branche vermochte noch aus dem abgelegendsten Stück Wüste und dem wertlosesten Sumpfland Geld zu schlagen. Das hat sich alles kurzfristig gewandelt. Rückgängige Nachfrage, fallende Preise und Immobilien-Auktionen, auch dort, wo sie bisher so gut wie unbekannt gewesen sind, haben den Traum vom schnellen Reichtum erstickt. Vor diesem Hintergrund nimmt sich "Glengarry Glen Ross", von Mamet mit fast visionärer Genauigkeit schon vor Eintritt der Rezession geschrieben, wie eine Illustration amerikanischer Frustrationen und begrabener Hoffnungen aus. Die Makler, mit denen der Zuschauer für die Dauer des Films in ein kleines New Yorker Immobilienbüro eingesperrt wird, sind eben jene Haie der Branche, die ihm noch vor wenigen Jahren mit skrupelloser Eloquenz wertlose Objekte zu ruinösen Preisen angedient haben. Nun werden sie selbst vom Hai gefressen, vom Hai der Wirtschaftskrise und von dem personifizierten Hai der Mutterfirmen, die mit ihnen nichts mehr zu tun haben will, falls sie nicht weiterhin Unterschriften auf den kleinen gepunkteten Linien der Vertragsformulare heimbringen. Ein Abgesandter der großen Bosse annonciert ihnen einen zynischen Verkaufswettbewerb: 1. Preis ist ein Cadillac, 2. Preis eine Garnitur Steakmesser, 3. Preis der Rausschmiß. Die Deals, die sie abschließen sollen, sind alte Ladenhüter, von jedem oft genug versucht, um zu wissen, daß dieser Wettkampf ein russisches Roulette ist.

Keine der Figuren in dem perfiden Spiel ist ein Sympathieträger, keine lädt zur Identifikation ein. Aber alle erinnern an jemanden, den man von irgendwoher kennt, und ihre "Verkaufsgespräche" wecken unangenehme Erinnerungen an die Begegnung mit einer neuen Generation von Erfolgsmenschen, denen der eigene Wohlstand alles und das Schicksal des Betrogenen nichts gilt. Nichts liegt dem Zuschauer näher, als diesen Möchte-Gern-Keatings die Pest an den Hals zu wünschen. Doch während der zwei Stunden, in denen man ihren verzweifelten Versuchen zusieht, den Job zu retten, der sie vor der unausweichlichen Arbeitslosigkeit bewahrt, gewinnt man allmählich Einsichten in ihr Innenleben, beginnt man zu erkennen, wie und warum sie zu dem geworden sind, was sie sind, und wie und warum sie immer noch tiefer sinken, nicht zuletzt auch in der eigenen Selbstachtung.

Von einem Aufgebot erstrangiger Darsteller getragen, wird sich wohl niemand dem dramatischen Sog und der Signifikanz der Story entziehen können. "Glengarry Glen Ross" ist ein Schauspielerfilm oberster Güteklasse. Sie alle - Pacino, Lemmon, Baldwin, Hams, Arkin, Spacey - spielen sich die Seele aus dem Leib. Allmählich gewinnt jede der zunächst uniform erscheinenden Figuren ihre Individualität, und Mitleid ist sicher das geringste der Gefühle, die das Publikum schließlich für sie empfindet. Mamet versteht es, jene Balance zu halten, die an diesen Menschen anteilnehmen läßt, ohne daß man sie mögen muß. Ob die verbalen Schlagabtäusche, die den Film ausmachen, jedoch die ganze Wirklichkeit spiegeln, erscheint bezweifelbar. Wie so oft in Dialog- und Schauspielerstücken macht sich gelegentlich auch pure Larmoyanz breit, bei den Darstellern beliebt, weil sie dann ihrem Affen besonders Zucken geben können, doch wenig hilfreich für die Reflexion einer realen Situation. Der Ansatz ist richtig, der Konflikt glaubwürdig, aber die Details seiner ruinösen Auswirkungen auf die im eigenen Netz gefangenen Protagonisten zu stark überdramatisiert, als daß es bei "Glengarry Glen Ross" zu dem erhellenden Porträt einer sozialen und menschlichen Krise reichen würde, wie es einst "Tod eines Handlungsreisenden" gewesen ist.

Daß der Film den letzten Schritt zu einer exemplarischen filmischen Dramatisierung der Auswirkungen der Reagan-Ideologie nicht schafft, ist auch Schuld des Regisseurs, der sich an alten Vorbildern ebenso festklammert wie Mamet es für die dramaturgische Aufbereitung des Konfliktes tut. Wäre der Stoff nicht eindeutig ein Stoff unserer Zeit, man könnte beim Ansehen des Films meinen, in einen alten Kazan-Film geraten zu sein. Die Versatzstücke der halbdokumentarischen Filme der 50er Jahre finden sich in schöner Lückenlosigkeit, atmosphärisch immer noch ihren Dienst tuend, aber dem Sujet nicht gerade hilfreich. James Foley erweist sich zwar als glänzender Regisseur eines perfekten Ensemblespiels, doch er verpaßt die Chance, dem Dialogstück auch filmisches Gewicht zu geben, es aus dem Umfeld gestriger Dramatik zu befreien und einen adäquaten zeitgemäßen Stil dafür zu finden.
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