Ein ganz normaler Held (1991/92)

Komödie | USA 1991/92 | 118 Minuten

Regie: Stephen Frears

Ein kleiner Gelegenheitsdieb rettet aus einem notgelandeten Flugzeug alle Passagiere, wird aber um seine Anerkennung betrogen, als die Massenmedien einen Hochstapler zum Helden ausrufen. Eine formal und schauspielerisch hervorragende Satire mit Stoßrichtung gegen menschliche Unzulänglichkeit, Leichtgläubigkeit und Verführbarkeit. Zugleich ein Versuch über die Macht und die Manipulationsstrategien der Massenmedien, deren "inszenierte Wirklichkeiten" zum Alltag einer kurzsichtigen Konsumgesellschaft gehören. (TV-Titel auch: "Hero - Ein ganz normaler Held") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HERO | ACCIDENTAL HERO
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1991/92
Produktionsfirma
Columbia
Regie
Stephen Frears
Buch
David Peoples
Kamera
Oliver Stapleton
Musik
George Fenton
Schnitt
Mick Audsley
Darsteller
Dustin Hoffman (Bernie LaPlante) · Geena Davis (Gale Gayley) · Andy Garcia (John Bubber) · Joan Cusack (Evelyn LaPlante) · Kevin J. O'Connor (Chucky)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 1.85:1, DS engl./dt.)
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Diskussion
Ganz so normal, wie der deutsche Titel einem weismachen will, ist der Held dieser Filmkomödie Bernie LaPlante eigentlich nicht; und noch weniger das, was ihm durch einen katastrophalen Zufall an Erlebnissen, Enttäuschungen und Erkenntnissen zuteil wird. Bis dahin hatte Bernie das Schicksal eines durch Anlage und Umwelt "verkümmerten Seins". Die Ehe zerbrach, die Exfrau mit dem Sorgerecht für den Sohn vermittelt dem Jungen kein günstiges Bild vom Vater; und Bernie ergänzt die unbefriedigenden Einkünfte aus seinen Jobs durch Gelegenheitsdiebereien. Mit wachsender Gechicklichkeit ist er eines Tages imstande, auf der Anklagebank sogar seine Pflichtverteidigerin um hochnotierte Dollarscheine zu erleichtern, um sie damit gönnerhaft zu honorieren. Das ganz große Geld, nämlich eine Million Dollar, winkt ihm aus dem Hintergrund künftigen Schicksals nur trügerisch: Von einem ihm selbst unbekannten Impuls getrieben, rettet er aus einem im nächtlichen Unwetter notgelandeten Flugzeug alle 54 lebensgefährdeten Passagiere, ehe die Rettungsmannschaften kommen und verliert im Schlamm des Katastrophengeländes einen seiner Schuhe, als er sich aus Scheu vor möglicher Publicity im Dunkel der Nacht verkrümelt. Aber gerade diesen heldenhaften Retter will die von Bernie auch aus dem Flugzeugwrack geborgene prominente Fernsehreporterin Gale - nicht zuletzt zu ihrem eigenen Ruhm - als "Schutzengel von Flug 104" ins Licht der Öffentlichkeit bringen. Mit Hilfe des am Ort der mörderischen Notlandung gefundenen Schuhs und einer von "ihrem Sender" ausgesetzten Belohnung in Höhe von einer Million Dollar versucht Gale fieberhaft, Bernie ausfindig zu machen. Doch was sie der inzwischen geradezu hysterisch nach dem Helden lechzenden Nation im irrsinnig sich steigernden Berichterstattungsrummel endlich präsentieren kann, ist nur ein kleiner Hochstapler, heißt Bubber und auch vom Typus Pechvogel. Er hat zufällig Bernies Weg gekreuzt, ist unter kuriosem Umstand in den Besitz von Bernies noch verbliebenem Schuh gelangt und läßt sich mit diesem passenden Gegenstück zum Fundschuh als der heldische Retter "identifizieren".

Obwohl Bubber rasch und geschickt, unter Veränderung seines Wesens bis zum Wahn, tatsächlich der Retter gewesen zu sein, spendenfreudig und stirn- und wangenküssend die heldensüchtigen Menschen allerorten beglückt und sich auch höchst mediengerecht verhält, droht ihm die Entlarvung. Inzwischen sind der TV-Journalistin Gale nämlich wegen einiger Einzelheiten, die zu Bubber und ihrer eigenen Rettung nicht so recht passen, Bedenken und Mißtrauen gekommen. Erneut begibt sie sich auf die Spur des Retters und macht, wiederum nicht ohne die "Gnade des Zufalls", den kleinen Bernie ausfindig, der inzwischen zur Erheiterung wie zum Zorn seiner ungläubigen Umwelt vergeblich versucht hat, den falschen Heldenrummel zu seinen Gunsten zu "korrigieren". Als Gale mit Bemies Wahrheit an die Öffentlichkeit geht, versucht Bubber sich aus Scham und Angst vor Schande das Leben zu nehmen - mit einem Sprung vom höchsten Stockwerk eines Hotels. Aber der eilig zum möglichen neuen Katastrophenort gebrachte Bernie vermag Bubber durch menschlich-gütiges Zureden vom Selbstmord abzubringen und wird, als ihm selbst durch plötzliches Abrutschen vom Sims der Tod droht, seinerseits von Bubber vom Sturz in die Tiefe bewahrt. Das wiederum frischt das Heldenimage von Bubber so auf, daß die gaffenden Massen vor Ort und vor den Bildschirmen daheim ihre Heldenverehrung nicht auf Bernie "umzimmern". Während Bubber zu neuem Medienglanz kommt, bleibt Bernie als doppelter Verlierer am Schluß in symbolischer Bildhaftigkeit im "Hinterzimmer des Lebens" zurück. Er wie Bubber haben indessen trotz der weiterhin so ungerechten "Rollenverteilung" eine Gemeinsamkeit: sie sind beide Opfer einer Heldengeschichte, die sich durch die Macht und Suggestivkraft der Medien falsch verselbständigt hat.

Nach einer bedächtigen Exposition mit überlanger Charakterisierung der Personen gewinnt der Film dramaturgisch-adäquat zur Hektik von Katastrophenszenarien und Medienbeteiligung ein unablässig Spannung wie auch Komik sicherndes Tempo. Denn als "Realsatire" verschmäht er keine Gelegenheit, aus der Gegenüberstellung von Heldensage und schmutziger Wirklichkeit zwerchfellreizende Wahrheiten über eine der Menschheit gemeinsame Schwäche zu verbreiten: die Gewohnheit, wider besseres Wissen auch Gauner und Schurken als Helden zu bewundem. Mit elementarem Humor, ohne hämische Effekte, beglaubigt er das Denken und Fühlen der Menschen in der modernen Kommunikationsge-sellschaft und läßt jede Person in jeder Situation anders als von ihr erwartet reagieren, insofern sie statt der Realität die Fantasmen der Medienbilder zum Orientierungsmaßstab nimmt. Um eine aus Heldensucht resultierende Leichtgläubigkeit zu ironisieren, werden auch absurde Überdrehungen nicht gescheut, wie etwa, wenn sich unter den Blumen, Glückwünschen und Präsenten für den zum Helden hochgemotzten Bubber eine riesige Pralinenschachtel von Barbra Streisand befindet oder (unter "Mißbrauch" einer originalen Dokumentaraufnahme) George Bush und Frau Barbara andächtig-ergriffen den salbungsvollen Kalendersprüchen des durchaus charismatischen Hochstaplers Bubber als der "Stimme des guten Amerikas" lauschen.

Aber mehr als um die Vermittlung tieferer Einsichten in menschliche Verführbarkeit und Unzulänglichkeit ist es Stephen Frears, dem gegenwartskritischen Erfolgsregisseur von Filmen wie "Sammy & Rosie tun es" (fd 26 937), darum zu tun, die Macht der Massenmedien aufzuspießen: wie sie Idole schaffen, feine Manipulationstechniken entwickeln, die Selbstvermarktung ihrer Meinungsmacher und Stars begünstigen, einen Wandlungsprozeß unserer Kultur hervorrufen und mit der Züchtung eines Glaubens an die Authentizität ihrer Bilder die Gesellschaft zu einer Konsumgesellschaft des Spektakels machen. In diesen Sequenzen funkelt die Satire, schillert der Witz - meist giftig böse - in allen Facetten. Denn Frears beherrscht souverän die augenzwinkernde Kunst der Persiflage, neue spöttische Inhalte durch schon vertraute Bildmuster wirksam zu machen. Dazu greift er auf verschiedene Filmgenres zurück, wie etwa auf den Katastrophenfilm nach "Airport"-Art oder das Beziehungskino vom Schlage "Kramer gegen Kramer" (fd 22 387), wodurch der wieder mal zu großer schauspielerischer Form auflaufende Dustin Hoffman als Bernie-"Held" Gelegenheit erhält, seine alte "Kramer"-Rolle mit dem Kampf um Sohn und Sorgerecht genießerisch durch den Kakao der Selbstironie zu ziehen.
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