Krimi | USA 1992 | 113 Minuten

Regie: Jon Amiel

Ein Grundbesitzer kehrt aus dem amerikanischen Bürgerkrieg in seinen Heimatort in Tennessee zurück. Allmählich aufkommende Zweifel an seiner Identität und sein Konflikt mit der rassistischen Umwelt führen schließlich zu einem Prozeß. Basierend auf Grundlinien des französischen Films "Die Rückkehr des Martin Guerre" transponiert der Film die Geschichte in ein anderes Milieu und rückt Wandlung und Wachsen der ehelichen Beziehung des Helden in den Mittelpunkt. Starke Leistungen der Hauptdarsteller und die an der melancholischen Opulenz alter Technicolor-Panoramen des amerikanischen Südens orientierte Fotografie machen diese Neufassung des bekannten Stoffes zu einem anrührenden Drama menschlicher Selbstzweifel und ihrer Überwindung. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SOMMERSBY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Arnon Milchan Prod./Alcor Films/Le Studio Canal+/Regency Enterprises
Regie
Jon Amiel
Buch
Nicholas Meyer · Sarah Kernochan · Anthony Shaffer
Kamera
Philippe Rousselot · Ellie de Lange
Musik
Danny Elfman
Schnitt
Peter Boyle
Darsteller
Richard Gere (Jack) · Jodie Foster (Laurel) · Lanny Flaherty (Buck) · Wendell Wellman (Travis) · Bill Pullman (Orin)
Länge
113 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Drama | Liebesfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Warner (16:9, 2.35:1, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion

Obwohl in den Grundlinien der Handlung dem französischen Film "Die Rückkehr des Martin Guerre" (fd 24 859) entlehnt, ist die Machart von "Sommersby" mehr den historischen Melodramen des Hollywoods der 40er Jahre vergleichbar. Es sind auch nicht so sehr die Subjektivität menschlicher Wahrnehmung und der sich aus ihr ableitende Konflikt, die im Mittelpunkt des Films stehen, sondern es sind die Wandlung und das Wachsen einer intimen Beziehung im Umfeld einer sich wandelnden Zeit. Was in Daniel Vignes Film - der historischen Vorlage entsprechend - im 16. Jahrhundert angesiedelt war, wurde nach Tennessee ins Jahr 1867 verlegt. Schon dieser Ortswechsel signalisiert, daß man es mit anderen Charakteren, anderen sozialen und politischen Voraussetzungen zu tun hat. Es ist in der Tat ein ganz anderer Film, nicht nur einer anderen Zeit und einem anderen Kulturkreis verpflichtet, sondern auch mit einem anderen Anspruch versehen. Der Anspruch zielt auf unverkennbare Parallelen in der Gegenwart, auf die Selbstzweifel der Vietnam-Heimkehrer und ihre Integrationsprobleme, auf immer noch schwelende Rassenfragen und auf die Emanzipationsgeschichte der letzten Jahrzehnte. "Sommersby" spricht diese Bezüge nicht direkt aus, aber sie sind, zumindest für amerikanisches Publikum, unterschwellig vorhanden.Die Geschichte des Heimkehrers, der nach langjähriger Abwesenheit im Krieg den Platz an der Seite seiner Frau wieder einnimmt, folgt nicht den gleichen Gesetzen wie "Martin Guerre". Jack Sommersby war einer der größten Landeigentümer in der kleinen Gemeinde Vine Hill, offenbar ein ziemlich unleidiger und reaktionärer Mann, wie sie zu jener Zeit im amerikanischen Süden nicht gerade selten waren. Der Jack Sommersby, der nun zurückkehrt, ist aus anderem Holz geschnitzt. Er behandelt nicht nur seine junge Frau Laurel mit viel Sensibilität, er entwickelt auch einen Plan, wie die vom Krieg in Mitleidenschaft gezogene Gemeinde wieder auf die Beine finden kann. Er richtet sozusagen eine Kolchose auf seinem eigenen Land ein und verspricht jedem, der ihm beim Tabakanbau behilflich ist, einen Teil des Landes als späteres Eigentum. Auch Farbige sind von dem großzügigen Angebot nicht ausgeschlossen. Bald nach seiner Heimkehr hat sich Jack Sommersby nicht nur mit dem Mann angelegt, der sich während der Kriegsjahre Hoffnung auf Laurel gemacht hatte, sondern auch mit den Rassenfanatikern, die in ihm einen liberalen Aufrührer sehen. Kein Wunder also, daß die sporadischen Anzeichen, die den Heimkehrer von jenem Jack Sommersby unterscheiden, den man vor Jahren in den Krieg ziehen sah, sich zu einer gerichtsnotorischen Angelegenheit verdichten. Es geht nicht mehr darum, ob des Heimkehrers Füße ein paar Zentimeter kürzer sind als die Jack Sommersbys; es ist plötzlich eine Mordanklage, deretwegen er sich verantworten muß.Für den Zuschauer, der die Geschichte nicht kennt, entwickelt der Film die kleinen, zunächst höchst unscheinbaren Verdachtsmomente, dieser Mann könne vielleicht ein anderer sein als der vermißte Jack Sommersby, ganz allmählich, den Zweifel an der Identität über lange Zeit in der Schwebe lassend. Zu viel scheint der Ankömmling von der Stadt und ihren Bewohnern zu wissen, mit zu wenig Befremden scheint Laurel ihm zu begegnen. Und so bleibt es nahezu ganz der Gerichtsverhandlung vorbehalten, das Rätsel um die Person Jack Sommersbys zu lüften. Dort laufen auch die anderen Themenstränge zusammen, exponiert in einer Weise, die sicher nicht dem Jahr 1867 entspricht, sondern die moderne Konflikte zurücktransponiert in eine Zeitepoche, die ursächlich war für ein gut Teil der Probleme, unter deren Bewältigung die amerikanische Gesellschaft bis zum heutigen Tag und vermutlich noch viel länger zu leiden hat.In der Tradition großer Hollywood-Dramen wird diese Handlung konzentriert auf ganz wenige Personen erzählt, unter denen Jacks Frau Laurel die Zentralstellung einnimmt. Um so wichtiger war es, für sie eine Besetzung zu finden, die den Film über alle Klippen der transformierten Heimkehrergeschichte hinwegretten konnte. Es ist in der Tat die Leistung der versatilen Jodie Foster, die "Sommersby" zusammenhält und die Story auch dann noch funktionieren läßt, wenn die Motivketten unter den Händen der amerikanischen Autoren zunehmend brüchig werden. Nach so unterschiedlichen Rollen wie in "Angeklagt" (fd 18 410) und "Das Schweigen der Lämmer" (fd 16 395) versteht sie sich hier auf ein Frauenporträt, das zwischen traditionellem Rollenverständnis und erwachendem Selbstbewußtsein der dargestellten Frau traumwandlerisch ausbalanciert ist. Richard Gere, der sicher nicht schlecht ist, aber in zeitgenössischen Partien (z.B. "Internal Affairs", fd 17 768) glaubwürdiger besetzt erscheint, wirkt sogleich überzeugend, wenn er mit seiner Partnerin im Bild ist. Dabei versteht Jodie Foster, ihre Rolle in Grenzen zu belassen, spielt sich und ihre Figur nicht unangemessen in den Vordergrund, sondern gibt Laurel genau so viel Profil, wie sie braucht, um Jacks Identitätskonflikt aufzubauen und zu reflektieren.Ebenfalls nach altem Vorbild bemüht sich die Regie um die Kreation eines verbindlichen, sich aber nirgends verselbständigenden Umfelds. Von Philippe Rousselot (dessen eindrucksvollste Arbeit soeben Robert Redfords "A River Runs Though It" war) in traditionellem Stil fotografiert, verlebendigt "Sommersby" optisch noch einmal die melancholische Opulenz früherer Technicolor-Panoramen des amerikanischen Südens. So wie die Story über lange Zeit alles in Andeutungen beläßt, vermeidet auch die Regie - bis auf zwei Ausnahmen - jede äußerliche Dramatisierung des Geschehens. Was die Geschichte dieses undurchschaubaren Heimkehrers letztlich anrührend und spätestens in den Schlußszenen auch für Gedanken durchlässig macht, die über Ort und Zeit der Handlung hinausführen, sind der ruhige Fluß der Geschichte und die allmähliche Exponierung zweier ungewöhnlicher Charaktere, deren Partnerschaft schließlich auf die extremste Probe gestellt wird. Glücklicherweise versagt sich "Sommersby" das genreübliche Happy End.

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