Wir können auch anders...

Komödie | Deutschland 1992/93 | 90 Minuten

Regie: Detlev Buck

Zwei Brüder aus Westdeutschland brechen auf, um auf dem ererbten Hof in der Nähe von Schwerin ein neues Leben zu beginnen. Anfangs unfreiwillig lassen sie einen sowjetischen Deserteur mitreisen. Im "Wilden Osten" werden sie ohne ihr Wissen zu Mördern, denen die Polizei immer enger auf den Fersen ist. Mit zahlreichen Western-Anspielungen gespickte Komödie, die ihren Reiz größtenteils aus den liebevoll gezeichneten und überzeugend gespielten Hauptfiguren gewinnt, die als naive Träumer zu Outlaws wider Willen werden. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1992/93
Produktionsfirma
Boje Buck Prod.
Regie
Detlev Buck
Buch
Ernst Kahl · Detlev Buck
Kamera
Roger Heereman
Musik
Detlef Friedrich Petersen
Schnitt
Peter R. Adam
Darsteller
Joachim Król (Kipp) · Horst Krause (Most) · Konstantin Kotljarow (Viktor) · Sophie Rois (Nadine) · Heinrich Giskes (Kommissar)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Heimkino

Verleih DVD
VCL (1.66:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Der Western lebt. Im Prinzip jedenfalls. Denn die wahren Männerabenteuer finden heute woanders statt, in den unerschlossenen Prärien des Ostens.

Kipp hat einen schwarzen Anzug, einen Sprachfehler und den unwiderstehlichen Charme des Enthusiasten. Most hat seine Waldarbeiter-Kleidung, eine gute Portion Skepsis gegenüber den Menschen und einen alten Diesel-LKW. Rudi und Most sind Brüder, der LKW ihr Ticket ins gelobte Land: Irgendwo ostwärts, in der Nähe von Schwerin wartet ein Landgut, das ihnen die verstorbene Großmutter hinterlassen hat. Die Reise wird beschwerlich, denn die Glücksritter sind Analphabeten, und Straßenschilder können nicht sprechen. Viktor kann sprechen - Russisch. Er ist aus der Roten Armee desertiert, und das Ziel seiner Reise liegt ebenfalls im Osten. Viktor besitzt eine Kalaschnikow und solide Kenntnisse im Umgang mit Dieselmotoren. Fortan reist man zu dritt. Aus der erzwungenen Gesellschaft wird eine echte Freundschaft, als Viktors Kalaschnikow das Trio vor einer Bande tätowierter Straßenräuber rettet. Die Banditen werden mitsamt ihrem Wagen im Fluß versenkt. Daß zwei der Räuber nicht schwimmen können, bekommen die "Helden" nicht mehr mit; ebensowenig, daß sie selbst nun von an als gemeingefährliche Killer gesucht werden. Die mitgeführten Ersparnisse sind im Bewußtsein künftigen Reichtums bald aufgebraucht: Kipp ersteht Zivilkleidung als Tarnung für Viktor, Most kauft bei einem windigen Händler ein Ruderboot für verlockende Ostsee-Kreuzfahrten. Während sich das Netz der Polizei immer weiter zusammenzieht, muß das Trio sich die nötigsten Lebensmittel zusammenstehlen. Doch trotz aller Widrigkeiten stehen Kipp und Most irgendwann tatsächlich vor ihrem Erbe, das ein wenig unerwartet ausfällt. Und eher zufällig hinterläßt man ein weiteres Todesopfer.

In einer Kneipe spitzt sich - kurz vor zwölf Uhr mittags - die Lage zu: Suchmeldungen flimmern über den Bildschirm. Zwar reichen die "Steckbriefe" aus, einige anwesende Skinheads in die Flucht zu schlagen, um aber den beiden Dorfpolizisten zu entkommen, muß man die Wirtin Nadine als Geisel nehmen. Eine Frau kommt ins Spiel - wovor sonst müßte sich der Westernheld mehr fürchten? Das letzte Stück der Flucht legen die "Outlaws" mitsamt ihrer Gefangenen tatsächlich auf Pferden zurück.

Der Traum vom "Wilden Osten", Detlev Buck und Ernst Kahl erwecken ihn zum Leben. Ein Land der finsteren Gesellen und Geschäftemacher, der gut beschäftigten Totengräber und ehrgeizigen Sheriffs; ein Land aber auch, in dem zerschossene Telefonleitungen und ländliche Abgeschiedenheit den Gesetzlosen Deckung bieten. Eigentlich sind Kipp und Most für dieses Land nicht geschaffen. Wie einst "Laurel & Hardy" ("Way out West") stolpern sie über eine Erbschaft ins Abenteuer, dem sie trotzig die Stirn bieten und das sie mit entwaffnender Naivität überstehen.

Kipp und Most sind echte Buck-Kreationen: nicht besonders helle, aber immer mit ganzem Herzen bei der Sache. Typen, deren Gesichter auch dann Bände sprechen, wenn keine Worte gemacht werden (was bei Kipp allerdings selten der Fall ist). Wer Most beim abendlichen Lagerfeuer in seinem Ruderboot sitzen sieht, mit aufrechter Haltung und der ganzen Würde des Besitzenden, bekommt eine Idee davon, was Glück ist. Das haben Kipp & Most mit Laurel & Hardy gemeinsam: man kann über sie und ihre kleinbürgerlichen Macken lachen und muß sie trotzdem ins Herz schließen.

Detlev Bucks Filme kommen nicht als großangelegte Entwürfe daher, sondern spontan, assoziativ, bisweilen sprunghaft. Sie leben vom genau beobachteten Detail. "Wir können auch anders" ist kein Film über "Wessis und Ossis". Wie Buck/Kahl allerdings die gängigen Klischees aufgreifen, sie mit Western-Stereotypen in einen Topf werfen und kräftig durchschütteln, das hat in seiner Beiläufigkeit mehr satirisches Potential als die bekannten Wiedervereinigungs-Komödien. Und auch das gehört zum Genre: Roger Heeremans Kamera zelebriert die Landschaft in Bildern, deren Weite beinahe befremdlich wirkt. "Spiel mir das Lied vom Tod" zwischen Münsterland und Mecklenburg - Bucks Film ist eine wunderbare Komödie und das Paradebeispiel eines regional verwurzelten europäischen Films.
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