Der Schein-Heilige

Komödie | USA 1992 | 108 Minuten

Regie: Richard Pearce

Ein Wanderprediger, der im amerikanischen Mittelwesten mit angeblichen "Wundern" seine Geschäfte macht, wird durch ein wahres Gotteswunder in seinem Treiben gestoppt und zu heilsamer Besinnung gebracht. Ein satirisches Zustandsbild von provinzieller Wundergläubigkeit und ihrer skrupellosen Ausnutzung durch Scharlatanerie. Ein Film, der trotz seiner komödiantischen Turbulenzen zur kritischen Nachdenklichkeit anregt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LEAP OF FAITH
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Paramount
Regie
Richard Pearce
Buch
Janus Cercone
Kamera
Matthew F. Leonetti
Musik
Cliff Eidelman
Schnitt
Don Zimmerman · Mark Warner · John F. Burnett
Darsteller
Steve Martin (Jonas Nightengale) · Debra Winger (Jane) · Lolita Davidovich (Marva) · Liam Neeson (Sheriff Will) · Lukas Haas (Boyd)
Länge
108 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Diskussion
Als Wanderprediger fährt Jonas Nightengale mit Bussen, Trucks, Gospelchor und einer großen Schar von technischen Mitarbeitern nicht nur in alle Welt, um die christliche Heilsbotschaft zu verkünden; er pflegt vor allem das "Geschäft mit Gott". Während er in einem großen Reisezelt inmitten der von seiner technischen Leiterin gesteuerten High-Tech-Gauklerei mit wortgewaltigen Predigten kreischende und händewedelnde Massenhysterie entfesselt, sammeln seine Helfer zuhauf die Dollarscheine ein. Weil Nightengale seine "Glaubenstourneen" unter dem Leitwort "Miracles and Wonder" im amerikanischen Mittelwesten durchführt, löst er natürlich die entsprechenden Erwartungen aus. Scharlatan, der er ist, weiß er, daß er Hoffnungen auf "Wunder" nicht enttäuschen darf. Und so behilft er sich in raffinierter Weise unter Ausnutzung eines einlullenden oder aufputschenden Gospel-Soundtracks mit Taschenspielertricks - bis ein wirkliches Wunder seinem geldziehenden "Wunder"-Getue ein Ende setzt. Denn was der Nightengales Aktionen kühl und spöttisch gegenüberstehende Sheriff in einem kleinen Städtchen von Kansas mit rationalen Argumenten vorm Volk nicht erreicht, schafft unwillentlich der schwerbehinderte, an Krücken gehende Bruder Boyd einer Kellnerin: Nightengale in die Flucht zu schlagen. Denn als habe Gott das inbrünstige Hoffen des Jungen auf Heilung gütig lächelnd erhört, kann Boyd an einem "Glaubensabend" unter dem Kreuz in Nightengales Zelt seine Krücken beiseite werfen und plötzlich gehen. Das aber trifft den "wundertätigen" Wanderprediger gleich einem Blitzschlag. Er empfindet das bestürzende Ereignis als Zeichen göttlicher Allmacht und die eigenen religiösen Machenschaften als Frevel so sehr, daß er sein ganzes Verkündigungsuntemehmen fluchtartig zurückläßt und als Anhalter in einem Truck in der nächtlichen Weite des Landes verschwindet, wobei er noch den gewaltig niederrauschenden Regen erlebt, um den er als "Gottesbeweis" tags zuvor in dem von Dürre geplagten Kansas-Städtchen volkswirksam gebetet hat.

"Der Schein-Heilige" hat das Thema der rechnerischen Frömmigkeit fest im satirischen Griff. Was der Film an Kalkulationen und Zynismus hinter den Kulissen eines an Broadway-Shows orientierten Missionsspektakels entlarvt, und wie er das bis zur Clownerie gehende amerikanische Wanderpredigertum vorführt, ist voller boshafter Belustigungsabsichten, in der Ausführlichkeit und mehrmaligen Wiederholung jedoch ermüdend. Obendrein dürfte sich manche ironische Anzüglichkeit auf Wundergläubigkeit und naive Frömmigkeit in der amerikanischen Provinz nur dem Publikum in den USA bis zu bewußtseinserweitemden Einsichten erschließen. Im hiesigen Kino wirkt vieles denn doch zu "exotisch". Am besten wird der mit zwei schematischen Liebesgeschichten verbündelte Film da allgemeinverständlich, wo der Fluß satirischer Veranschaulichungen durch die einer gewissen Peinlichkeit nicht ganz entgehende Heilungsszene unterm Kreuz ins Stocken gerät. Im Stillwerden der Menschen im Zelt wie im schockhaften Innehalten des Wanderpredigers wird durchaus etwas spürbar von der Gewalt eines Einbruchs des Göttlichen in die Diesseitswelt. Und die darauf einsetzende Erweckung und Wandlung des Predigers, seine Chance, nun selbst zum wahrhaft Glaubenden (und fortan selbstlosen Verkünder des Gotteswortes?) zu werden, ist auch nur überzeugend, weil der Film ihm zuvor selbst im schrillsten Spektakel missionarischen Gebarens ein bestimmtes Maß an Würde belassen hat. In dieser einem Entertainer gleichenden Figur, die trotz aller Geschäftstüchtigkeit in ihren religiösen Machenschaften den herbeigeströmten Menschen immerhin "für ihr Leben ein Fünkchen Hoffnung mitgibt, das vorher nicht brannte", in diesem selbst so heilsbedürftigen Mann offenbart sich letzten Endes die Wahrheit, daß Gott in seiner Liebe auch auf krummen Zeilen gerade schreibt. Und nicht zuletzt gibt der Film nachdenkenswert zu erkennen, daß Rattenfängerei jeglicher Art am ehesten sich da der "Konjunktur des Zulaufs" erfreuen kann, wo - wie in dem kleinen Kansas-Städtchen - wirtschaftliche Flaute, Angst um die Existenz und soziale Verwirrung herrschen, aber keine Hoffnungen auf Perspektiven für die Zukunft.
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