Portrait of a Lady

Liebesfilm | USA/Großbritannien 1996 | 144 Minuten

Regie: Jane Campion

Die nie von Erfolg gekrönte Liebes- und Glückssuche der jungen Amerikanerin Isabel Archer, die Ende des 19. Jahrhunderts Europa bereist. Gediegene Adaption eines Romans von Henry James, der es jedoch nicht ganz gelingt, die Beweggründe ihrer Protagonisten zu verdeutlichen, sondern die sich wiederholt in artifizielle Stilisierungen flüchtet. Ein Film, der unterschiedlich aufgenommen werden kann: für die einen überlanges und auch langweilendes Kunstgewerbe, für andere ein opulenter Genuss. - Ab 16.
Zur Filmkritik Im Kino sehen

Filmdaten

Originaltitel
THE PORTRAIT OF A LADY
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
Propaganda Films
Regie
Jane Campion
Buch
Laura Jones
Kamera
Stuart Dryburgh
Musik
Wojciech Kilar
Schnitt
Veronika Jenet
Darsteller
Nicole Kidman (Isabel Archer) · John Malkovich (Gilbert Osmond) · Barbara Hershey (Madame Serena Merle) · Martin Donovan (Ralph Touchett) · Valentina Cervi (Pansy Osmond)
Länge
144 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Liebesfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
VCL (1.85:1, DD5.1 dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Eine Kutsche, die durch die Nacht schwebt, von vier Pferden über Straßen gezogen, die niemand sehen kann - das ist meine Vorstellung von Glück." Doch von diesem Glück ist die Amerikanerin lsabel Archer, die Ende des 19. Jahrhunderts Europa bereist, weit entfernt, wird es so nie finden. Diese romantische Vorstellung, ein wenig verbunden mit erotischer Schwärmerei, wird weder Geschäftsmann Goodwood noch Lord Warburton, die sie beide sehr zögerlich und zurückhaltend umwerben, einlösen können. Ihr Landsmann Osmond, ein in Italien lebender Bonvivant, der nicht schmachtet, sondern küßt, nicht von Ehe, sondern von Liebe redet, scheint ihr da der geeignetere Kandidat. Doch der verspricht nur im ersten Anflug von Verliebtheit Verheißung, bereits nach wenigen Monaten zeigt er sein wahres, despotisches Gesicht. Für ihn ist Liebe ein Machtkampf, der in der Unterwerfung der Frau gipfelt, und Ehe nur Mittel zum Zweck, in diesem Fall der Zugriff auf die beachtliche Mitgift der schönen lsabel. Vielleicht wäre Vetter Ralph, der Wesensverwandte, der geeignete Kandidat gewesen, doch das naheliegende Gute übersieht man ja so leicht, und so kann lsabel dem Freund erst an seinem Sterbebett ihre Liebe und ihren Irrtum eingestehen.

Jane Campions Henry-James-Adaption "Portrait of a Lady" (vgl. Artikel in dieser Ausgabe) kann mit allem aufwarten, was eine gediegene Literaturverfilmung auszeichnet: opulente, detailgetreue Ausstattung, geschliffene Dialoge, eine Ausleuchtung, die den Seelenzustand ihrer Heldin versinnbildlicht - so sind die Szenen mit ihrem Ehemann in eisiges Hellblau getaucht -, über weite Strecken wundervolle Bildkompositionen, die Großaufnahmen von Gesichtern an den Bildrand rücken und damit an Porträts erinnern, die ihrem Rahmen entrückt sind, zwar Anwesenheit demonstrieren, zugleich jedoch symbolisieren, daß sie den Schauplatz des Geschehens lieber verlassen wollen, und eine Reihe großartiger Darsteller, allen voran die Hauptdarstellerin Nicole Kidman. In einigen Szenen wird der Rahmen der Literaturverfilmung sogar zugunsten surrealer Bildeinfälle, die wie leicht fiebrige erotische Träume oder uralte Filmdokumente anmuten, gesprengt. Jane Campions Film trägt aber auch Züge in sich, die Literaturverfilmungen verleiden können. Allzu artifizielle Kamerafahrten, die die Heldin umkreisen, gekippte Bilder, die für die seelische Schieflage stehen, ein finsterer Dämon (John Malkovich), der sein Rollenimage einmal mehr erfüllt. Im Drehbuch mag das zwar funktionieren und der Schein die (Film-)Heldin hinters Licht führen, doch der Zuschauer erkennt beim ersten Auftritt von Gilbert Osmond, daß er keine lauteren Absichten hegt, sondern erkennbar Wolf im Schafspelz spielen muß. Hier wäre es wirkungsvoller gewesen, wenn Campion einen allgemein beliebten Sympathieträger gegen sein Rollenimage besetzt hätte. (Soll ja auch geplant gewesen sein, da William Hurt das Angebot für die Rolle des Fieslings Osmond hatte.) Doch nicht nur diesem Mann steht sein wahres Ich auf der Stirn geschrieben, auch die fatale Liebe und die aus ihr resultierende Ehe werden durch eher grobe Symbole kenntlich gemacht. So findet die erste Begegnung in einem dunklen Gewölbe statt, nach der Eheschließung fallen schwere Tore ins Schloß - "Verlies" und "Gefängnis" zieren diese Kapitel als unsichtbare Überschriften. In diesen Kleinigkeiten, die sich im Laufe von 144 langen und auch langweiligen Minuten summieren, schimmert - ähnlich wie im erfolgreichen und weitaus gelungenerem "Piano" (fd 30 374) - Kunstgewerbe durch, wird Stilmittel zum Selbstzweck und noch nicht einmal zum überzeugenden. Und auch Osmonds (fast) inzestuöses Verhältnis zur unehelichen Tochter Pansy wirkt wie ein zu grober Hinweis auf den mehr als zwiespältigen Charakter des kunstsinnigen Ehemanns.

Ganz auf die Person der lsabel Archer konzentriert, aus deren Erleben der Film erfahren werden soll, entwickelt die Regisseurin das Psychogramm einer Frau, die ein wenig träumerisch und doch bereits ein wenig bewußt, meist verhalten und manchmal ein wenig kokett die Welt erleben will, die immer noch auf der Suche nach der "blauen Blume" ist, doch auch schon erfahren hat, daß bei ihren unsteten Reisen viel Staub zu schlucken ist. Nur zweimal hält die Rastlose inne: als sie Osmond trifft und sich am Ziel ihrer Träume glaubt,ein kapitaler Fehler, der letztlich aber den Schub in Richtung Emanzipation gibt, und zum zweiten Mal am offenen Schluß des Films, wenn lsabel zwar nicht am Ziel, aber am Ende angekommen ist. Viel erreicht hat sie nicht, immerhin sind die Augen ein wenig geöffneter, sie hat gelernt, Irrtümer zu erkennen und - was schwerer ist - zu akzeptieren, und sie hat gelernt, sich zu entziehen, den Werbern, die sie wieder umschwärmen, dem Ehemann und damit verbunden - viel wichtiger noch - den Konventionen ihrer Zeit und ihres Standes.
Kommentar verfassen

Kommentieren