Dem deutschen Volke

Dokumentarfilm | Deutschland/Frankreich 1996 | 98 Minuten

Regie: Wolfram Hissen

Dokumentarfilm über die spektakuläre Verhüllung des Reichstags in Berlin durch die Künstler Christo und Jeanne-Claude. Als das Ereignis am 24. Juni 1995 endlich Realität und zu einem weltweit Aufsehen erregenden Massenspektakel wurde, war dies der Endpunkt eines fast 25jährigen Kampfes um die Realisierung des Objekts, das als die wohl längste und mühseligste Entwicklungsgeschichte eines Kunstwerkes dokumentiert wird. Zugleich spiegeln die einzelnen Etappen der Auseinandersetzung den wortreichen Kampf um das Verständnis von Kunst sowie das heikle Verhältnis von Kunst und Politik. Optisch beeindruckend und von hohem archivarischen Wert, vermeidet der Film leider jede inhaltliche Auseinandersetzung. (Fernsehtitel: "Christo & Jeanne-Claude - Verhüllter Reichstag, Berlin 1971-1995") - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CHRISTO & JEANNE-CLAUDE - WRAPPED REICHSTAG, BERLIN 1971-1995
Produktionsland
Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
EstWest/arte/Ex Nhilo/ZDF
Regie
Wolfram Hissen · Jörg Daniel Hissen
Buch
Wolfram Hissen · Jörg Daniel Hissen
Kamera
Albert Maysles · Jörg Widmer · Eric Turpin
Schnitt
Götz Filenius · Dirk Grau
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0 (Video)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Mehr als 20 Jahre kämpften der bulgarische Künstler Christo und seine Ehefrau Jeanne-Claude um eines ihrer Lieblingsprojekte: die Verhüllung des Berliner Reichstages. Als es nach heftigen politischen Querelen im Sommer 1995 schließlich doch noch zur Realisierung kam und der klassizistische Bau unter silbrig glänzender Folie verschwand, strömten Millionen Menschen zum "Wrapped Reichstag" und feierten zwei Wochen lang das Ereignis: Ein futuristisches Spektakel, bei dem sich Utopie und Volksfest, ästhetische Formenstrenge und mediale Verwertbarkeit zum zeitgemäßen Happening vereinten. Die Filmemacher haben das Geschehen rund um den Reichstagsplatz auf Zelluloid festgehalten und zu einem Film montiert, dessen Schönheit Christos Vision nachhaltig der Vergänglichkeit entreißt. Wie im Flug gleitet die Kamera über glitzernde Flächen, tanzt auf Simsen und Giebeln, taucht ein in das wogende Menschenmeer - und wieder auf, wenn Sonne oder Mond das bizarre Tuchgebirge in vielen Tönen färben. Sie folgt den Fassadenkletterern in schwindlige Höhe, wo sie das aluminiumbeschichtete Gewebe mit blauen Seilen festzurren, und registriert aufmerksam die Sorgenfalten auf Christos Stirn, der zwischen Bangen und Hoffen den Verhüllungsarbeiten folgt.

In immer neuen Perspektiven kreist ihr Auge um das gefesselte Symbol deutscher Macht und Umnachtung, dessen architektonische wie historische Konturen sich nie deutlicher abzeichneten als unter der filigranen Ummantelung. Ein Anblick stillen Innehalens, in dem die Zeit stillzustehen scheint, ehe die Bautrupps anrückten, die dem neuen Bundestag ein neue Bleibe schaffen. Bis dahin allerdings hat der Film bereits eine gute Stunde zurückgelegt, in der ein gewaltiges Sisyphusringen nachgezeichnet ist. 54mal bestieg das Ehepaar Javacheff seit 1971 den Flieger nach Deutschland, um für seine Idee zu werben. Trotz prominenter Fürsprecher, unter ihnen Walter Scheel und Willy Brandt, scheiterte es aber immer wieder am Widerstand der jeweiligen Bundestagspräsidenten. Erst als Rita Süßmuth ihr Interesse bekundete, kam Bewegung in das Projekt. Christo startete eine intensive Besuchstour bei deutschen Politikern, die auch die Filmemacher auf den Plan rief, weshalb die Zuschauer nicht nur Ausschnitte der hitzigen öffentlichen Debatte wiedererleben, sondern auch Beispiele von Christos Überzeugungsarbeit unter Bonner Parlamentariern. Der zeitgeschichtliche Wert solcher Aufnahmen steht außer Frage, ebenso die dokumentarische Leistung, ein wichtiges kunst- und kulturpolitisches Geschehen der Bundesrepbulik Deutschland bis in seine Genese rekonstruiert zu haben. Gleichzeitig schildert der Film, wie das Werk technisch realisiert wurde, begegnet Menschen, die an seiner Entstehung beteiligt waren: Näherinnen, Schweißern, Lkw-Fahrern, die mit mehr oder weniger Verständnis Christos Idee kommentieren. Daraus läßt sich mühelos ein aufschlußreiches zeitgeschichtliches Mosaik gewinnen, das vom Geist der alten Republik ebenso Zeugnis gibt wie von den neuen Zeiten. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit "Wrapped Reichstag" aber unterbleibt ebenso wie eine Reflexion der eigenen filmischen Herangehensweise, die sehr heterogenes Material miteinander verschmilzt.
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