Cold Comfort Farm

Komödie | Großbritannien 1996 | 104 Minuten

Regie: John Schlesinger

England in den 30er Jahren: Eine junge Frau nistet sich nach dem Tod ihrer Eltern auf dem reichlich verwahrlosten Landgut ihrer Verwandtschaft ein. Sie bringt einerseits ein wenig Ordnung in das Chaos und wirbelt andererseits die festgefahrenen Strukturen gehörig durcheinander. Von skurrilen Typen bevölkerte Gesellschaftskomödie, die von großartigen Schauspielern getragene Charaktere entwickelt. Intelligent-kurzweilige Unterhaltung. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
COLD COMFORT FARM
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
BBC/Thames Television
Regie
John Schlesinger
Buch
Malcolm Bradbury
Kamera
Chris Seager
Musik
Robert Lockhart
Schnitt
Mark Day
Darsteller
Kate Beckinsale (Flora Poste) · Eileen Atkins (Judith Starkadder) · Sheila Burrell (Ada Doom) · Rufus Sewell (Seth Starkadder) · Stephen Fry (Mybug)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
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Diskussion
Jane Austen hat die Heldin von Stella Gibbons' 1932 erschienem Roman "Cold Comfort Farm" inspiriert: Die 19jährige Flora möchte am liebsten das Leben genießen und dann mit 53 ihre Erlebnisse zu einem Roman verarbeiten. Aber da ihre Eltern ihr nur eine bescheidene Apanage zurückgelassen haben und sie ihrer Londoner Gönnerin, der Gesellschaftsdame Mrs. Smiling, nicht zur Last fallen will, schreibt sie all jene Verwandten an, die ihr auf der Beerdigung Unterstützung zugesagt hatten. Eine positive Antwort bekommt sie nur von den Starkadders aus Sussex. Und so macht sich Flora auf in die Provinz, sehr zum Leidwesen des angehenden "fliegenden" Pfarrers Charles, der sich unsterblich in sie verliebt hat. In Sussex erfüllen sich dann Floras schlimmste Befürchtungen: der Hof ist völlig heruntergekommen, die Söhne heißen wie in den Groschenromanen Seth und Reuben - und benehmen sich auch so; der eine steigt jedem Weiberrock nach, der andere arbeitet nur tumb vor sich hin. Mutter Judith redet Flora nur als "des alten Postes Tochter" an und gibt unmißverständlich zu verstehen, daß sie die Einladung nur dem schlechten Gewissen der Starkadders gegenüber ihrem Vater, den sie einst schlecht behandelt haben, zu verdanken hat. Das Geheimnis ihrer Schuld lüftet der Film genausowenig wie das der Matriarchin Ada Doom, die, seitdem sie "etwas Schreckliches im Holzschuppen" gesehen hat, eingeschlossen in ihrer Dachkammer lebt und von dort aus ihre Sippe tyrannisiert. Vervollständigt wird die skurrile "Großfamilie" durch Vater Amos, einen fanatischen Laienprediger, Tochter Elfina, die dichtend durch die Felder hüpft, dem geistig minderbemittelten Urk, das Faktotum Adam, der es mehr mit den Kühen als mit den Menschen hält, und die patente Haushälterin Mrs. Beetle mit ihrer ständig schwangeren Tochter Meriam. Die anfangs mißtrauisch als Erbenschleicherin beäugte Flora bringt einerseits ein wenig Ordnung ins Chaos, andererseits wirbelt sie die festgefahRenén Strukturen durcheinander. Am Ende hat sie Amos davon überzeugt, seine Passion zum Beruf zu machen. Reuben macht aus dem verlotterten Gehöft eine blühende Farm, Seth wird von einem Hollywood-Produzenten als Liebhabertyp entdeckt, für Elfine fädelt sie die Hochzeit mit dem wohlhabenden Nachbarssohn ein, Ada gesellt sich wieder unter die Menschen und sie selbst erkennt endlich, daß sie zu Charles gehört.

Auch wenn man dem Film vor allem im Produktionsdesign und in den Bildkadragen seine Herkunft vom Fernsehen ansieht, so vereint er doch all die Qualitäten, die den Filmregisseur John Schlesinger auszeichnen. Schlesinger, Mitbegründer des "Free Cinema", zeigt auch hier wieder sein Gespür für starke Stoffe und seine Fähigkeiten als Schauspieler-Regisseur. Dabei verwebt er geschickt sein schon in der Thomas-Hardy-Verfilmung "Die Herrin von Thornhill" (fd 15 726) bewiesenes Geschick, historische Geschichten mit dem genau beobachtenden Auge des Dokumentaristen zu erzählen, mit dem schon in seinen Frühwerken wie "Billy, der Lügner" erkennbaren Sinn für Humor und feine Ironie. Mit dieser Haltung nähert er sich auch in "Cold Comfort Farm" seinen Figuren, läßt sie in ihrer Umwelt lebendig werden und zeichnet sie nie als isolierte Gestalten, die er der Schadenfreude des Publikums preisgibt. Sie wachsen einem im Laufe der Handlung alle ans Herz, in ihren Macken erkennt man eigene Unzulänglichkeiten und Sehnsüchte. Natürlich foppt Schlesinger auch ein wenig, indem er in dem schwarz-weißen Prolog, als Ada jenen ominösen Holzschuppen betritt, um dort ihr Trauma zu "empfangen", auf eine Fährte lockt, die er mit einem Gag einfach im Sande verlaufen läßt. Und er läßt bis zur Schlußeinstellung rätseln, ob Flora und Charles zueinander finden. Die in manchem Charakter angelegte Deftigkeit verführt ihn nie zu plattem Klamauk, es sind der Witz des Drehbuchs und die inszenatorischen Feinheiten, die den Stil bestimmen: Köstlich, wenn Adam zu den angespielten Klängen von "Vom Winde verweht" mit seinem neuen Auto "Ford" in die Ferne fährt, um als Prediger in Amerika sein Seelenheil zu finden, oder wenn Seth sich gegenüber Flora als eifriger Kinobesucher und Sammler von Starpostkarten ausweist. Wie wunderbar er mit dem darstellerischen Repertoire seiner Schauspieler arbeitet, zeigt sich besonders in der Figur Adams. Freddie Jones spielt hier mit Präzision und Überzeugungskraft das liebenswerte "Mädchen für alles", das nichts von neumodischen Spülbürsten hält und die Töpfe lieber mit einem Zweig reinigt. Schlesinger schweißt die aus erfahRenén Bühnenschauspielern und Newcomern bestehende Schauspielercrew zu einer reibungslos funktionierenden Einheit zusammen. Und in diesem großartigen Ensemblespiel, das so manche Lebensweisheit augenzwinkernd serviert, Verhaltensweisen und Vorurteile auf die Schippe nimmt, liegt die größte Qualität dieses intelligent-kurzweiligen Films.
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