Komödie | Großbritannien 1996 | 103 Minuten

Regie: David Evans

Die Endphase der Fußballsaison 1989 in der ersten englischen Liga stürzt einen Lehrer in ein Wechselbad der Gefühle, da sein Lieblingsclub Arsenal London die sicher geglaubte Meisterschaft leichtfertig zu verspielen scheint. Ein humorvoller, kenntnisreicher und detailverliebter Film über Fußball und wahre Fans, bei denen sogar die Liebe zu kurz kommt, da der Platz in ihrem Herzen längst besetzt ist. Ein kleiner, bescheiden inszenierter, insgesamt überzeugender Erstlingsfilm, der sich ganz auf sein Thema konzentriert. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
FEVER PITCH
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
Wildgaze
Regie
David Evans
Buch
Nick Hornby
Kamera
Chris Seager
Musik
Neill MacColl · Boo Hewerdine
Schnitt
Scott Thomas
Darsteller
Colin Firth (Paul) · Ruth Gemmell (Sarah) · Neil Pearson (Pauls Vater) · Lorraine Ashbourne (Pauls Mutter) · Luke Aikman (Paul als Kind)
Länge
103 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
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Diskussion
Die Trennung seiner Eltern hat für den kleinen Paul noch fatalere Folgen als für die meisten anderen Kinder: Als sein Vater ihn eines Tages mit ins Fußballstadion nimmt, ist es um Paul geschehen - er wird ein Fan. Nicht nur ein Freund des Spiels, sondern Fan einer Mannschaft, der in den folgenden Jahren kein Heimspiel mehr versäumen wird, der alle Höhen und Tiefen seines Teams miterleben und durchleiden wird. Durchleiden trifft in diesem Fall eher zu, denn, das ist der Haken an der Sache: Pauls Verein ist Arsenal London. Die "Gunners" - so genannt nach dem Emblem auf ihrem Vereinswappen, einer Kanone, schließlich wurde der Club 1886 von den Arbeitern und Soldaten der "Königlichen Waffenkammer" gegründet -, in den 60er Jahren eine feste Größe im englischen Fußball, dümpeln in den 70ern bestenfalls im Mittelmaß, sind zu einer "Gurkentruppe" verkommen. Und das sollte lange Jahre so bleiben, und da Leid verbindet, hat Paul reichlich Gelegenheit, zu leiden und sich mit jeder Niederlage mehr an den Verein zu binden.

Jahre später, man schreibt 1989, Arsenal hat nach 18 Jahren erstmals wieder Gelegenheit, in den Kampf um die Meisterschaft einzugreifen; Paul ist mittlerweile Lehrer, ein unorthodoxer, aber bei den Schülern beliebter, der für Fußballfragen stets ein offenes Ohr hat und natürlich die Schulmannschaft trainiert. Keine Frage, daß er schon am ersten Tag, an dem die hochmotivierte Junglehrerin Sarah ihren Dienst antritt, mit der Neuen aneinanderrasselt. Zu gegensätzlich sind ihre Charaktere, zu unterschiedlich ihre Berufsauffassungen. Doch da sich Gegensätze bekanntlich auch anziehen, Sarah beinahe krampfhaft einen Mann sucht und den "Proleten" Paul auch noch attraktiv findet, landet Paul in ihrem Bett, Sarah mitten in seinem Fußball-Leben. Sie lernt langsam, was es heißt, ein richtiger Fan zu sein, steht anfangs fassungslos diesem Phänomen gegenüber, doch bald erfaßt auch sie eine abgemilderte Form des "Fußball-Fiebers".

Als Sarah schwanger wird, scheint es möglich, alles. Fußball, Familie, Beruf - in dieser Reihenfolge - unter einen Hut zu bringen. Doch zwei Spieltage vor Saisonschluß wird der Höhenflug der "Gunners" gestoppt bzw. sie stoppen sich selbst, indem sie ein sicheres Spiel versieben. Für Paul bricht eine Welt zusammen, sogar die Nachricht, daß er den Rektorenposten an seiner Schule nicht erhält, kann ihn weniger erschüttern als der drohende Verlust der Meisterschaft. Ein Verhalten, das Sarahs Vertrauen an das Verantwortungsgefühl ihres Geliebten zutiefst erschüttert, zumal ihre Fußball-Begeisterung durch die Ereignisse im Hillsborough-Stadion (15. April 1989) - damals verloren 95 Menschen bei einer ausbrechenden Panik ihr Leben - erloschen ist. Sie zieht sich zurück, während Paul den Verlust seiner Geliebten kaum zur Kenntnis nimmt. Dann naht der Tag des Endspiels; Arsenal reist zum Erzrivalen und Favoriten Liverpool, Paul kann die Fernsehübertragung des Spiels kaum ertragen, durchleidet Höllenqualen. Sarah möchte Paul in "seiner schwersten Stunde" beistehen, wird jedoch im Eifer des Gefechts schroff und ungesehen vor der Tür abgewiesen. Einsam irrt sie durch den Stadtteil Arsenal, als der Spieler Michael Thomas in der zweiten Minute der Nachspielzeit das 2 : 0 für die "Gunners" erzielt, und sieht sich plötzlich von ausgelassenen Menschen umringt. Mitten in der Nacht trifft sie auch den zutiefst glücklichen Paul, der am Ziel seiner Träume ist und sich nun endlich in eine gemeinsame Zukunft eindenken kann.

Um es vorweg zu sagen, in David Evans Erstlingsfilm ist längst nicht alles gelungen, zeugt einiges von noch nicht ausgereifter handwerklicher Geschicklichkeit. So z.B. die Parallelmontage am Ende des Films, die alle Beteiligten trotz ihrer verschiedenen Standorte am Höhepunkt des Fußballspiels zusammenführen soll, sie jedoch eher isoliert und separiert. Und den Szenen um die Katastrophe im Hillsborough-Stadion mangelt es an emotionaler Nähe und Betroffenheit. Diese Mängel tun dem überzeugenden Gesamtergebnis jedoch keinen Abbruch. Autor Nick Hornby, der das Drehbuch nach seinem Erfolgsroman schrieb, versteht es, das Wesen des Fan-Seins herauszuarbeiten und auf den Punkt zu bringen, und Evans setzt diese Intentionen gefühlvoll, mit Sinn für Humor und Details um. Er tut gut daran, den Sport selbst weitgehend außen vor zu lassen, nur am Ende greift er auf Fernsehmaterial des historischen Endspiels zurück, und sich auf die Zuschauer, die Fans, zu konzentrieren. Man sieht den einzelnen, trunken vor Freude oder zu Tode betrübt, kann den Kloß empfinden, der Paul bei einem schlechten Spiel im Magen liegen muß, das Herzrasen, wenn ein Spiel auf der Kippe steht. Und er zeigt den Fan als Masse, in der der einzelne Mensch zu einem neuen Wesen verschmilzt, das nur von einem Gedanken beherrscht, von einem Wunsch beseelt ist. Man spürt förmlich, wie die mühsam antrainierten Errungenschaften der Zivilisation lustvoll über Bord geworfen werden, um für zwei Stunden Urinstinkte ausleben zu können. Zugegeben, das ist das Bild einer männlich dominierten Welt, in der die Kämpen auf den Spielfeld sich "Stellvertreterkriege" liefern und die realen Defizite, die der Alltag bietet, für kurze Zeit durch kollektives Glücksgefühl oder gemeinsame Trauerarbeit (Spielanalyse und Saufen) kompensiert wird.

Doch Hornby/Evans zeigen noch mehr, sie gehen dem Fan-Sein auf den Grund, zeigen eine Form von Besessenheit, die nichts anderes neben sich duldet. So ist "Fever Pitch" auf den ersten Blick zwar auch eine Liebesgeschichte, doch dient diese nur als roter Faden, an dem sich die Handlung entlanghangelt, um eben zu zeigen, daß Liebe unter diesen erschwerten Voraussetzungen eigentlich nicht möglich ist. Der Platz im Herzen ist eben besetzt! Vor die Entscheidung gestellt "Sport oder Liebe?" werden Menschen wie Paul sich immer für ersteres entscheiden, ohne böse Absicht, ohne zu merken, daß andere verletzt werden. So gesehen ist der Film auch eine humorvolle Auseinandersetzung mit einer Form von Einsamkeit und Verkümmerung, die so ohne weiteres gar nicht wahrzunehmen ist. Ein wunderschönes Stück Kino, klein und bescheiden in der Form, wahrhaftig und voller Liebe und Respekt für seine ganz normalen Helden. Nur am Ende greift der Film ein wenig zu kurz. Arsenal gewinnt die Meisterschaft, Paul ist wie von einem Fluch erlöst, kann sich jetzt endlich um Liebe und Familie kümmern, glaubt es zumindest. Doch für einen wie ihn kann das Bangen eigentlich nicht abgeschlossen sein, gilt es doch jetzt, den errungenen Meisterschaftstitel in der nächsten Saison zu verteidigen.
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