Raus aus der Haut

Komödie | Deutschland 1997 | 90 Minuten

Regie: Andreas Dresen

Die DDR im Herbst des Jahres 1977: Schulalltag und Liebeleien rücken in den Hintergrund, als der Direktor bei einer Schülerin Material über die RAF entdeckt. Als eine versuchte Vertuschungsaktion die ganze Sache noch verschlimmert, greifen die Schüler zum Äußersten und entführen ihren Direktor nach dem "Schleyer-Vorbild". Eine tragikomische Liebesgeschichte mit autobiografischen Erinnerungen an die DDR-Jugend des Regisseurs, zugleich eine Reflektion über den "Deutschen Herbst" vor 20 Jahren. Zwar schlägt der Film einige unfreiwillige Kapriolen, entlarvt Kleingeisterei und Borniertheit aber pointiert als (gesamt-)deutsche Eigenschaften, die in beiden Erziehungssystemen schon immer hoch angesehen waren. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
ORB
Regie
Andreas Dresen
Buch
Torsten Schulz · Andreas Dresen
Kamera
Andreas Höfer
Musik
Jürgen Ehle · Kulle Dziuk · Pankow
Schnitt
Rita Reinhardt · Sabine Hermsdorf
Darsteller
Susanne Bormann (Anna-Maria) · Fabian Busch (Marcus) · Otto Mellies (Direktor Rottmann) · Christel Peters (Oma) · Matthias Walter (Randy)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
KJF-Edition
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Diskussion
„Irgendwann will jeder mal/ raus aus seiner Haut“, klingt für zeitgenössische Ohren nicht besonders umstürzlerisch, galt als Song der verbotenen Rockgruppe „Renft“ in der DDR aber als Staatsdelikt. In Andreas Dresens Jugenddrama dient das Titellied als zentrale Metapher für ein (ostdeutsches) Lebensgefühl, das sich in den 70er Jahren in vielen Köpfen eingenistet hatte. Ein trister Schleier gesellschaftlicher Stagnation liegt über dem realexistierenden Sozialismus, der jungen Menschen wenig Freiraum läßt, ihre überschießenden Energien loszuwerden. Wer gegen die enggesteckten Grenzen der rigiden Partei verstößt, fliegt von der Schule oder kann seine Studienwünsche an den Nagel hängen. Im Herbst 1977, als Westdeutschland im Bann der Schleyer-Entführung erstarrt, quält sich in einer kleinen Stadt in der DDR ein 18jähriger Gymnasiast mit seinen Gefühlen für eine Klassenkameradin, die einem anderen den Vorzug gibt. Als sie vom Schuldirektor mit einem Foto von Andreas Baader und Gudrun Ensslin aus dem „Spiegel“ überrascht wird und mit den üblichen Konsequenzen rechnen muß, sieht er plötzlich eine Chance, ihre Aufmerksamkeit zu erringen. Doch der Versuch, das beschlagnahmte Material verschwinden zu lassen, schlägt fehl und macht alles noch schlimmer. Zögernd läßt er sich auf ihren abstrusen Plan ein, den Direktor zu entführen und solange in einem Keller gefangen zu halten, bis die Fachlehrerkonferenz über die Studienzulassung entschieden hat. Der Versuch, die RAF zu „kopieren“, erweist sich jedoch schwieriger als gedacht: Auch einen Gefangenen überkommt gelegentlich ein dringendes Bedürfnis, und sein plötzliches Verschwinden aus der Öffentlichkeit tritt eine Lawine los, die sich nicht mehr stoppen läßt. Dresens (Fernseh-)Film ist eine kleine, sympathische Studie über die Kluft zwischen Schein und Sein, medialer Fantasie und prosaischer Normalität, aber auch eine vergnügliche Satire auf Borniertheit und Kleingeisterei, zwei gesamtdeutsche Tugenden, die im Erziehungssystem beider Staaten keine unbescheidene Rolle spiel(t)en. Mehr als die alltagsnahe, manchmal auch betuliche Handlung fasziniert die atmosphärische Schilderung einer „gedeckelten“ Welt, in der sich das öffentliche Bewußtsein einer blassen Clique ziemlich vergreister Potentaten unterwerfen mußte und sich kleine innere Fluchtnischen schuf. Vor allem in der Figur des Schuldirektors findet das Gefühl, aus seiner Haut zu wollen und doch nicht zu können, seine eindringlichste, menschlichste Konkretisierung. – Sehenswert ab 14.
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