Oscar Wilde (1997)

- | Großbritannien 1997 | 117 Minuten

Regie: Brian Gilbert

Filmische Biografie des irischen Schriftstellers Oscar Wilde und seines skandalumwitterten Lebens in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Getragen von einem hervorragenden Hauptdarsteller und frei von jedem voyeuristischen Kitzel beschreibt der Film den Autor als einen tragisch zerrissenen Charakter, der sich zwischen den "Fronten" seines Begehrens aufreibt. Zwar nicht ohne Längen und mit einigen eher geschmäcklerischen Momenten, insgesamt aber als ambitioniertes Porträt bemerkenswert. - Ab 16 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
OSCAR WILDE
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Samuelson Prod./Dove/NDF/Pony Canyon/Pandora/Capitol/BBC/The Greenlight Fund
Regie
Brian Gilbert
Buch
Julian Mitchell
Kamera
Martin Fuhrer
Musik
Debbie Wiseman
Schnitt
Michael Bradsell
Darsteller
Stephen Fry (Oscar Wilde) · Jude Law ("Bosie", Lord Alfred Douglas) · Vanessa Redgrave ("Speranza", Lady Wilde) · Jennifer Ehle (Constance Wilde) · Gemma Jones (Lady Queensberry)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16 möglich.
Externe Links
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Diskussion
Die Werke von Oscar Wilde - wie "Salomé" und "Das Bildnis des Dorian Gray" - lieferten bereits den Stoff für eine ganze Reihe filmischer Adaptionen, und auch das Leben des irischen Autors in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war bereits mehrfach Gegenstand von Kinoproduktionen. Wobei diese zumeist weniger den Schriftsteller als den Dandy und das gesellschaftliche "Enfant Terrible" Oscar Wilde in den Mittelpunkt ihres Interesses stellten. Angelehnt an die 1988 erschienene opulente Wilde-Biografie von Richard Ellmann, konzentriert sich Brian Gilbert in seinem Spielfilm vornehmlich auf die skandalumwitterte Vita des Dichters. Doch anders als die früheren Filmbiografien ist der Film frei von jenem voyeuristischen Kitzel, von dem sich bürgerliche Moralisten nicht nur im spätviktorianischen Zeitalter nur allzu gern schockieren ließen. Vielmehr zeichnet Gilbert, der sich mit "Tom & Viv" (fd 31 077) bereits mit dem Leben des Schriftstellers T.S. Eliot auseinandersetzte, Oscar Wilde vornehmlich als einen zerrissenen Charakter. Der vermeintlich egozentrische Lebemann mit der obligatorischen Nelke im Knopfloch erscheint als liebevoller Vater, der seinen Kindern fantasievolle Gutenachtgeschichten erzählt, seine Frau Constance zwar schändlich vernachlässigt, aber dennoch aufrichtig liebt und sich auch nach seinem "Coming Out" als Homosexueller weiterhin zu ihr bekennt. Oscar Wilde erscheint weniger als souveräner Dandy, als ein auf tragische Weise Getriebener, der sich zwischen den "Fronten" seines Begehrens aufreibt. Einerseits verachtet er das spießbürgerliche Publikum, das seine Stücke beklatscht, andererseits läßt der beifallssüchtige Narziß in ihm keine gesellschaftliche Einladung aus, um sich von eben diesen Menschen auf die Schulter klopfen zu lassen.

Derselbe Widerspruch kennzeichnet seine Verbindung mit seinem jugendlichen Liebhaber Bosie, einem sensiblen Schönling und arroganten Schnösel zugleich, dem Wilde bis zur Selbstaufgabe verfällt. Jene Szenen, in denen der jugendlich ungestüme Bosie Wilde mit seinem Hang zur trauten Zweisamkeit vorwirft, ein kleinbürgerlicher Spießer zu sein, gehören fraglos zu den stärksten Eindrücken des Films, nicht zuletzt, weil es Hauptdarsteller Stephen Fry in umwerfender Manier gelingt, die ganze Tragik dieser Situationen anschaulich zu machen. Gilbert beschränkt sich bei seinem überzeugenden Porträt auf den "erwachsenen" Oscar Wilde, also die Zeit von seiner Heirat mit Ende 20 bis zu seinem Tod. Die Ausblendung von Kindheit und Jugend überrascht, verschont einen andererseits aber auch wohltuend von jeder psychologisierenden Charakterforschung. Weniger gelungen erscheint der Umstand, daß nahezu der ganze Film in geschmackvoll bis geschmäcklerisch hergerichteten Interieurs spielt. Die Außenaufnahmen beschränken sich auf wenige Spaziergänge und (immer wieder) irgendwo vorfahrende Kutschen, deren Fahrgäste sich dann schleunigst zu irgendeiner Party oder einem trauten Zwiegespräch nach drinnen begeben, was bisweilen ermüdend wirkt und den Film nicht ohne Längen bleiben läßt. Ob Gilbert mit seiner differenzierten Korrektur des landläufigen Oscar-Wilde-Bildes der historischen Figur nun gerecht wird oder sie womöglich allzu sehr "zähmt", sei dahingestellt. Bemerkenswert ist sein ambitioniertes Porträt - nicht nur für Wilde-Fans - allemal.
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