Der Hauptmann von Muffrika

Dokumentarfilm | Deutschland 1996 | 70 Minuten

Regie: Paul Meyer

Dokumentarfilm über einen jungen deutschen Gefreiten, der sich kurz vor Kriegsende an der holländischen Grenze eine Hauptmannsuniform zulegte und daraufhin, zusammen mit einer eigens rekrutierten Truppe, einen blutigen Feldzug gegen Deserteure und "Wehrkraftzersetzer" führte. Eine ungeheuerliche Geschichte, an die der Film erinnert, indem er das spärliche Dokumentarmaterial mit stimmungsvollen schwarz-weißen Aufnahmen der Emsländer Moorlandschaft und erschütternden Aussagen von Zeitzeugen montiert. Er beschränkt sich auf die Chronik der Ereignisse und überlässt es dem Zuschauer, sich ein Bild zu machen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
Paul-Meyer-Film
Regie
Paul Meyer · Rudolf Kersting
Buch
Paul Meyer · Rudolf Kersting
Kamera
Ulrich Fischer · Rudolf Kersting
Schnitt
Rudolf Kersting · Agnes Ganseforth
Länge
70 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Verleih DVD
absolut (FF, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Genieße den Krieg, der Friede wird fürchterlich. So oder so ähnlich mag der Wahlspruch des Gefreiten Herold gelautet haben, als er im April 1945 den Anschluss an seine sich von der Westfront zurückziehende Truppe verlor und allein durchs Emsland irrte. Ein 19-Jähriger mit Milchbubengesicht, für den der Krieg hätte zu Ende sein können. Doch dann findet Herold die intakte Uniform eines deutschen Luftwaffen-Hauptmanns, und erst jetzt fängt sein privater Feldzug an. An diese ungeheuerliche Geschichte erinnert der Film, der das spärliche Dokumentarmaterial mit stimmungsvollen schwarz-weißen Aufnahmen der Emsländer Moorlandschaft und erschütternden Aussagen von Zeitzeugen montiert. In wenigen Tagen sammelt „Hauptmann Herold“ Schicksalsgefährten um sich, nennt seine Truppe „Kampfgruppe Herold“, „Leibgarde Herold“ oder (später) „Standgericht Herold“. Auf ihrem zunächst ziellosen Weg gelangt die Soldateska am 11.4. ins Aschendorfermoor und trifft auf Strafgefangenenlager, in denen deutsche Deserteure (im nicht nur damaligen Sprachjargon Wehrkraftzersetzer) unter menschenunwürdigen Bedingungen auf das Ende des Krieges hoffen. Durch sein herrisches und selbstherrliches Auftreten verschafft sich Herold die Befehlsgewalt, seine Truppe übernimmt die Lageraufsicht und beginnt mit der willkürlichen Erschießung der Gefangenen. Als das Lager von englischen Bombern angegriffen wird, gibt Herold die Parole aus, dass keine Gefangenen übergeben werden. Dann ziehen er und seine Leute weiter, sorgen in Papenburg für standrechtliche Ordnung, später ist die Zivilbevölkerung von Leer an der Reihe. Bis Ende April hat Herold über 200 Menschen auf dem Gewissen. Dann hat der grausame Spuk ein Ende: Am 23. Mai nehmen britische Militärs den mittlerweile untergetauchten Soldaten Herold gefangen; er wird vor ein Militärgericht gestellt und hingerichtet. Eine ungeheuerliche Geschichte, eine ins Inferno gewendete Köpenickiade, die Staatsmacht nicht ad absurdum führt, sondern Macht- und Mordgelüste als pervertierte Bürgerpflicht angesichts eines allgegenwärtigen Staatsterrors erscheinen lässt. Die Autoren waren gut beraten, nicht nach der Motivation Herolds zu forschen und seinen Prozessakten kein Psychogramm abringen zu wollen. Sie beschränken sich auf die Chronik der Ereignisse und überlassen es dem Zuschauer, sich ein Bild zu machen. Dass hinter der schmächtigen Gestalt Herolds die Bestie des Faschismus aufscheint und die Fratze des Nazi-Terrors ihre Zähne fletscht, ist der Verdienst dieses Dokumentarfilms.

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