Die 120 Tage von Bottrop

- | Deutschland 1997 | 65 Minuten

Regie: Christoph Schlingensief

Einige um einen debilen Regisseur namens Sönke Buckmann gescharte Schauspieler wollen auf der Berliner Baustelle am Potsdamer Platz ein Remake von Pasolinis "Die 120 Tage von Sodom" drehen. Dies ist lediglich der Aufhänger für eine amateurhaft-schräge Szenenfolge, mit der der No-Budget-Spezialist Christoph Schlingensief den aktuellen deutschen Film zu persiflieren gedenkt, dabei aber nur unausgegorene Bild- und Sprechphrasen produziert, die weder provozieren noch unterhalten.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Neue Volkskunst/DEM Film/ORB/ORF
Regie
Christoph Schlingensief
Buch
Christoph Schlingensief · Oskar Roehler
Kamera
Christoph Schlingensief · Voxi Bärenklau · Kornel Miglus · Ralph Brosche
Musik
Helge Schneider
Schnitt
Bettina Böhler
Darsteller
Margit Carstensen (Margit) · Irm Hermann (Irm) · Volker Spengler (Volker) · Mario Garzaner (Sönke Buckmann/Rainer Werner Fassbinder) · Udo Kier (Udo Kier)
Länge
65 Minuten
Kinostart
-
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Diskussion
Am 26. Oktober 1996 versammelten sich die letzten Überlebenden der Fassbinder-Zeit, ,, um innerhalb von sechs Tagen auf dem Potsdamer Platz in Berlin, der größten Baustelle Europas, ein Remake der '120 Tage' von Pasolini zu drehen." Christoph Schlingensief will es einem dank solch erläuternder Zwischentitel wohl leicht machen, nachzuvollziehen, worum es in seinem jüngsten Film geht. Andere Inserts, die in ihrer betont altmodischen Art an deutsche Filmtrailer der 60er Jahre erinnern und von denen eines zu Beginn den Zuschauer bittet, den Film sehr laut zu "genießen", verheißen durchaus leichtes Amüsement, ja so etwas wie Komik. Wer sich dann aber durch die No-Budget-Bilder zwischen den Inserts arbeitet, der wird bald feststellen, daß der Unterhaltungswert allenfalls eingefleischten Schlingensief-Fans garantiert ist. Alle anderen Zuschauer durchleiden eine dilettantische, bis zur Selbstverliebtheit ausgereizte Nummernrevue, die sich als Hommage auf Rainer Werner Fassbinder versteht und nebulös-verquast an die "Exzentrik und den Wahnsinn einer längst vergangenen Zeit" erinnern will, in Wahrheit aber das spätpubertäre Kasperle-Theater eines stets Außenvorgebliebenen ist, der durch den vermeintlichen "Aufschrei" seiner Bilder ungeteilte Aufmerksamkeit erheischen will. Fassbinder einst verbundene Schauspieler tapern durch die Szenerie, darunter die mimosenhafte Irm Hermann, die angesichts der Ereignisse verzweifelnde Margit Carstensen sowie der sich wollüstig-pervers gebärdende Volker Spengler; sie reiben sich auf die eine oder andere Weise an dem soeben mit einem Bundesfilmpreis als bester Regisseur gekürten Filmemacher Sönke Buckmann, der den "letzten Neuen Deutschen Film" drehen soll und dabei irgendwie Pasolinis "120 Tage von Sodom" (fd 19 663) nacheifert, was dann, außer in einigen Bildzitaten, aber kaum eine Rolle spielt. Vielmehr geht es vornehmlich um das affektierte Gekrächze und Gekreische der auftretenden Personen, die - vielleicht - den deutschen Film attackieren wollen, indem sie die (in der Tat schreckliche) Bundesfilmpreisverleihung 1996 karikieren, Seitenhiebe auf den Hollywood-Erfolg Roland Emmerichs verteilen, sich auf die Suche nach dem Schauspieler Helmut Berger in Hollywood begeben und nebenbei noch Karlheinz Böhms Afrika-Ambitionen verulken. Das ist alles äußerst banal und noch nicht einmal wirklich geschmacklos, weil Schlingensief sich in den wenigen visuellen Entgleisungen allenfalls selbst zitiert. Dietrich Kuhlbrodt als "Hauptkritiker" klagt einmal von dem debilen Buckmann ein, daß die Bilder nur darauf warten würden, daß sie gestört werden, was sie freilich bei Schlingensief nie tun. Sie bleiben ebenso hermetisch wie trivial und sind allenfalls der deprimierende Beleg dafür, wie ausgebrannt Schlingensief ist. Pasolinis "Sodom"-Film war einst (und ist heute noch) eine verstörende, zutiefst deprimierende Reflexion über eine apokalyptische Verfallsepoche - Schlingensiefs Laientheater will vielleicht mit ähnlichen Kriterien über eine deutsche Film-Verfallsepoche reflektieren, ist dabei aber weder radikal noch erschütternd, sondern nur langweilig und unausgegoren.
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