Wahnsinnsnacht

Komödie | Frankreich 1994 | 88 Minuten

Regie: Solange Martin

Eine betrogene Ehefrau streift mit einem fremden jungen Mann eine Nacht lang durch Paris, besucht schäbige Vorstadt-Bistros, albert am Seine-Ufer herum. Ein unspektakuläres Porträt zweier einsamer Menschen, vorzugsweise in Halbtotalen und Nahaufnahmen fotografiert und souverän inszeniert als Gratwanderung zwischen Beziehungsdrama und Komödie. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
A CRAN
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Odessa/La Sept Cinéma
Regie
Solange Martin
Buch
Solange Martin
Kamera
Antoine Roch · Jean-René Duveau · Nicholas Quicheteau
Musik
Laurent Petitgand
Schnitt
Camille Cotte · Valérie Arlaud · Emmanuelle Poinsot · Luc Golfin
Darsteller
Clémentine Célarié (Clara) · Bruno Todeschini (Robert) · Sotigui Kouyaté ("le pompiste") · Andrée Damant (Marie-Rose) · Asil Raïs (Hotelrezeptionist)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Genre
Komödie | Drama

Diskussion
Clara Loubier, eine Frau mittleren Alters, fährt zum Flughafen, um ihren Mann abzuholen, der mit der letzten Maschine aus Lüttich kommen wollte. Doch unter den Passagieren, die schließich die Ankunftshalle in Orly betreten, kann sie ihn nicht finden. Irritiert ruft sie in seinem Hotel in Lüttich an. Man teilt ihr mit, Herr und Frau Loubier hätten das Haus bereits verlassen. Herr und Frau Loubier!? Konsterniert, aber doch seltsam gefaßt ruft Clara bei sich zu Haus an und erkundigt sich bei der Babysitterin, ob die Kinder wohlauf seien. Danach spricht sie einen jungen Mann an, der als einziger noch in der nunmehr leeren Halle sitzt, und fragt ihn, ob er Lust habe, mit ihr irgendwo ein Glas zu trinken. Der zeigt sich von dieser Offerte einigermaßen überrascht, willigt aber schließllich ein. Offenbar hat auch er im Moment nichts Besseres zu tun. Gemeinsam fahren Clara und Robert, so stellt er sich vor, in seinem Wagen nach Paris. Wahrlich kein schlechtes Intro für einen Film, aber so Ähnliches hat es durchaus schon gegeben. Doch meistens stürzten sich fremder Mann und fremde Frau dann mehr oder minder postwendend in den Taumel sexueller Obsessionen mit dem Kick der Anonymität oder sie redeten (Modell „Lebensbeichte“) ohne Unterlaß aufeinander ein. Solange Martin widersteht beiden Stereotypen und schickt die zwei in ruhigen, unspektakulären Bildern durch eine Pariser Nacht fernab allen Glamours. In schmucklosen Vorstadt-Bistros sucht Robert zunächst nach einem Freund, der ihm Geld schuldet, dann lassen sich die beiden von einem Blumenverkäufer zum Tee einladen, albern am Seine-Ufer herum, um schließlich doch noch in einem tristen Hotelzimmer zu landen.

Vordergründig gesehen passiert nicht viel in diesem Film. Doch die subtile Art, in der Solange Martin die allmähliche Annäherung von zwei Menschen inszeniert, die letztlich beide ihren – gänzlich unterschiedlichen – Formen der Einsamkeit zu entkommen versuchen, zeugt von souveränem Handwerk. Vorzugsweise in Halbtotalen und Nahaufnahmen setzt der Film mehr auf Atmosphäre und minuziöses Mienenspiel denn auf erklärende Dialoge und große Gesten. So wie die von ihrem Mann betrogene Clara ständig zwischen dem Rachevorsatz („Heute Nacht ist mir alles egal“) und Zweifeln („Was mach’ ich hier eigentlich?“) schwankt, bleiben auch Roberts Beweggründe letztlich diffus. So gelingt hier eine überzeugende Gratwanderung, die die Klippen von Beziehungsdrama und lärmender Komödie souverän umschifft. Woran nicht zuletzt die beiden Hauptdarsteller Clémentine Célarié und Bruno Todeschini, die mit ihrem Spiel den Figuren eine jederzeit plausible Glaubwürdigkeit verleihen, gehörigen Anteil haben. Ein unspektakulärer „kleiner“ Film, der auf sympathische Art nicht mehr sein will, als er ist, aber die sparsamen Mittel, die er einsetzt, souverän beherrscht.
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