Das Leben ist ein Spiel

Krimi | Frankreich 1997 | 106 Minuten

Regie: Claude Chabrol

Ein Betrügerpärchen, das sich das tägliche Brot am Rande der großen Hotels und Spielcasinos mit kleinen, sicheren Gaunereien verdient, muß Lehrgeld zahlen, als es sich in der Schweiz an den großen Coup wagt und der Mafia ins Gehege kommt. Ein unbeschwerter, leichter Film, der von der Gegensätzlichkeit seiner Protagonisten und ihrem ambivalenten Spannungsverhältnis lebt, das auch den Zuschauer in der Schwebe hält. Eine als Versteckspiel um Geld, Liebe und falsche Identität inszenierte liebenswerte Fingerübung, die viele Versatzstücke des Genres zitiert, zugleich aber auch als selbstironische Replik verstanden werden kann. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
RIEN NE VA PLUS
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
MK2
Regie
Claude Chabrol
Buch
Aurore Chabrol · Claude Chabrol
Kamera
Eduardo Serra
Musik
Matthieu Chabrol
Schnitt
Monique Fardoulis
Darsteller
Isabelle Huppert (Betty) · Michel Serrault (Victor) · François Cluzet (Maurice) · Jean-François Balmer (Monsieur K.) · Jackie Berroyer (Châtillon)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Krimi
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Concorde (16:9, 1.66:1, DD2.0 frz., DD5.1 dt., dts. dt.)
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"Rien ne va plus", keine Einsätze mehr, ruft der Croupier. Das Roulette dreht sich, die Entscheidung fällt. Betty spielt mit, spricht mit einem betuchten Handlungsreisenden. Sie nehmen einen Drink an der Hotelbar, dann gehen sie auf sein Zimmer. Doch vor dem greifbar nahen Schäferstündchen schläft der Mann ein. Claude Chabrols 50. Film dreht sich um ein Betrügerpärchen, das sich das tägliche Brot am Rande der großen Hotels und Spielcasinos mit kleinen Einsätzen und sicheren Gaunereien verdient. Betty nähert sich als Lockvogel den Herren mit den gefüllten Brieftaschen und versetzt ihren Drink mit einigen Schlaftropfen, während ihr Partner Victor dann dem schlafenden Opfer das Geld abnimmt. Ganz Gentleman, läßt er immer einen Teil der Beute zurück. Das genaue Verhältnis von Victor und Betty bleibt ungeklärt: Vater-Tochter? Lehrer-Schülerin? Geliebter-Geliebte? Die ungeklärte Beziehung des eigenartigen Paares - er ein älterer Herr, sie fast 30 Jahre jünger - prägt auch den ebenso geheimnisvollen wie heiteren Grundton des Films. Was verbindet die beiden? Die Blutsbande, das Bett, das Verbrechen oder alles zusammen? Auch die Schauspieler, so Chabrol, sollten ihre genaue gefühlsmäßige oder verwandtschaftliche Beziehung nicht kennen. Deutlich wird nur, daß der Seniorpartner den Ton vorgibt. "Paß auf, das ist alles eine Nummer zu groß für uns, wir sind doch nur kleine Betrüger", warnt Victor die Jüngere vor ehrgeizigen Projekten. Doch dann rückt im Schweizer Kurort Sils-Maria der ganz große Coup in greifbare Nähe: 500.000 Schweizer Franken in einem Ko er. Es entwickelt sich ein Spiel um Lügen und Halbwahrheiten, eine Charade, bei der man nicht mehr weiß, wer wen betrügt, denn ganz o ensichtlich hat Betty bereits vorher ihre Fäden zum attraktiven Geldboten Maurice gesponnen. Vor dem Postkarten-Panorama der schneebedeckten Schweizer Alpen ereignet sich in einem luxuriösen Berghotel dieses Versteckspiel um Geld, Liebe und falsche Identität, bei dem man nicht weiß, ob Betty gemeinsame Sache mit dem jungen Mann gegen ihren Kompagnon macht, oder ob es gar umgekehrt ist. Die Dreiecksgeschichte endet schließlich für die Protagonisten in der Karibik in tödlicher Gefahr. Begleitet vom Finale aus Puccinis "Tosca" läßt der Mafia-Chef Monsieur K. die Falle zuschnappen.

Claude Chabrol benennt sowohl Lubitsch als auch Hitchcock als Paten seines jüngsten Films, und tatsächlich vermischen sich Spannung und schwarzer Humor besonders in den ausgefeilten Dialogen. Für den Altmeister ist Humor eine wesentliche Konstante seiner Arbeit: "Ich kann nicht verstehen, wie ein geistig klarer Mensch in dieser Welt ohne Humor überleben kann. Das Gesündeste ist doch zu lachen, auch über sich selbst." "Das Leben ist ein Spiel" ist in der Tat von Anfang bis Ende ein artifizielles Spiel - ein Glücksspiel, bei dem selbst die Momente der höchsten Spannung heiter wirken. Chabrol glückte ein ausgesprochen liebenswerter Film, besonders im Vergleich zu den bierernsten Thrillern und Kriminalfilmen anderer europäischer Filmemacher. Dabei spielt er mit den Versatzstücken des Genres - die Welt der Reichen, der große Coup, die Mafia - und ironisiert genüßlich die blutige Verstrickung und die Theatralik der Filme à la Quentin Tarantino. So etwa, als Betty ihren Liebhaber, den Geldkurier Maurice, tot in der Badewanne findet, mit einem Messer durch die Augen gestochen: dies ist ein "choque-image", aber auch ironische Replik auf die Blutarien mancher Epigonen von "Pulp Fiction" (fd 31 041). Seine Plots und Subplots entwickelt Chabrol beiläufig, an manchen Stellen geradezu selbstironisch, etwa wenn die Kamera zeigefingerartig den Zuschauer auf eine zurückgebliebene Tasche aufmerksam macht. Am Ende ist es Victors routinierte Meisterschaft, die ihn und Betty aus dem karibischen Palast des Herrn K. entkommen läßt. Mit der gleichen Methode hat er um einen viel höheren Einsatz gespielt - und gewonnen. Völlig zu Recht bezeichnete Chabrol den Film als seinen bisher leichtesten, unbeschwertesten: "Spielerisch wie eine Seifenblase". Und diese Linie will er fortsetzen: "Ich habe viel gelernt in diesem Bereich. Ich habe immer noch viele Fragen und keine Antworten. (...) Früher war ich nur sarkastisch und nicht mehr. Heute mache ich leichtere, freundlichere Filme."
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